Autor: Marah Jade
Beta Leserin: aeris (du bist die Beste)

Banner: agentES (Danke Evelyne)
Rating: FSK 16
Genre: Action, Drama, Romanze, Whump
Spoiler: keine mir bekannten
Charaktere: Jethro Gibbs, Tony DiNozzo, Ziva David, Tim McGee, Abby, Ducky und ein paar andere Charaktere.
Pairing: TIVA und ein bisschen McAbby und Gibbs mit OC.
Disclaimer: Alles nur ausgeliehen: Alle Rechte an den Fernseh-Serien NCIS ihren Charakteren und Handlungssträngen gehören Donald P. Bellisario, Belisarius Productions, CBS und Paramount.
Die Story und die nicht in den Serien erwähnten Personen und Orte sind meiner Fantasie entsprungen. Mögliche Ähnlichkeiten mit lebenden Menschen oder realen Ereignissen sind reiner Zufall und nicht von mir beabsichtigt!!!

 

 

 

 

1. Kapitel

Milena kniete in der Spielwarenabteilung vor einer neuen, ganz in Rosa gekleideten Barbiepuppe. Obwohl sie fast sieben Jahre alt war und seit kurzem zur Elementary School ging, zog alles Rosafarbene sie noch immer magisch an. Mit einem Seufzer strich sie sich eine störende Haarsträhne, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, hinter das Ohr. Der Mann im Radio hatte heute früh gesagt, dass es der heißeste Tag des Jahres werden sollte. Scheinbar hatte er sich nicht geirrt, denn obwohl in dem Supermarkt eine Klimaanlage lief, schwitzte Mia bereits, und sie war dankbar für das leichte Kleidchen mit den Spagettiträgern, das ihr Ziva heute Morgen noch heraus gelegt hatte.

Hitze bedeutete Schulfrei für Mia und leitete auch gleichzeitig ein langes Wochenende ein. Da ihre Mommy zu einem Seminar musste, hatte sich ihr Vater Urlaub genommen, um auf sie und ihren kleinen Bruder aufzupassen. Der Tag hatte in ihren Augen perfekt begonnen. Sie hatte sich mit Dillan verbündet und zusammen waren sie mit Indianergeheul ins Schlafzimmer gestürmt. Mit einem kleinen Lächeln dachte sie an die anschließende Kissenschlacht zurück, wobei ihr Daddy schnell den kürzeren gezogen hatte, obwohl sie sich fast sicher war, das er sie hatte gewinnen lassen. Jetzt waren sie einkaufen, denn ihr Vater wollte gleich mit ihnen Spagetti kochen.

Mit größter Sorgfalt nahm sie die Puppe aus dem Regal und betrachtete sie durch den Karton.

„Du bist schön, weißt du das?“, sagte sie der Barbie leise und strich mit ihren kleinen Fingern fast zärtlich über die Verpackung. „Aber, meine Mommy sagt immer, ich werde langsam zu alt für Puppen.“ Mit einem kleinen Seufzer stellte sie den Karton wieder zurück und stand auf. „Und außerdem habe ich ja noch Puppe.“

Und obwohl Puppe sie nicht mehr überall hin begleitete, hing sie noch immer sehr an ihr. Sie war das einzige Verbindungsglied zu ihrer richtigen Mom. Es war seltsam, aber wenn sie versuchte sich ihr Gesicht vorzustellen, dann sah sie immer nur das Foto, das ihr ihr Daddy irgendwann einmal gegeben hatte. Wirkliche Erinnerungen hatte sie nicht. Nur Empfindungen. Wärme. Geruch. Liebe. Ihre jetzige Mom sagte dann immer dass sie noch zu klein gewesen war und so war es vielleicht auch. Jedenfalls hatte sie zwei Mommys. Eine im Himmel unter den Engeln und eine hier auf Erden. Welches Kind konnte das schon von sich sagen?

Während sie sich verstohlen eine kleine Träne von der Wange strich, wandte sie sich den Plüschtieren zu. Dillan würde sicherlich seinen Spaß mit den Stofftieren haben. Ihr kleiner Bruder war jetzt schon über ein Jahr alt und flink auf den Füßen, dafür aber stockend mit der Zunge. Außer Daddy, Onny und Lia mit dem M hatte er so seine Probleme bekam er nichts Weiteres zustande. Manchmal kam er ihr wie ein Schatten vor. Wo sie war, war Dillan nie weit, und an schlechten Tagen erwachte die Eifersucht in ihr, dann sehnte sie sich nach der Zeit zurück, bevor ihr Brüderchen geboren wurde. Damals als sie noch alle für sich alleine hatte. Jetzt hieß es immer teilen. Gedankenverloren wollte sie gerade ein kleines Auto in die Finger nehmen, als sie ihren Vater rufen hörte.

~~~***~~~


„Dillan“, rief Tony und stellte die Dose zurück ins Regal. „DILLAN“, diesmal erklang sein Ruf schon lauter und herumstehende Personen drehten sich zu ihm um. Hektisch drehte er sich im Kreis, um einen besseren Überblick zu bekommen, aber die Regale nahmen ihm die Sicht. „DILLAN, komm zu Daddy“, rief er wieder und leichte Panik machte sich in ihm breit.

„Was ist denn Daddy?“, fragte ihm in den Moment seine Tochter, die aufgeschreckt von seinem Rufen, auf ihn zulief.

„Dillan ist weg. Hast du ihn gesehen?“

„Nein, ich war in der Spielwarenabteilung, da war er nicht. Er war doch bei dir im Wagen.“

„Ich weiß, ich weiß“, sagte ihr Vater ungeduldig und mit einem seltsamen Klang von Schuld in der Stimme. „Er wollte nicht mehr sitzen und ich hab ihn nur kurz aus den Augen gelassen......“

Milena rollte mit den Augen. „Mom sagt immer, man darf Dillan nicht eine Sekunde aus den Augen lassen.“ Vorwurfsvoll schüttelte sie mit dem Kopf und sah ihren Vater strafend an. „Dann müssen wir ihn jetzt suchen“, kam es neunmalklug von seiner kleinen Tochter, und schon rannte sie rufend nach ihren kleinen Bruder los.

„Na toll“, murmelte Tony. So hatte er sich seinen freien Tag nicht vorgestellt. Mit immer mehr aufsteigender Panik schob er den Einkaufswagen an den Seitenrand und nahm so schnell er konnte Mias Verfolgung auf.

~~~***~~~


Sie hatten den ganzen Supermarkt nach Dillan abgesucht, aber der Kleine schien spurlos verschwunden zu sein. Jetzt blieb ihm nur noch eine Möglichkeit. Er musste ihn ausrufen lassen. Tony kämpfte schwer mit Gewissensbissen. Warum hatte er ihn nur aus dem Wagen gehoben? Er hätte ihn nicht aus den Augen lassen dürfen. Was wenn er irgendjemanden in die Hände gefallen war? Wie sollte er damit leben, das es seine Schuld war? Wie sollte er das nur Ziva erklären?

Schwer atmend kam Tony bei der Information an.

„Mein Sohn...“, japste er mehr, als das er sprach. „...mein Sohn, ich habe ihn verloren.“

Strafend sah ihm die junge Frau hinter dem Tresen von oben herab an. Es war doch immer das gleiche mit diesen „möchte-gern“ Vätern. Da waren sie einmal mit ihren Kindern allein unterwegs und schon musste man die Kleinen suchen lassen.
„Was hat Ihr Sohn heute an?“, fragte sie darum leicht genervt.

„Was er an hat?“, verwirrt sah Tony sie an. Was hatte Dillan heute an? Jeans? Er wusste es einfach nicht, sein Gehirn hatte auf Panik geschaltet. „Hören Sie, mein Sohn ist weg und Sie fragen mich was er an hat!?“ Aufgebracht sah er sie an.

„Wie soll ich ihn ausrufen, wenn ich nicht weiß wie er aussieht?“, gab sie zurück.

„Er ist ungefähr so groß...“, sagte Tony und fasste sich an den Oberschenkel. „Er hat dunkelbraune Locken und grüne Augen und er heißt Dillan.“

„Was hat er an?“, fragte sie wieder und schenkte ihm dabei ein triumphierendes Lächeln.

Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo Tony nur noch rot sah. Er griff in seine Jackentasche, suchte kurz, und knallte ihr seinen Ausweis unter die Nase. „Ich bin Special Agent Anthony DiNozzo und ich vermisse meinen kleinen Sohn und wenn Sie nicht sofort Ihren Job machen, dann werden Sie mich noch kennen lernen! Und bevor Sie fragen, Ja, ich habe eine Waffe und Ja, ich darf sie auch benutzen.....“, weiter kam er nicht, weil kleine Hände an seiner Jacke zogen.

„DADDY“, rief Milena aufgeregt und sah die Frau hinter der Theke so mitfühlend an, wie es einer Sechsjährigen möglich war. „Er hat eine kurze Jeans und ein blaues Shirt an. Auf dem Rücken ist ein Dinosaurier. Reicht das?“

„Warum nicht gleich so?“, kam es leise von der jungen Frau während sie das Mikrofon nahm und endlich den Ausruf tätigte. Nach dem sie den Hörer wieder abgelegt hatte, kam sie zu Tony und seiner Tochter zurück. „Sie können dort warten“, teilte sie ihm mit und wies mit kaltem Blick zu einer reihe von Stühlen. „Und reden Sie nie wieder so mit mir.“ Damit drehte sie sich weg und nahm ihre eigentliche Tätigkeit wieder auf.

„Puhhhh“, machte Mia und sah ihren Vater grinsend an. „Gut das sie nur dich kennengelernt hat und nicht Mommy.“

Tony legte ihr eine Hand auf den Kopf, dann griff er unter ihre Arme und hob sie auf seine Hüfte.

„Oh Prinzessin, du wirst langsam wirklich zu schwer für so etwas.“ Mit einem Stöhnen setzte er sie wieder auf die Füße und nahm ihre kleine Hand in seine. „Bereit für die nächste Runde oder willst du lieber hier warten?“

Sie schenkte ihm ein aufbauendes Lächeln. „Bereit. Wir werden ihn schon finden Daddy.“

~~~***~~~


Tony wusste nicht mehr wie lange sie jetzt schon nach Dillan auf der Suche waren, aber mittlerweile war ihm vor Angst der kalte Schweiß ausgebrochen. Seine Hand spielte mit dem Handy, bereit seinen Boss zu verständigen und um Hilfe zu bitten. Langsam trottete er zusammen mit Milena den Gang entlang. Wieder hörte er die Meldung nach seinem Sohn durch die Lautsprecher. Sein Blick fiel durch die Ladenfenster auf den Vorplatz und kurz stockte ihm der Atem.

„Nein“, flüsterte er. „Bitte nicht.“ Er konnte durch die Scheibe seinen Sohn sehen, der mutterseelenallein auf den Parkplatz stand, zwischen all den Autos. Schnell hatte sein geschulter Blick die Gefahr erkannt. Wenn der Kleine jetzt weiter lief, dann würde er geradewegs auf die Straße laufen. Schnell sah er herunter zu Mia.

„Du wartest hier. Dillan ist draußen“, befahl er und bevor Milena nachfragen konnte, rannte Tony, immer seinen Sohn im Blick, zum Eingang.

~~~***~~~


Während er durch die Gänge spurtete, bemerkte Tony wieder einmal dass er noch lange nicht fit war und es vielleicht auch nie wieder werden würde. Zwei Schussverletzungen in kürzester Zeit, der Flugzeugabsturz und seine anschließende Flucht vor einem Sadisten durch die Wälder Kanadas, der Kampf mit dem Wolf und eine Lungenentzündung, das alles hatte seinem Körper sehr zugesetzt. So sehr zugesetzt, das er auch heute noch mit den Auswirkungen zu kämpfen hatte. Es kam, wie es kam und zu seinem Bedauern, hatte Tony keinerlei Einfluss darauf. An schlechten Tagen war sein Bein kaum zu gebrauchen, an guten Tagen konnte er mit Ziva um den Block joggen, mehr aber auch nicht. Seine Ärzte legten ihm eine erneute Operation nahe, da seine Kniescheibe zum herausspringen neigte, aber vorerst wollte Tony davon nichts wissen. Von Krankenhäusern hatte er für die nächste Zeit genug.

Die Prüfungen, um wieder zurück in den Feld-Einsatz zu können, hatte er erst beim zweiten Anlauf geschafft und dann auch nur, weil Vance die Anforderungen genau zu diesem Zeitpunkt passend abgesenkt hatte. Zugegeben hatte ihr Direktor das zwar nie, aber Gibbs hatte es einmal durchblicken lassen. Und so hatte Tony die Prüfungen im geschafft und war nun wieder vollwertiger Field Agent. Auch wenn Gibbs immer ein wachsames Auge auf ihn hatte und dafür sorgte dass er weder sich, noch seinem Bein zu viel zumutete.

Als das Drehkreuz des Eingangbereiches in Sicht kam, legte Tony in vollem Sprint seine Hände auf die Metallstangen und setzte, trotz seiner eingeschränkten Beweglichkeit, zum seitlichen Sprung an. Die Kraft seiner Arme brachte ihn über die Stangen und die erstaunten Ausrufe der herumstehenden Personen, verrieten ihm das auch seine Landung gelungen war, die ihm selbst jedoch schmerzhaft ins Fleisch schnitt. Kurz kam er ins Straucheln, als sein rechtes Knie unter ihm nachgab, doch dann hatte er seinen Schwung wieder gefunden und lief mit zusammengebissenen Zähnen weiter, wenn auch lange nicht mehr so flüssig wie vor dem Sprung.

 

 

 

2. Kapitel

Mia sah ihren Vater hinterher. Dillan war draußen? Wie war er nur so schnell nach draußen gekommen? Schnell versuchte sie sich auf die Zehenspitzen zu stellen, aber auch das machte sie nicht wirklich größer, damit sie über die Regale blicken konnte. Verzweifelt rannte sie ihrem Vater hinterher. Immer in dem Glauben, das es ihre Schuld wäre, wenn ihrem kleinen Bruder etwas passieren würde. Denn immer hin war sie es, die sich noch vor ein paar Minuten gewünscht hatte, er wäre nie geboren worden.

~~~***~~~


„Na komm schon Cameron. Das schafft du jetzt auch noch. Komm zu Daddy.“ Mit einem stolzen Lächeln kniete Gibbs auf der Wiese hinter seinem Haus und breitete seine Arme aus. Sein 11 Monate alter Sohn stapfte ihm mit einem zufriedenen Glucksen entgegen. Er war noch etwas wacklig auf den Beinen, aber er wurde von Tag zu Tag sicherer.

„Komm Kleiner, noch ein paar Schritte, dann hast du es...“, weiter kam Jethro nicht, da Cameron genau in dem Moment auf seinen gewindelten Po plumpste und sich sein gerade noch siegessicheres Gesicht, weinerlich verzog.

„Oh, nicht weinen“, sagte Gibbs und robbte schnell auf seinen Sohn zu und zog ihn in seine Arme. „Merk dir das“, flüsterte er ihm ins Ohr. „Ein Marine weint nicht.“ Jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit, fügte er in Gedanken hinzu. Sein Sohn hatte die Schmach schon wieder vergessen und strampelte sich von seinem Dad frei, um wieder auf die Füße zu kommen.

„Na“, fragte Tabitha die gerade mit einer Trinkflasche für den Kleinen wieder in den Garten zurückkam. „Was hast du ihm zugeflüstert?“, fragte sie uns kniete sich zu ihm auf die Decke. Cameron hatte schon wieder die Verfolgung eines Schmetterlings aufgenommen und kabbelte gewandt über den Boden.

Gibbs beugte sich zu seiner Lebensgefährtin und küsste sie zärtlich auf die Lippen. „Mhmmm“, sagte er. „Männerkram.“

Tab lachte laut auf, so dass sogar ihr Sohn, in seinen Bemühungen den Schmetterling zu fangen, abgelenkt wurde und seine Mutter fragend ansah. „Meinst du nicht das ist noch etwas zu früh?“, fragte sie und lachte immer noch.

„Mit so etwas kann man nicht früh genug anfangen.“

„Na wenn du meinst“, kam es von der Dunkelhaarigen und sie streckte sich neben ihm, auf der Decke aus. „Ich bin froh dass du heute so früh Feierabend gemacht hast. Du bist in der letzten Zeit immer so lange im Büro.“ Eigentlich sollte es nicht so vorwurfsvoll klingen, aber sie bemerkte sofort dass sie es nicht richtig herüber gebracht hatte und Gibbs, der gerade noch ihre Schläfen gestreichelt hatte, sich etwas genervt aufsetzte.

„Es kommt, wie es kommt. Mörder machen keinen Feierabend.“

„Ich weiß“, kam es von Tab und sie setzte sich nun auch wieder auf. „Aber du verpasst so viel in Camerons Entwicklung. Schau nur, unser Kleiner kann schon laufen und bevor du dich versiehst, wird er ein Auto haben wollen. Und damit meine ich kein Spielzeugauto.“

„Tabby, was sollte ich deiner Meinung nach machen?“

Oh je, diese Unterhaltung hatten sie schon so häufig geführt. Resigniert fuhr sie sich durch ihr kurzes Haar, das schweißnass an ihrem Nacken klebte. „Du sollst gar nichts machen, aber du könntest etwas Verantwortung an deinen Senior weiter geben.“

„An Tony? Die Leitung meines Teams? Und ich soll mich zur Ruhe setzen? Ist es das was du möchtest?“

„Was wäre daran so schlimm?“

„Er ist noch nicht soweit“, kam es von Jethro leise.

„Jethro“, sagte Tab und zog sich auf die Knie und wandte sich ihm zu. „Meinst du Tony wird jemals in deinen Augen soweit sein?“ Sie wusste dass sie ihn damit provozierte, aber sie konnte jetzt nicht mehr zurück.

Wütend sprang der Grauhaarige auf und lief ein Stück in den Garten hinein, seinem Sohn hinterher, der gerade einen Maulwurfhügel untersuchte. „Tab, wie häufig haben wir schon dieses Gespräch geführt. Du weißt wer ich bin, ich kann mich nicht mehr ändern.“

„Jeder kann sich ändern. Selbst Tony konnte es. Warum nicht auch du?“, fragte sie und sah ihn abwartend an.

~~~***~~~


„Vorsicht, aus dem Weg!“, rief Tony und kollidierte leicht mit einem Einkaufswagen, den ein unachtsamer Passant in seinen Weg geschoben hatte. „Weg, aus dem Weg!“, schrie er wieder und rannte weiter, bis er endlich den Eingang passierte und auf dem Parkplatz stand. Wo war Dillan? Panisch suchte er im Laufschritt den Parkplatz ab. Wo war der Junge nur? „DILLAN?“, schrie Tony in voller Lautstärke. Noch immer hatte er ihn nicht gefunden. Im Umkreis blieben davon die Leute stehen und sahen ihn fragend an. Der Schweiß lief mittlerweile in Strömen seinen Körper herunter. Kurz sprang er hoch, um sich einen besseren Überblick über die parkenden Autos zu verschaffen, doch der Aufprall sorgte nur für weitere Schmerzen in seinem Bein. „DILLAN“, schrie Tony wieder und wurde plötzlich auf eine Frau aufmerksam, die nicht weit von ihm entfernt, mit der Hand auf etwas deutete. „Was?“, rief er ihr zu und lief schnell zu ihr herüber.

„Da ist ein Kind. Sehen sie es?“ Fast panisch deutete sie in die entgegengesetzte Richtung.

Tony folgte ihrem Blick und erkannte an dem Krauskopf seinen Sohn, der geradewegs auf die Straße zu lief.

„Oh Gott, Dillan. NEIN!“ Ohne sich bei der Frau zu bedanken rannte er los, zwischen den parkenden Autos hindurch. „DILLAN!“, brüllte er, um die Aufmerksamkeit des kleinen Jungen zu erreichen und ihn daran zu hindern, ungebremst weiter in Richtung Straße zu laufen. Doch sein Sohn hielt das ganze wohl für ein Spiel. Tony konnte ihn Quietschen hören, als er die Stimme seinen Vaters erkannte, doch er wurde nicht langsamer, sondern seine kurzen Beine beschleunigten das Tempo noch.

Auch DiNozzo legte noch einmal einen Zahn zu, obwohl er mittlerweile kaum noch konnte. Sein Herz pumpte schmerzhaft gegen die Rippen und seine Lungen schrien nach Sauerstoff, aber er würde verteufelt sein, wenn er jetzt aufgeben müsste. Das Adrenalin, das durch seinen Körper schoss, setzte weitere Kraftreserven frei. Zusehend verringerte sich der Abstand zwischen Vater und Sohn. Und dann hatte Tony ihn fast erreicht, doch gleichzeitig bemerkte er dass sie sich schon auf der Straße befanden. Seine Augen weiteten sich, als er von rechts einen Dogde Ram auf sich und seinen Sohn zufahren sah.

Jetzt oder nie, dachte sich Tony und setzte zum zweiten Sprung an diesem Tag an. Wie eine Kanonenkugel schnellte er auf seinen Sohn zu, erwischte den Kleine an den Armen, zog ihn an seinen Körper und presste ihn an sich. Dann war der Ram da, erwischte sie seitlich und schleuderte beide Körper, vereint zu einem, auf die Straße. Nur dumpf vernahm er das Quietschen der Bremsen und die Schreie der Umstehenden. Dann erfolgte der Aufprall, hart und mörderisch, und presste DiNozzo die letzte Luft aus den Lungen. Er spürte wie sein Rücken über den Asphalt rieb und noch immer hielt er Dillan, fest und sicher, an seinem Körper geborgen. Dann war plötzlich der Schwung vorbei und sie kamen zu liegen.

Fern jeder Kraft löste Tony seine Starre und seine Arme, die zuvor noch so sicher seinen Sohn geschützt hatten, fielen seitlich herab. „Dillan“, flüsterte er und erntete von dem Kleinkind ein Glucksen. „Gott sei Dank!“, wisperte Tony und spürte wie jemand den Kleinen von ihm herunter zog. Dann war das Gewicht fort und er rollte sich mühsam auf den Bauch. Noch immer war sein Körper wie taub und er hörte und spürte kaum etwas.

Dunkelheit versuchte sich über ihn zu legen, er kämpfte dagegen an und stützte sich mit den Händen vom Boden ab. Als er sich aufstemmte, auf Händen und Knien schwankend, bewegte er sich so unsicher wie in Betrunkener. Immer wieder knickte ein Arm unter ihm zusammen. Dann stieß er sich mit letzter Kraft vom Boden ab und richtete sich auf, um gierig die Luft einzuatmen, nach der seine schmerzenden Lungen lechzten.

„Alles in Ordnung bei ihnen?“, fragte plötzlich jemand in seiner Nähe. Erst jetzt fiel ihm auf das die Umweltgeräusche wieder da waren. Er hörte Dillan weinen, in der Ferne Sirenengeheul und irgendjemand hatte seinen Arm ergriffen.

So sehr außer Atem, dass er nicht antworten konnte, nickte Tony nur. Trotz der Anstrengung hatte er das Gefühl, das ihm nichts passiert war. Doch dann versuchte er einen Schritt und seine Knie gaben so unerwartet nach, dass es wie ein Schock war. Er fiel um und auch die helfenden Hände an seinem Arm, konnten den Sturz nicht mehr verhindern.

„Wir brauchen hier einen Arzt!“, schrie plötzlich jemand in seiner Nähe und Tony spürte Hände die sich an ihm zu schaffen machten.

„Es geht mir gut“, sagte er und wusste doch dass er log.

„Bleiben Sie liegen“, befahl ihm eine fremde Person, als er wieder Anstalten machte auf die Füße zu kommen.

Mühsam versuchte er einen Blick auf seinen Körper zu erhaschen und sah das Blut, das seinem Arm herunter lief und den Asphalt rot verfärbte. Tony schloss die Augen, nicht weil der Anblick ihm unangenehm gewesen wäre, sondern um durch reine Willenskraft wieder Stärke in seinen Körper zurückzuzwingen, aber da er plötzlich überall Schmerzen verspürte, konnte er nicht mehr klar beurteilen woher das Blut kam. Seine Hände fuhren herum und er ergriff den ersten Gegenstand, den er finden konnte, und packte zu.

„Dillan?“, fragte er stockend und klammerte sich an die Hand die er erreicht hatte, wissend das er zu keiner anderen Bewegung mehr im Stande war.

„Der Junge? Es geht ihm gut, machen Sie sich keine Sorgen. Hilfe ist schon unterwegs.“

Immer schwerer fiel es Tony zu atmen. Die Dunkelheit die er gerade noch bekämpft hatte, senkte sich nun wieder auf ihn herab und jetzt hatte er ihr nichts mehr entgegenzusetzen.

~~~***~~~


Genervt fächerte sich Ziva mit dem Fragebogen, den sie vor sich auf den Tisch liegen hatte, Wind zu. Die Schwüle in dem Schulungsraum war mörderisch und sie schaute zum wiederholten Male auf ihre Armbanduhr, aber noch immer war die letzte Stunde nicht vorbei. Dieses Seminar war ihr von Vance aufs Auge gedrückt worden, und mittlerweile hasste sie ihn dafür. Denn heute war Milenas erster freier Schultag und sie hatten ihn als Familie verbringen wollen. Doch dann hatte der Direktor ihr ein Seminar über „Datenschutz“ aufgezwungen und ihr mit einem Eintrag in die Personalakte gedroht, sollte sie den Termin wieder absagen. Also war Ziva früh aufgestanden und nach Baltimore gefahren, um diesen Akt hinter sich zu bringen. Gott sei dank hatte die letzte Stunde schon begonnen, dann noch mal eine Stunde Autofahrt und sie konnte endlich Heim zu ihrer Familie.

~~~***~~~


Dillan verstand die ganze Aufregung um ihn nicht. Er war doch nur gelaufen. Immer weiter und so schnell er konnte. So wie er es immer tat, seitdem er es gelernt hatte. Jetzt befand er sich in einer festen Umarmung, aber die Frau die ihn hielt, kannte er nicht und sie roch falsch. Unmut machte sich in ihm breit und bebend zog er seine Unterlippe hoch. Seine braunen Augen blitzten verärgert auf und er fing an zu weinen. Dillan wollte das hier alles nicht. Er wollte zu Lia oder Daddy. Wütend strampelte er mit den Füßen, aber der Griff, der ihn hielt, wurde dadurch nur noch enger. Je fester die Arme ihn hielten, umso jähzorniger wurde der Kleine und Dillan schrie seine Wut laut heraus.

 

 

3. Kapitel

Endlich hatte Milena den Parkplatz erreicht. Niemand hätte sie auch aufhalten können. Schon von weiten hörte sie ihren kleinen Bruder schreien und sie hörte Sirenen die sich schnell näherten, kurz darauf das Schlagen von Autotüren. Unweigerlich folgte sie der Menschenmenge, die sich immer weiter zum Tatort drängte. Noch immer konnte sie nichts sehen, da die Erwachsenen ihr die Sicht nahmen.

„Bitte lieber Gott im Himmel, mach dass meinem Bruder nichts passiert ist“, flüsterte sie und dicke Tränen liefen ihre Wangen herunter. „Ich will auch nie wieder böse sein, das verspreche ich dir. Bitte.“

Mia schob sich zwischen Beine hindurch und an achtlos hingestellte Einkaufswagen vorbei, immer begleitet von Dillans Geschrei.

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Fröhlich stieg Ziva in ihren Mini. Endlich lag das Seminar hinter ihr und sie konnte nach Hause fahren um das lange Wochenende zu genießen. Wenn sie Glück hatte, dann hatte Tony heute zusammen mit den Kindern seine berühmten Spagetti á la DiNozzo gekocht, obwohl sie sich nicht wirklich von Spagetti Tricolore unterschieden. Dillan und Mia liebten dieses Gericht, und wahrscheinlich würde sie anschließend den Kleinen unter die Dusche stellen dürfen, dachte sie lachend. Während sie den Motor startete, schob sie gleichzeitig eine CD in den Player und als die ersten Töne erklangen, ordnete sich die Brünette in den fließenden Verkehr ein und trommelte im Takt auf das Lenkrad.

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Auf den letzten Meter musste Mia öfter ihre Ellenbogen einsetzen, als in ihrem ganzen Leben. Gelegentlich hörte sie ein Stöhnen, wenn sie eine empfindliche Stelle getroffen hatte, aber sie ließ sich nicht aufhalten und kämpfte sich weiter durch. Dann endlich konnte sie den ersten Blick auf das Geschehen werfen.

Sie sah ihren kleinen Bruder, der sich strampeln in den Armen einer fremden Frau wandt und sie sah ihren Vater blutend, umringt von anderen Erwachsenen, auf dem Boden liegen.

Betroffen und gleichzeitig verwirrt sah sie dem Spektakel zu. Ihr Daddy? Aber hätte es nicht eigentlich Dillan treffen müssen? Wieder traf die Schuld sie wie in Pfeil, fuhr in ihr kleines Herz und sorgte dafür dass ihr die Knie weich wurden.

„Daddy?“, rief sie. „Ich wollte das nicht. Bitte.“

Verzweifelt wollte sie auf ihn zu rennen, wurde aber aufgehalten.

„Nicht. Ich muss zu ihm“, jammerte sie und merkte dass die Tränen ihr hemmungslos über das Gesicht liefen.

„Scccchhhhhh, du kannst jetzt nicht zu ihm, las die Ärzte ihren Job machen“, sagte der Mann, der sie aufgehalten hatte.

„Ich muss“, stammelte Mia und versuchte sich freizumachen, doch sein Griff war fest.

„Gehörst du zu ihm?“, fragte er und sah sie nicken.

„Mein Bruder?“, sagte Milena plötzlich und sah zum ersten Mal den Mann an, der sie festhielt. Erstaunt stellte sie fest dass es ein Wachmann war. „Dillan. Daddy wollte ihn holen.“ Fassungslos sah sie zu wie die Sanitäter an ihrem Vater arbeiteten.

„Pass mal auf, was hältst du davon, wenn wir mal nach deinem Bruder schauen?“, fragte der Wachmann sie und nahm sie einfach auf den Arm.

Wäre es heute ein normaler Tag, hätte Mia protestiert, dass nur ihr Daddy sie noch auf den Arm nehmen durfte und dass sie selbst dafür schon zu alt war. Aber heute war kein normaler Tag und so genoss sie einfach die freundliche Wärme die der Wachmann ausstrahlte. Immer wieder versuchte sie einen Blick auf ihren Vater zu werfen, aber sie konnte an den Sanitätern nicht vorbei sehen und Dillans wütendes Geschrei lenkte ihren Blick in seine Richtung.

~~~***~~~



„Du kleines Miststück, halt endlich deine Füße still“, zischte die fremde Frau Dillan ins Ohr. Sie hatte sichtlich Mühe das schreiende Kind in ihren Armen zu bändigen. So würde sie es nie schaffen ihn ungesehen von hier weg zu bringen und schnell verwarf sie den Plan, der eigentlich nur durch einen glücklichen Moment des Schicksals entstanden war. Wie hätte sie auch hervor sehen können, das sie bei ihrem täglichem Einkauf ihrem größten Feind gegenüberstehen würde, dachte sie mit einem schiefen Grinsen und packte den sich windenden Jungen fester an den Oberarmen.

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„Dillan“, rief Mia ihm entgegen und bemerkte wie auch sein Kopf in ihre Richtung schaute.

„Lia, Lia“, rief der Kleine unter Tränen und strampelte nur noch mehr im Griff der Frau.

Der Wachmann nickte der Frau zu, die Dillan daraufhin zurück auf den Boden stellte, was er mit Mia auch tat. Sofort rasten die Geschwister auf einander zu und mit einem wehmütigen Blick verfolgten die beiden Erwachsenen ihre Zusammenführung. Der kleine Junge, kaum älter als ein Baby, schmiss sich seiner großen Schwester an den Bauch und schluchzte herzzerreißend auf.

„Daddy?“ Das herzförmige Gesichtchen gerötet vom vielen Schreien, die Unterlippe nach oben gezogen, weinte er jetzt still an ihrem Bauch.

Mia ließ sich auf den Boden plumpsen und zog den Kleinen mit sich herunter. „Alles wird wieder gut“, stammelte sie und sah erst jetzt, dass auch an Dillan der Autounfall nicht ohne Blessuren abgegangen war. Aufgeregt sah sie den Wachmann und die Frau an. „Er ist verletzt. Mein Bruder blutet.“

„Es wird sich gleich jemand um ihn kümmern“, sagte die Frau mit dem mürrischen Gesicht und Mia sah dass der Wachmann schon zu den Sanitätern lief.

Sie schluckte schwer, während sie unbeholfen Dillan über den Rücken strich. „Es wird alles wieder gut“, flüsterte sie ihm ins Ohr und passte auf das sie nicht an die Platzwunde an seiner Stirn kam.

„Lass mich mal sehen, junge Dame“, sagte in dem Moment ein Mann an ihrer Seite. Erschreckt sah Mia hoch. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass der Wachmann mit einem Sanitäter zurückgekommen war.

„Hallo ihr Zwei. Ich bin Mike und wie heißt ihr?“, fragte er sie freundlich, und warme blaue Augen sahen sie durchdringend an.

„Milena DiNozzo und das ist mein Bruder Dillan.“

„Ich habe schon gehört das ihr auch in den Autounfall verwickelt wart“, sagte er und studierte schon aus der Ferne Dillans Platzwunde. Dann deutete er mit dem Finger auf den Kleinen. „Das muss wahrscheinlich genäht werden. Er muss mit fahren. Wo ist eure Mutter?“

„Zu einer Schulung. Wir haben nur Daddy hier.“ Jetzt liefen Mia, die für ihren Bruder so mühsam zurück gehaltenen Tränen, über die Wangen.

Der Sanitäter stand langsam auf und sah den Wachmann an. „Ich nehme die beiden Kinder jetzt mit ins Krankenhaus. Sie kümmern sich darum die Mutter ausfindig zu machen. Ja?“

„Natürlich“, kam es von dem Wachmann und er nahm sein Funkgerät von der Schulter.

Noch immer hatte der Schock Milena so fest im Griff, das sie an nichts Anderes wie ihren Daddy denken konnte. Würde er durch ihre Schuld sterben? Nur weil sie sich gewünscht hatte das Dillan nie geboren worden wäre? Wie sollte sie das alles.... Plötzlich zuckte in Gedanke durch ihren Kopf.

„Mein Dad“, sagte sie während der Sanitäter ihr den weinenden Dillan aus den Armen nahm. „Mein Dad ist ein Bundesagent. Bitte rufen sie meinen Onkel an. Der ist sein Boss, beim NCIS. Onkel Jethro, ich meine er heißt Jethro Gibbs.“ Das sie völlig wirr sprach, fiel ihr gar nicht auf, aber der Wachmann schien sie auch so verstanden zu haben und nickte ihr zu.

„Okay, ich kümmere mich darum“, sagte er und betätigte sein Funkgerät.

Unterbewusst bemerkte sie, dass sie in ein Auto gesetzt und angeschnallt wurde. Ihr Blick war vom Weinen verschleiert, aber sie spürte das Dillan neben ihr war. Als sie ihn ansah, bemerkte sie, das auf seiner Stirn ein Pflaster klebte, doch sie hatte nicht gesehen wie er verarztet wurde. „Wo ist Daddy?“, fragte sie den Sanitäter, der sich ans Steuer des Notarztwagen setzte und legte ihrem kleinen Bruder einen Arm um die Schultern.

„Schon vorgefahren und wir fahren ihm jetzt nach.“

~~~***~~~



Wütend sah sie dem davonfahrenden Rettungswagen hinterher. Gott hatte es ihr in die Hände gelegt und sie hatte ihre Chance vertan. Aber es würde wieder passieren, ganz sicher nicht heute und vielleicht auch nicht morgen, aber irgendwann, da war sie sich sicher. Und sie hatte Zeit.

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Wütend drehte sich Gibbs zu seiner Lebensgefährtin um. „Tabby ich...“ Als das Handy schellte, atmete er auf. Dadurch wurde er von einer Erwiderung abgehalten, denn er war sich sicher dass ihr kleiner Disput eskaliert wäre. Seine Hand fuhr in die Hosentasche und holte das Telefon heraus.

„Gibbs“, brummte er in den Hörer. Seine eisblauen Augen blitzten dabei seiner Freundin entgegen.

Tabby schüttelte den Kopf. Wieder einmal hatte ihr Gespräch zu nichts geführt. So war es immer. Traurig stand sie auf und lief zu ihrem Sohn, der mittlerweile bis zu den Oberarmen in der Erde des Maulwurfhügels steckte. Als sie sich wieder umdrehte, sah sie wie Jethro erbleichte.

„Ja, natürlich. Ich komme sofort. Wo haben Sie sie hingebracht?“, fragte er und strich sich hilflos durch das Haar. „Okay, ich weiß wo das ist. Danke.“

Verwundert sah seine Freundin ihn an. „Was ist passiert?“, flüsterte sie und wusste dass ihr seine Antwort nicht gefallen würde.

Plötzlich fehlte ihm die Luft zum atmen und er riss sich mit einer Hand den Halsausschnitt seines T-Shirt herunter. „Tony und Dillan sind angefahren worden.“

„Oh Gott“, wisperte Tab. „Ist es schlimm?“

„Ich weiß nicht. Das war Vance‘ Sekretärin. Ein Mitarbeiter des Sicherheitspersonal eines Einkaufscenter hat nach mir verlangt. Sie wusste auch nicht mehr.“ Noch immer war er völlig fassungslos.

„Worauf wartest du?“, fragte Tabs in der Minute. „Fahr hin und versuch Ziva zu erreichen!“

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Endlich zu Hause, dachte Ziva, als sie ihren Mini auf der Straße vor ihrem Apartment parkte. Leider hatten sie nur einen Parkplatz in der Tiefgarage des Wohnkomplexes mieten können, so musste ihr kleiner Wagen draußen bleiben. Schwungvoll nahm sie ihre Tasche aus dem Auto und lief zur Tür.

„Hey Bob, alles klar heute?“, fragte sie den Wachmann, wartete aber seine Antwort nicht ab, sondern lief schon zum Aufzug.

„Bei dem Wetter?“, rief ihr Bob lachend hinterher. „Was sollte da nicht klar sein?“

„Genau, was sollte da nicht klar sein?“, erwiderte sie ihm durch die fast schon geschlossenen Aufzugtüren zu. Schnell waren die fünf Stockwerke überwunden. Normalerweise lief sie sie hoch und überließ Tony und den Kindern den Aufzug, aber heute sollte es schnell gehen und der Aufzug war an Schnelligkeit nicht zu übertreffen.

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Während im Notarztwagen nur das leise Weinen zweier Kinder zu hören war, überschlugen sich die Ereignisse im vorausfahrenden Krankenwagen und die beiden Sanitäter hatten alle Hände voll zu tun. Tony war, seit er den ankommenden Sanitätern vor die Füße gefallen war, nicht mehr zu Bewusstsein gekommen. Sie hatten IV-Zugänge gelegt und ihn an diverse Überwachungssysteme angeschlossen. Tonys Nacken wurde von einer Halskrause gestützt, die große Kopfwunde war notdürftig verbunden worden, sein rechter Arm steckte in einer Luftschiene und er selber lag auf einer Vakuummatratze, weil man eine Wirbelsäulenverletzung nicht ausschließen konnte. Doch was ihnen im Moment zu schaffen machte, waren sein niedriger Blutdruck und die Atemnot, die auf innere Verletzungen hinwies. Dass der Patient direkt nach dem Unfall auf seinen eigenen Füßen gestanden hatte, sagte nichts über die Art und Schwere seiner Verletzungen aus. Nick Carter, der Notarzt, hatte schon einen Bergsteiger mit einer gebrochenen Hand klettern sehen. Ein Schockzustand machte vieles möglich, dachte der Mediziner, als sich plötzlich die Tonfolge der Überwachungsgeräte änderte.

„Sein Puls geht in den Keller und seine Atmung wird flach“, sagte sein Kollege.

„Scheiße, wir verlieren ihn!“, sagte Nick. „Wie lange noch, Jack?“, fragte er den Fahrer.

„Wenn wir weiter so gut durch kommen, sieben oder zehn Minuten.“

„Kündige uns an. Sag sie sollen schon mal einen Schockraum freimachen. Unfallopfer mit schweren inneren Verletzungen und multiplen Frakturen. Wahrscheinlich traumatischer Pneumothorax, verursacht durch Rippenbrüche. Akute Ateminsuffizienz. Ronald?“, rief er seinem Kollegen zu. „Gib ihm 10 ml Fentanyl gegen die Schmerzen.“ Dann wandte er sich seinem Patienten zu. „Und du mein Freund siehst zu, das du noch ein paar Minuten aushältst.“

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Ziva betrat gutgelaunt die gemeinsame Wohnung. Noch immer hatten sie sich nicht dazu entscheiden können das Apartment zu verkaufen, aber langsam wurde die Wohnung für vier Personen zu klein. Sie zog ihre dünne Sommerjacke aus und hing sie an die Garderobe. Danach bückte sie sich, schob ihre Sandalen von den Füßen und hob gleichzeitig eins von Dillans Autos auf, das mitten im Flur lag.

„Hallooooo, ich bin wieder da!“, rief sie in die Wohnung, doch niemand antwortete ihr. Mit gerunzelter Stirn ging sie in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Aha, dachte sie. Tony war noch unterwegs mit den Kindern. Wahrscheinlich einkaufen, denn der Kühlschrank wies immer noch die gleiche Leere wie am Morgen auf. Lächelnd suchte sie in ihrer Tasche nach dem Handy und wählte Tonys Nummer. Vielleicht konnte ihr Anruf ihn dazu bringen sich zu beeilen.

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„Jack? Wie lange noch?“

„Wir sind fast da, Nick.“

„Ich brauch messbare Angaben. Also was heißt fast?“, brüllte der Sanitäter, gegen den Lärm der Sirenen zurück und musste sich festhalten, weil der Rettungswagen eine enge Kurve nahm.

„Maximal fünf Minuten.“

Nick verzog das Gesicht und beobachtete weiterhin die Instrumente, Tonys Atmung wurde immer flacher und der Blutdruck sackte weiter durch. Nick zog seine Unterlippe zwischen die Zähne. Fünf Minuten. Das war eine lange Zeit. Wieder sah er zu Tony, dann hatte er einen Entschluss gefasst. „Wir intubieren.“ Er und sein Partner waren ein eingespieltes Team. Während Nick die Instrumente zusammen legte, löste Ronald schon einen Teil der Nackenkrause und steckte den Hals durch, damit sein Partner den Tubus einführen und seinen Patienten zur kontrollierten Beatmung mit 100% Sauerstoff versorgten konnte.

„Leg einen Zahn zu Jack“, rief er dem Fahrer zu, als plötzlich eine Handymelodie erklang. „Deins?“, fragte Nick seinen Partner, doch dieser schüttelte den Kopf. „Seins“, sagte er mehr zu sich, als zu Roland und suchte vorsichtig in den Hosentaschen seines Patienten, bis er das Telefon in den Fingern hielt. „Soll ich dran gehen? Was meinst du?“ Als Roland ihm zunickte, drückte er die Annahmetaste. „Hallo?“




4. Kapitel

Ziva zuckte zurück, als sie eine fremde Männerstimme am anderen Ende hörte, doch schnell hatte sie sich wieder gefangen. Sicher gab es eine logische Erklärung dafür.

„Ähmm, das ist die Nummer meines Mannes. Wer sind sie?“

„Oh M´am. Es tut mir leid, aber ihr Mann hatte einen Autounfall. Es wäre gut wenn Sie...“

Angst kroch Zivas Rücken hoch. „Autounfall?“, fragte sie heiser.

„Ja Misses. Wir sind auf den Weg ins Georg Washington University Hospital.“

Mit zitternden Händen griff Ziva hinter sich und hielt sich an der Esstheke fest, da ihre Knie plötzlich weich wurden. „Die Kinder?“, fragte sie sachlich und so ruhig es ihr möglich war.

„Ich kann ihnen dazu nichts sagen. Wir haben hier nur ihren Mann. Aber ein zweiter Wagen fährt hinterher. Kommen Sie einfach ins Hospital. Ich muss jetzt Schluss machen, wir sind gleich da.“

„Halt, stopp, warten Sie.....“, rief sie in den Hörer, doch das waren die letzten Worte die sie von ihm hörte, dann war die Verbindung unterbrochen und Ziva blieb verwirrt und allein zurück. Tony und die Kinder hatten einen Autounfall? Zittrig fuhr sie sich über die Stirn. Als das Telefon in ihrer Hand plötzlich wieder schellte, erschreckte sie sich und hätte das Gerät beinah fallen lassen.

„David?“, sagte sie verwirrt ins Telefon.

„Ziva?“, fragte am anderen Ende Gibbs.

„Ja“, sagte sie, immer noch nicht fähig einen klaren Gedanken zu fassen.

„Ziva ich bin unterwegs zu dir. Komm runter.“

„Ja klar“, kam es von der Brünetten völlig emotionslos.

„Ziva alles klar?“, fragte Gibbs besorgt und versuchte gleichzeitig auf den dichten Verkehr zu achten. „Ziva? ZIVA?“

„Ja ja, ich komm klar.“

So wie sich ihre Stimme anhörte, wusste sie schon was passiert war und das machte Jethro Angst. „Ziva ich bin gleich da, rühr dich nicht von der Stelle“, sagte er noch und kappte die Verbindung. Vollständig auf den Verkehr konzentriert, fuhr er schnell weiter.

~~~***~~~



„So mein Kleiner, du musst jetzt deine Schwester los lassen, damit ich mir deine Platzwunde einmal näher ansehen kann“, versuchte der Arzt Dillan zu erklären, aber dieser klammerte sich an seine Schwester als würde sein Leben davon abhängen. Resigniert schüttelte der Mediziner mit dem Kopf.

„Okay, so wird das nichts. Meinst du er beruhigt sich wieder, wenn du mit in den Behandlungsraum kommst?“, fragte er das kleine Mädchen.

Milena zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, aber wir können es ja ausprobieren. Wissen Sie wie es unserem Daddy geht?“, fragte sie zaghaft und sah den Arzt traurig an.

„Nein, kleines Fräulein, tut mir leid. Aber ich versuch etwas in Erfahrung zu bringen. Okay?“

Vorsichtig und mit Dillans vollem Gewicht etwas überfordert, stand Mia auf und folgte dem Arzt in den Schockraum.

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„Ziva?“, rief Gibbs in die Wohnung. Als er an ihrem Wohnkomplexe ankam, hatte sie nicht unten gestanden und so hatte er schnell geparkt und war ohne ein Wort an dem Wachmann vorbei gelaufen. Bob kannte ihn jetzt schon einige Zeit, da brauchte sich der Chefermittler keine Sorgen zu machen.

„Ziva?“, rief er wieder und lief in Richtung Küche. Zuerst sah er sie nicht und wollte sich schon wieder abwenden, doch dann bemerkte er das leise Geräusch eines Atems. „Ziva?“, fragte er noch einmal, kam langsam um die Theke herum und fand seine Agentin auf dem Boden sitzend. „Hey Ziva. Du weißt es schon?“

Leere braune Augen sahen ihn an und dann nickte sie, langsam und qualvoll. „Ich habe Tonys Handy angerufen und ein Sanitäter ging ran. Die Kinder, Jethro. Was ist mit den Kindern?“

Gibbs lies sich neben Ziva an der Theke zu Boden gleiten, legte einen Arm um die junge Frau und zog sie an sich. „Ich weiß es nicht. Aber wir sollten zum Krankenhaus fahren, oder meinst du nicht?“ Da sie keinen Widerstand leistete, gab er ihr einen Kuss auf den Scheitel, stand in einer flüssigen Bewegung wieder auf und zog sie hoch. „Dann lass und fahren, umso eher wissen wir bescheid.“

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Sie hatten dem kleinen Jungen ein Beruhigungsmittel spritzen müssen, mit gutem Zureden alleine, war er nicht zu bewegen gewesen seine Schwester los zu lassen. Jetzt schlief er in einem viel zu großem Bett auf der Notfallstation und Mia und er mussten warten, bis ein Platz auf der Kinderstation frei wurde. Dillan würde den heutigen Tag und die Nacht auf alle Fälle noch im Krankenhaus bleiben müssen. Mia sah immer noch seinen kleinen Körper vor sich, der über und über mit blauen Flecken und Hautabschürfungen bedeckt war. Die Größten und Blutigsten hatten ein Pflaster bekommen, die Platzwunde war genäht worden und mit einem weißen, in Mias Augen viel zu großem Verband, verbunden worden. Jetzt saß sie leise weinend, und völlig fertig mit den Nerven, neben ihm und hoffte das ihre Mommy da sein würde, bevor Dillan wieder aus der Betäubung erwachte. Noch immer wusste sie nicht was mit ihrem Daddy war. Ab und an kam eine freundliche junge Schwester vorbei, die wohl die Aufgabe bekommen hatte ein wachsames Auge auf die Beiden zu haben. Ansonsten war Milena alleine mit sich und ihrem Gewissen.

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Gibbs hatte seinen persönlichen Rekord gebrochen, so schnell war er zum Krankenhaus gefahren. Ziva hatte die ganze Zeit neben ihm gesessen und nicht einen Ton von sich gegeben. Jetzt rannten sie auf den Eingang der Ambulanz zu. Im Laufen zückte Jethro seinen Ausweis und hielt ihn der ersten Schwester unter die Nase, die ihm über den Weg lief.

„Special Agent Leroy Jethro Gibbs. Mein Agent Anthony DiNozzo hatte zusammen mit seinen Kindern einen Autounfall. Wo finden wir sie?“

„Für DiNozzo?“ rief eine Schwester vom hinteren Flur her.

„Ja“, rief Gibbs zurück und zusammen mit Ziva lief er ihr entgegen.

Die Schwester lächelte ihnen beruhigend zu. „Ich bringe sie jetzt zu den Kindern. Sind sie die Mutter?“, fragte sie Ziva.

„Ja!“ Aufgeregt sah sie die Krankenschwester an. „Was ist mit ihnen, geht es ihnen gut? Und was ist mit meinem Mann?“

„Das weiß ich nicht. Ich bring Sie zu Ihnen und dann ruf ich einen Arzt. Der wird mit Ihnen reden und Ihnen alles erklären.“ Mitfühlend legte sie der jungen Mutter eine Hand auf den Arm. „Kommen Sie ich bring sie zu ihnen.“

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Ihr Blick war mütterlich liebevoll, als sie ihr persönliches kleines Wunder betrachtete. Nie und nimmer hätte Tabitha noch damit gerechnet ein Kind zu bekommen. Als sie die mitte dreißig erreichte, hatte sie für sich mit der Familienplanung abgeschlossen. Doch dann war Jethro in ihr Leben geplatzt und mit ihm seine „Familie“. Und jetzt gab es Cameron, der selig neben seinem Plüschkätzchen schlief. Zärtlich streckte sie eine Hand nach dem Kind aus und strich ihm vorsichtig über den Kopf und durch den dunklen Babyflaum, dann drehte sie sich leise um und schlich auf Zehenspitzen aus dem Kinderzimmer.

Vor über einer Stunde hatte sie den Kleinen zu Bett gebracht. Seitdem wanderte sie im Haus herum, blieb aber immer in der Nähe des Telefons. Unruhig lief sie wieder einmal zum Fenster, aber noch immer war von Jethros Pickup nichts zu sehen. Ob sie ihn anrufen sollte? Doch im selben Moment war sie sich sicher, dass er sich gemeldet hätte, sollte er etwas in Erfahrung gebracht haben. Kurz überlegte Tab ob sie noch einmal nach Cameron sehen sollte, doch dann verwarf sie auch dies wieder. Der Kleine schlief und wenn er sich melden würde, war da immer noch das Babyphone.

Vielleicht sollte sie, um sich etwas abzulenken, den Fernseher anmachen, dachte Tabby und drückte die ON-Taste auf der Fernbedienung. Als das Bild nach einiger Zeit auf der altersschwachen Mattscheibe sichtbar wurde, musste sie sich erst einmal setzen, denn die Bilder die sie sah, ließen ihre Knie weich werden.

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Im Schockraum Eins des Georg Washington University Hospitals, sprangen die Türen auf und die Sanitäter brachten das Unfallopfer herein. Sofort nahm jeder, egal ob Arzt oder Pfleger seinen ihm zustehenden Platz ein.

„Was haben wir?“, fragte Dr. Mike Weiss die Sanitäter.

„Mann, anfang vierzig, weiß, Unfallopfer. Wurde bei der Rettung seines Sohnes von einem Pickup erfasst.“

Eine der jüngeren Schwestern seufzte: „Oh, ein Held.“ Wurde aber von Dr. Weiss strengen Blick zur Ruhe gerufen.

„Puls schwach, Atmung fahrig. Sauerstoffsättigung niedrig. Traumatischer Pneumothorax, ich musste intubieren. Platzwunde am Hinterkopf, nicht ansprechbar. Multiple Frakturen. Innere Verletzungen nicht ausgeschlossen.“ Während der Sanitäter sprach hatten die Schwestern und Ärzte schon mit ihrer Arbeit begonnen.

„Danke, jetzt übernehmen wir“, sagte Dr. Weiss und nickte Carter zu. Nick warf noch einmal einen Blick zu seinem Patienten, dann verließen die beiden Sanitäter den Raum.

„Okay“, kam es von Dr. Mike Weiss an sein Team. „Ihr habt es gehört, Jetzt sind wir dran. Großes Blutbild, arterielle Blutgaswerte, Sauerstoffsättigung, Thorax-und Beckenaufnahme, Kopf CT.“ Kurz unterbrach er seine Aufzählungen um einer Schwester zu helfen einen weiteren Zugang zu legen, dann nahm er die Bestandsaufnahme wieder auf. „Röntgenaufnahmen des rechten Arms und des rechten Beins.“ Jeder wusste was zu tun war und alle arbeiteten Hand in Hand.

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„Timmy du kannst den Tisch decken, das Essen ist gleich fertig.“

Beschwingt legte Abby den Kochlöffel aus der Hand und nahm zwei Teller aus dem Schrank um sie Tim zu geben, doch von ihrem Freund war nichts zu sehen.

„Timmy!“, rief sie etwas lauter ins Wohnzimmer, dann wandte sie sich wieder ihren Kochtöpfen zu. Heute war ein ganz besonderer Tag. Aufgrund der Hitze und weil einfach kein Mord passieren wollte, wahrscheinlich war es selbst zum morden zu warm, dachte sie mit einem kleinen Grinsen. Jedenfalls hatte ihr silberhaariger Fuchs ihnen den halben Tag frei gegeben, aber was noch viel besser war, dieses Wochenende war seit langem das Erste, das sie und Tim gemeinsam verbringen konnten. Bisher hatten sie meistens getrennt von einander die freien Tage verbringen müssen. Aus diesem Grund hatte Abby beschlossen für sie beide zu kochen. Aus dem Wohnzimmer hörte sie den Fernseher und die durchdringende Stimme der nervigen Lokalreporterin, Kate Watson, die bei Kabel UB204 im Moment heiß im Rennen stand. Genervt verdrehte sie die Augen. Noch immer konnte sie nicht sagen, was Timmy an dieser Glucke fand. Überhaupt war der ganze Lokalsender ihr ein Graus, denn denen ihre Berichtserstattung war die blanke Sensationslust. Wahrscheinlich würden die auch ein Kamerateam zum Kirschbaum senden, nur weil sich Nachbars Katze darauf verirrt hatte.

„Tim!“, rief sie wieder. „Kannst du dich wohl mal eine Minute vom Fernseher trennen um....“

„Abby komm her!“, wurde sie von ihrem Partner unterbrochen.

„Warum?“, fragte sie zurück und zog ihre Stirn kraus.

„Schnell Abbs!“, rief Timothy und sie konnte hören, dass er den Fernseher lauter stellte.

Unbewusst zog sie ihre Stirn noch krauser, legte den Kochlöffel weg und lief ins Wohnzimmer. Schon auf den Weg dorthin hörte sie Kate Watson:

„….. wie immer wenn etwas in Ihrem Bezirk geschieht, berichten wir von Kabel UB204 live, für Sie, vom Ort des Geschehens. Wir stehen hier mitten in einer riesigen Menschenmenge und haben das Glück einen jungen Mann gefunden zu haben, der das Unfassbare mit seiner Handykamera aufgezeichnet hat….“

Abby schüttelte den Kopf. Alleine wie diese Kate das Wort „Unfassbare“, in die Länge zog, sorgte bei ihr für eine Gänsehaut. Die junge Goth verabscheute einfach den Stil der Reporterin.

„Was ist passiert? Ist ein Blitz in einen Apfelbaum eingeschlagen?“, fragte sie ihren Freund angewidert, sah aber doch zum Fernseher und hörte Kate schon weiter erzählen.

„Komm zu mir“, sagte McGee und streckte ihr, von der Couch aus, seinen Arm entgegen.

Abby ließ sich auf das Sofa plumpsen und kuschelte sich an seine Seite. „Was ist denn so wichtiges passiert?“

„….ich höre gerade, unsere Techniker haben mit dem Handyfilm ein kleines Problem. Darum zeigen wir Ihnen jetzt noch einmal unser Interview mit der Fahrerin des Dodge Ram, das wir vor einer halben Stunde aufgezeichnet haben…“

„Was ist denn nun passiert? Ein Unfall?“, fragte die Labormaus und wurde von Tim ein bisschen näher gezogen. Verwirrt sah sie ihn an. „Was? Du machst mir Angst Timmy!“

„….ich kann es noch immer nicht glauben..“, sagte im Fernsehen eine farblose blonde Frau und lenkte Abbys Aufmerksamkeit auf sich. „Ich habe ihn nicht kommen sehen, erst als er wie eine Kanonenkugel auf die Straße geflogen kam…“

Abby zog eine Augenbraue hoch. „Haben die der vorher einen Text zum auswendig lernen gegeben?“, fragte sie empört.

„….den kleinen Jungen habe ich gar nicht gesehen. Es graut mir davor, mir vorzustellen, was hätte passieren können, wenn ich anstatt des Mannes, das Kind erwischt hätte…“

„Oh Gott, ein Kind?“, wiederholte die junge Labortechnikerin entsetzt, aber ihr Augen folgten weiterhin gebannt dem Interview. Man konnte sehen welch große Überwindung es der Fahrerin kostete, über den Unfall zu reden. Wahrscheinlich stand sie noch unter einem Schockzustand, dachte Abigail.

„…..ah, ich bekomme gerade einen Wink aus der Technik. Wir können die Handyaufnahme jetzt einspielen“, hörte Abby die Stimme Kate Watsons wieder.

Dann verdunkelte sich der Bildschirm und zeigte die wackligen Aufnahmen, eines schlanken, hinkenden Mannes, der und das musste Abby dem Fahrer zugestehen, wirklich wie eine Kanonenkugel über den Parkplatz schoss und ein kleines, bis dahin nicht sichtbares Kind an sich riss und dafür den Aufprall mit dem Auto auf sich nahm. Man sah die Person durch die Luft fliegen, aber den Aufprall sah man nicht, weil der Handy Besitzer, mit dem noch laufenden Gerät, auf die verunfallte Person zu rannte. Unbewusst hielt Abbs die Luft an. Das waren wirklich spektakuläre Bilder und gebannt starrte sie weiterhin auf den Bildschirm.

„Wowww“, sagte sie mit Respekt. „Das war ein wirklich gelungener Sprung.“

Die nächsten ruhigen Bilder, die das Handy zeigte, waren Großaufnahmen des Mannes und obwohl man versucht hatte das Gesicht unkenntlich zu machen, konnte man..... Moment? Konnte das sein? War das Tony? Aufgeregt sah sie ihren Freund an und bemerkte an seinen ebenfalls verstörten Blick, das es auch ihm nicht entgangen war.

„Kann das sein?“, fragte er.

„Ich, ich weiß nicht. Aber wenn das wirklich Tony war, dann….?“ Abby schluckte schwer und zog schniefend die Nase hoch. Vergessen war das Essen auf dem Herd. „…dann war das Dillan? Oh Gott Tim! Wann ist das passiert?“ Ihre Gefühlswelt fuhr Achterbahn und die Goth wusste nicht ob sie weinen oder lachen sollte.

McGee schüttelte mit dem Kopf. Er wusste es ja auch nicht. „Abby, noch wissen wir gar nichts. Vielleicht sieht der Mann auch nur Tony ähnlich. Ich ruf bei Gibbs an, vielleicht weiß er schon was.“



5. Kapitel

Als Mia die Stimmen auf dem Flur hörte und erkannte, sprang sie auf und raste durch die Tür.

„Mommy!“

Erleichterung machte sich breit, als sie Ziva sah. Laut schluchzend rannte sie auf ihre Stiefmutter zu und auch Ziva beschleunigte ihre Schritte und fing sie auf, nahm sie in die Arme und drückte sie an sich.

„Oh Mia. Ist mir dir alles in Ordnung? Bist du verletzt?“ Zivas Stimme zitterte leicht, doch ihre Hände führen beruhigend über Milenas Rücken.

„Mir ist nichts passiert, Mommy. Ich war gar nicht dabei. Als ich kam, war es schon passiert.“ Gestand sie ihr unter nicht enden wollenden Tränen. Dann machte sie sich los, blickte zum ersten Mal ihren Onkel an und flüsterte in einen Tonfall, der einem eine Gänsehaut bescherte: „Ich bin schuld, Onkel Jethro. Ich bin schuld.“

Ziva zog sie mit einem seltsamen Blick zu Jethro wieder in ihre Arme. „Sschhhhhttt, alles wird wieder gut, mein Schatz“, flüsterte sie ihr ins Ohr.

„Ich denke wir sollten jetzt erst einmal zu Ihrem Sohn“, machte die Krankenschwester sich bemerkbar und führte alle Drei in den Raum.

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„Ich bin Kate Watson und Sie sahen Kabel UB204, wie immer live vom Ort des Geschehens.....“, hörte Tabitha die Abmoderation der Reporterin, doch richtig zuhören konnte sie ihr nicht mehr. Noch immer sah sie die Aufnahmen von Tony und seinen mehr oder weniger unfreiwilligen Flug über den Asphalt. Davon zu hören war eine Sache, es aber am Bildschirm zu verfolgen war etwas ganz anderes. Als das Telefon neben ihr schellte, schrie sie leise auf. Doch sie hatte sich schnell wieder gefangen.

„Jethro, endlich!“, meldete sie sich.

„Nein, tut mir leid, ich bin es Tim. Ist bei euch alles in Ordnung?“, fragte er vorsichtig nach, weil er wohl ihre Aufregung gespürt hatte.

„Ja, äähhmmm nein.“ Verwirrt fuhr sie sich über die Augen. „Ich meine ja bei uns schon.“

„Aber?“, fragte der M.I.T. Absolvent nach.

„Tim, habt ihr die Sendung gerade auf Kabel UB204 gesehen?“

„Ja. Dann stimmt es also? Das eben war Tony, oder?“

Durch die Verbindung konnte sie Abbys Schluchzen hören. „Ja“, sagte sie daher langsam. „Jethro ist schon ins Krankenhaus gefahren.“

„Weißt du schon etwas?“, hakte der MIT-Absolvent nach.

Traurig schüttelte sie den Kopf, bis ihr einfiel das niemand sie sehen konnte. „Nein“, antwortete sie darauf. „Sobald er etwas weiß, wird er sich bei mir melden. Wir müssen uns gedulden.“

„Weiß Ziva es schon?“, hörte sie die verweinte Stimme der Labortechnikerin.

„Er wollte zu ihr und sie abholen.“

„Weißt du welches Krankenhaus?“, fragte McGee wieder.

„Ja, das Georg Washington University Hospital. Aber ich denke wir sollten erst auf Jethro warten, bevor ihr die Notaufnahme stürmt.“ Sie konnte hören, wie Tim versuchte seine Partnerin zu beruhigen und sie musste ihn wieder einmal für seine Ruhe bewundern. „Was haltet ihr davon, wenn ihr zu uns kommt?“

Wieder hörte sie Tim mit Abby reden, dann meldete sich der junge Ermittler wieder: „Wir kommen sofort. Bis gleich.“ Und damit war die Verbindung auch schon unterbrochen.

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Im Schockraum kämpften die Ärzte derweil um Tonys Leben. Die Thorax-Aufnahme zeigte das sich DiNozzo bei dem seitlichen Aufprall auf dem Dodge Ram, mehrere Rippen gebrochen hatte. Dabei war es zu einem Einriss im Lungengewebe gekommen. Durch das Ansammeln von Luft und Blut neben der Lunge, konnte sich sein rechter Lungenflügel nicht mehr ausdehnen, der daraufhin zusammenfiel. Zur Behandlung des Pneumothorax war ihm eine Drainage gelegt worden. An dem Schlauch wurde eine Pumpe angeschlossen, die einen Unterdruck erzeugte. So würden Luft und Blut aus dem Pleuraraum abgeleitet, bis das Lungenfell wieder am Brustfell anlag und die Lunge sich wieder ausdehnen könnte.
Seine rechte Schulter war gebrochen und der Ellenbogen wies einen offenen Trümmerbruch auf der noch operativ versorgt werden müsste. Das rechte Bein war stark geprellt, die Kopfwunde genäht, verbunden und das CT zeigte keine sonstigen Auffälligkeiten. Dr. Weiss stand vor den Röntgenbildern seines Patienten und schüttelte leicht mit dem Kopf. Wenn man die Schwere des Aufpralls bedachte, hatte dieser Mann mehr Glück als Verstand gehabt. Die Aufnahmen der Wirbelsäule zeigten ebenfalls keine Auffälligkeiten und auch die Beine waren ohne Brüche ausgekommen. Wobei sein Blick wieder einmal am Röntgenbild des rechten Oberschenkelknochens hängen blieb. Dieser wies genau wie das Knie, alte und teilweise schlecht verheilte Verletzungen auf, und Mike fragte sich wie es wohl dazu gekommen war. Eine Sportverletzung?

Mittlerweile lag der Patient nur mit einem leichten, sterilen Baumwolltuch bedeckt auf der Liege. Die Schwestern hatten teilweise das Blut abgewaschen und seine verschnittene Kleidung und die Wertgegenstände zusammengesucht. Trotzdem herrschte um ihn herum das Chaos. Blut auf dem Fußboden, eine aufgebrachte Crew von Ärzten und Pfleger und das ständige Piepen des EKG´s, erfüllten den Saal mit einer angespannten Atmosphäre.

Noch immer war DiNozzo ohne Bewusstsein, dafür hatte sich aber seine Sauerstoffsättigung erhöht. Durch die gelegte Drainage, war die künstliche Beatmung eigentlich überflüssig, aber aufgrund der vorgefundenen und ungeklärten Lungenvernarbungen, hatten sie sich entschlossen ihn auch weiterhin intubiert zu lassen.

Mike verzog sein Gesicht und überprüfte noch einmal die Werte. Irgendetwas stimmte noch nicht. Kopfschüttelnd schaute er sich noch einmal die Thorax-Aufnahmen an.

„Irgendetwas müssen wir übersehen haben“, flüsterte er so leise, das ihn kaum jemand verstehen konnte, dann überprüfte er noch einmal den Schlauch. „Es fließt genügend Blut aus der Thorax-Drainage, aber irgendetwas ...“, sagte Dr. Weiss mit leiser, unruhiger Stimme und betrachtete wieder die Röntgenbilder an der Leuchtwand. „Irgendetwas stimmt nicht und mein Bauchgefühl irrt sich nur selten.“ Mike Weiss warf dem zweiten Arzt im Team, Ben Sanders, einen fragenden Blick zu. „Was haben wir übersehen?“, flüsterte er immer wieder.

„Haben wir sein Herz gecheckt?“, fragte Sanders schließlich mit aufgebrachter Stimme und gesellte sich zu Mike.

„Auf den Röntgenbildern ist nichts von einer Herzverletzung zu sehen. Außerdem wäre das untypisch, er wurde auf der rechten Seite von dem Wagen erfasst“, antwortete Weiss und kümmerte sich um das abfließende Blut aus der Drainage.

Ratlos sah nun auch Sanders auf die Wand mit den Röntgenbildern. „Er muss noch irgendwo bluten!“

„Fragt sich nur wo?“, antwortete Mike, trat an den Patienten und drückte fest auf dessen Bauch. Sofort veränderte sich die Tonfolge der Überwachungsgeräte. Weiss nickte und griff seufzend zum Skalpell.

„Du willst in aufmachen?“, fragte Sanders und zog sich neue Handschuhe über.

„Ja, wir werden der Sache jetzt auf den Grund gehen“, kam es von Dr. Weiss und er setzte das Skalpell an.

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Als Ziva hinter der Schwester die Notaufnahme betrat und einen ersten Blick auf Dillan richten konnte, wurde ihr vor Angst leicht schwindelig. Ihr Sohn sah so klein, bleich und verloren in dem riesigen Bett aus, das ihr die Knie weich wurden und es nur Gibbs‘ schnellen Reflexen zu verdanken war, das sie nicht zu Boden stürzte. Dankbar hielt sie sich auch weiterhin an seinem Arm fest, als sie langsam, begleitet von Mias Weinen, auf das Bett zugingen. Zivas Schock saß tief und schnürte ihr die Kehle zu und sie konnte nur stumm nicken, als die Krankenschwester ihr mitteilte ,das sie einen Arzt holen würde.

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Derweil arbeitete Dr. Weiss im Schockraum unter Hochdruck. Zusammen mit einer Schwester schnitt er dem jungen Mann gerade in den Unterbauch. Schlagartig spritze Blut heraus und benetzte nicht nur seine Kleidung sondern auch die der Schwester.

„Oh Gott, ich brauche eine Kompresse!“, rief Mike und die Schwester gab ihm rasch eine. Mit einem leisen Stöhnen drückte er die Kompresse auf die Wunde, aus der Blut austrat, dann lag der Bauch offen. Und wie vermutet war dieser mit viel Blut gefüllt.

„Wo kommt das her?“, fragte Mike und glitt tief hinein. Doch er konnte nichts feststellen. „Sauger!“, rief er, saugte Blut ab und konnte endlich die Ursache der Blutung erkennen.

„Oh mein Gott. Die Milz ist perforiert“, kam es von Sanders, der den Schaden jetzt auch erkennen konnte.

„Was?“, rief die junge Schwester schockiert und leicht mit der Situation überfordert.

„Geben Sie im OP Bescheid! Wir bringen einen bereits geöffneten Patienten herauf. Er muss notoperiert werden. Die Milz muss raus. SOFORT!“

Eilig griff die Krankenschwester zum Telefonhörer.

„Und fordern Sie Blutkonserven an! Er verblutet uns sonst.“

Wieder nickte sie ihm zu und nur Minuten später machte sich der Trupp rund um Tony, im Laufschritt auf zum Operationssaal.

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Ziva hatte sich seitlich zu Dillan auf das Bett gesetzt, seine kleine Hand lag in ihrer und sie streichelte ihm vorsichtig über die zarte Babyhaut. Es hatte ein wenig gedauert, aber jetzt hatte sie sich wieder fest im Griff. Ihre Ausbildung beim Mossad hatte auch medizinische Grundkenntnisse beinhaltet. Ihr Kleiner war nicht schlimm verletzt, das konnte sie nun wieder realistisch wahrnehmen. Außer dem Verband an der Stirn und der leichten Hautabschürfung an der Wange, konnte sie nur leichte Verletzungen bei ihm feststellen. Im hinteren Bereich des offenen Raumes saß ihr Boss mit Mia auf seinem Schoß. Sie konnte das leise Gespräch der Beiden nicht verstehen, aber sie hörte die Dringlichkeit aus Milenas Stimme heraus und dazwischen Gibbs‘ zustimmendes Brummen.
Noch immer ruhte Zivas Blick auf ihrem Sohn. Der Tropf, der Dillan mit Flüssigkeit versorgte, war so gut wie durchgelaufen. Sie wollte gerade aufstehen, um eine Krankenschwester zu holen, als ein Arzt den Raum betrat.

„Mrs. DiNozzo?“, fragte sie ein Mann um die fünfzig, mit dunkel-graumilierten Haaren.

„Ja“, sagte Ziva stand auf und hielt dem Mediziner ihre Hand entgegen.

„Mein Name ist Doug Ross. Ich bin hier am George Washington der zuständige Kinderarzt“, teilte er ihr mit und schüttelte die Hand der jungen Mutter. „Leider muss ich mich kurz fassen, da ein anderer kleiner Patient dringend meine Hilfe benötigt, aber ich wollte sie nicht länger warten lassen.“ Als Ziva nickte, fuhr er fort. „Ihrem Sohn geht es gut. Er hat seinen unfreiwilligen Flug mit einer Platzwunde und ein paar Prellungen überstanden. Wir mussten die Wunde nähen und haben ihn deswegen sediert.“ Als er ihren verständnislosen Blick sah, sprach er schnell weiter. „Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme bei Kindern in seinem Alter. Bei einer örtlichen Betäubung würden sie aus Angst nicht still halten. Im Moment können wir allerdings eine leichte Gehirnerschütterung nicht ausschließen, darum würden wir Dillan gerne bis Morgen hier zur Beobachtung behalten. Ich habe schon nach einem Bett gefordert. Er kommt gleich auf die Kinderstation.“

„Gut“, sagte Ziva und strich ihrem Sohn durch das dunkelbraune lockige Haar. „Wissen Sie auch wie es meinem Mann geht?“, fragte sie Dr. Ross.

„Nein, tut mir leid. Aber ich kann die Schwester bitten, es für Sie in Erfahrung zu bringen.“

„Ja, das wäre nett“, kam es von der Brünetten.

„Gut, dann lass ich Sie jetzt wieder alleine. Ich schau dann später noch einmal nach ihm“, sagte er mit einem fachlichen Blick auf Dillan.




6. Kapitel


Tim warf Abby kurz einen besorgten Blick zu, während er den Wagen in Gibbs‘ Einfahrt parkte. Die sonst so quirlige Kriminaltechnikerin war merkwürdig still. Fast zu still für seinen Geschmack. Nicht das er ihre theatralischen Ausbrüche vermisste, aber sie gehörten einfach zu ihr, wie das Spinnentatoo an ihrem Hals. Wenn er ehrlich war, hatte er sie in so einer Situation noch nie so ruhig erlebt. Als sie keine Anstalten machte sich abzuschnallen, legte er ihr eine Hand auf den Arm und sprach sie leise an.

„Hey, wir sind da.“

„Ich weiß“, kam es von der Schwarzhaarigen niedergeschlagen.

„Dann lass uns reingehen.“ Bevor sie noch etwas erwidern konnte, hatte Tim schon ihren Anschnallgurt gelöst.

„Ich habe Angst, Timmy!“

„Oh Abbs, ich weiß. Aber du kennst doch Tony. Er schafft das schon.“ Er griff über den Schaltknüppel und zog sie so nah wie er konnte an sich.

„Und was ist wenn ihn das Glück plötzlich verlassen hat? Was ist wenn er es diesmal nicht schafft?“ Weinend brach sie an seiner Seite zusammen.

„Oh Abby, was sagst du denn da? Tony wird es schaffen. Vielleicht ist er ja gar nicht schwer verletzt und Gibbs bringt ihn gleich schon mit?“ Er spürte wie sie sich von seiner Schulter hob und drehte seinen Kopf in ihre Richtung.

Verweinte Augen schauten ihn unsäglich traurig an. „Diesmal ist es anders. Ich kann es spüren.“ Ihre Stimme hatte einen Klang angenommen, der Tim eine Gänsehaut bescherte.

~~~***~~~



Dr. Mike Weiss stand vor der großen Sichtscheibe und schaute regungslos dem hektischen Treiben im Operationssaal zu. Vor ein paar Minuten hatten sein Team und er, ihren Patienten an das OP Team abgegeben. Jetzt war bereits die Operation im Gange, und eigentlich hätte Mike schon lange wieder zurück auf der Notfallstation sein müssen, aber aus irgendeinem seltsamen Grund ging ihm das Schicksal dieses Mannes nahe.

Leise und kaum zu verstehen, drangen die Gespräche der operierenden Ärzte an sein Ohr.

„Sein Puls ist zu hoch. Blutdruck gefallen auf 80“, sagte der Anästhesist.

Dann überlagerte die normale Lautsprecherdurchsage des Krankenhauses „Team eins, zur Intensivstation. Team eins bitte“, die Gespräche aus dem Operationssaal. Als wieder Ruhe einkehrte, konnte er die Ärzte wieder hören. Sie hatten seinen Patienten bereits weiter geöffnet.

„Absaugen“, hörte er Miller, den operierenden Arzt, sagen. Dann wurde es plötzlich noch hektischer.

„Starke Blutung. Klemme!“, bellte dessen Stimme durch den OP. „Er verliert zu viel Blut.“ Dann wandte er sich der Schwester zu. „Holen sie noch vier Einheiten A Positiv!“ Kam die Anweisung.

„Na komm schon“, murmelte Mike und drückte ganz unbewusst dem fremden Mann die Daumen. „Du musst es schaffen. Denk an deinen Sohn, den du gerettet hast.“ Kurz kam er sich vor wie in Anfänger und schaute über die Schulter, ob ihn auch niemand gehört hatte. Weiss konnte sich nicht erinnern, wann ihm das letzte Mal ein Patientenschicksal so nahe gegangen war. Als er den Anästhesisten hörte, wandte er sich wieder dem OP-Saal zu.

„Kammerflimmern!“ Mike sah wie Dr. Miller den Defibrillator zur Hand nahm.

„Aufladen auf 150 . Zurück treten!“, kam der Befehl aus dem OP-Saal, dann sah Mike wie sich der Körper seines Patienten hob und gleich darauf wieder zurück sackte.

„Nichts“, kam es wieder von dem Anästhesisten.

„Erhöhen auf 200. Zurück treten!“ Wieder hob und senkte sich Tonys Körper.

„Noch einmal. Zurück treten!“, rief Dr. Miller und gleichzeitig meldete sich Mikes Piper, und gefangen von dem Geschehen innerhalb des OPs, trat er unwillkürlich selbst einen Schritt von der Scheibe zurück. Schnell nahm er das kleine Gerät von seinem Gürtel. Er brauchte nur einen Blick darauf zu werfen und es war ihm klar, dass er den Rest des Dramas um Leben und Tod nicht mehr miterleben würde. Im Abwenden lief ihn eine OP-Schwester über dem Weg.

„Können Sie mich bitte über den Ausgang der Operation auf dem Laufenden halten?“, fragte er sie, sah sie nicken und hielt ihr seine Erkennungskarte entgegen.

~~~***~~~



Leise klopfte es an der Tür und Tabitha dankte im Stillen den beiden, das sie nicht die Klingel genommen hatten. Cameron war ein friedliches Kind, doch wenn er nachts aus dem Schlaf geholt wurde, zeigten sich die Gene seines Vaters und er wurde brummig und war nicht mehr zum Schlafen zu bringen. Bevor es ein zweites Mal klopfen konnte, war Tab zur Tür gelaufen, löste die Verrieglung und fand sich gleich darauf in eine innige Umarmung gezogen. Schwarze Tränen tränkten ihr Shirt und ein leises Schluchzen drang an ihr Ohr. Unschlüssig was sie jetzt tun sollte, blickte Tab hilflos zu McGee.

„Hey Abby, ist schon gut“, versuchte dieser seine Freundin zu beruhigen und löste ihre verkrampften Hände von Tabithas Hals.

„Kommt erst einmal herein.“

„Hat der Boss sich mittlerweile gemeldet?“, hakte Tim nach und zog Abby mit sich zum Sofa, zu dem Tab sie führte.

„Nein, leider.“

~~~***~~~



Gibbs sah zu Mia, die halb auf einem Schoß lag und schlief. Er war froh, dass sie endlich so etwas wie Ruhe fand. Die Kleine war völlig durcheinander. Immer wieder hatte sie ihm von ihrer Schuld erzählt. Das ihr Daddy jetzt hier war, weil sie ihren Bruder nicht wollte. Alles sei ihre Schuld, hatte sie immer und immer wieder an seiner Schulter geschluchzt, bis sie dann endlich vor Erschöpfung eingeschlafen war. Jethro sah den Gang herunter zu Ziva, sie sich bemerkenswert gut hielt.

~~~***~~~



Unruhig lief Ziva auf dem Flur der Ambulanz auf und ab, ihre weite grüne Cargohose, flatterte im Wind ihrer erzeugten Schritte. Dillan war gerade in ein kleines Kinderbett gelegt worden und befand sich jetzt auf dem Weg zur Kinderstation. Ziva fühlte sich zerrissen. Sie wollte bei Dillan bleiben, aber sie wollte auch genauso endlich erfahren wie es um Tony stand. Laut der letzten Aussage die sie erhalten hatte, wurde er noch immer operiert.

„Mrs. DiNozzo?“, fragte ein älterer Herr in einem weißen Kittel, der einen jüngeren Mann dabei hatte. „Ich bin Dr. Miller und das ist Dr. Weiss. Wir haben Ihren Mann behandelt.“

Scheinbar schien der Ältere das Sagen zu haben, denn der Jüngere nickte nur zustimmend. Da Ziva die beiden Ärzte nur stumm ansah, schob Gibbs Milena vorsichtig von seinem Schoß und stand auf.

„Ja. Wie geht es meinem Freund?“ fragte er und legte einen Arm um die Schultern der jungen Frau. Bereit zuzufassen, sollte das Ergebnis sie ins Straucheln bringen.

„Tja, wo soll ich anfangen?“, fragend sah der ältere Mediziner seinen Kollegen an.

~~~***~~~



Mike Weiss beobachtete die junge Frau, die ihnen gegenüber stand. Erleichtert hatte er vor einigen Minuten den Anruf der Intensivschwester entgegen genommen. Es sah nicht gut aus, aber fürs erste war sein Patient stabilisiert. Als Dr. Miller ihn fragte, ob er mit zu den Angehörigen kommen wollte, hatte er spontan und auch aus Neugier „Ja“ gesagt. Und jetzt stand sie ihm gegenüber. Eine Schönheit, war das erste das ihm durch den Kopf schoss, als er sie so verloren im Flur auf und ab gehen sah. Sie hatte ihre dunkelbraunen Locken zu einem lockeren Knoten aufgedreht. Die weite, ihre Figur verhüllende Hose, die sie trug, ließ nur anhand der Konturen ihren perfekt geformten Körper erkennen. Angespannt leckte er sich über die Lippen. Das kurze Top das sie trug, und die flachen Sportschuhe, schienen perfekt zu ihr zu passen und im selben Moment, wo seine Gedanken Flügel schlugen, sah er in ihren Augen die Verlorenheit und den Schmerz. Sie schien die Frau zu sein, von der er immer geträumt hatte. Mit einem gedachten Seufzer holte er seinen Verstand wieder auf die Erde zurück und hielt ihn fest, damit er wieder an dem Gespräch teilhaben konnte.

~~~***~~~



„Ihr Mann hat sich bei dem Aufprall auf dem Ramschutz des Wagens mehrere Rippen gebrochen. Eine Rippe hat sich in seine Lunge gebohrt und einen Pneumothorax erzeugt. Wir haben ihm eine Drainage gelegt. Sie wird dafür sorgen das Blut und Luft entweichen können. Ferner hat er sich die rechte Schulter und den Ellenbogen gebrochen. Bei der Schulter reicht die konservative Methode der Behandlung aus. Wir haben sie mittels Claviculabandage, das ist ein Rucksackverband...“ erklärte er ganz sachlich. „...ruhig gestellt. Der Ellenbogenbruch war offen und wir mussten ihn operativ versorgen. Die Prognose dazu kann ich ihnen noch nicht sagen, da müssen….“

„Stopp“, kam es in dem Moment von Gibbs und sein starrer Blick traf den Mediziner strafend. „Was bedeutet das für ihn?“

Dr. Miller erwiderte ungehemmt den strengen Blick, des ungefähr in seinem Alter befindlichen Mannes. „Wenn sie mich ausreden lassen würden, wüssten sie es schon“, sagte er streng und nickte dann der Ehefrau seines Patienten, die immer noch völlig teilnahmslos dabei stand, aufmunternd zu. „Brüche in Gelenken sind immer eine langwierige und schwierige Angelegenheit. Wir müssen einfach abwarten wie der Heilungsprozess verläuft.“

Gibbs räusperte sich, bevor er das Wort wieder ergriff. „Tony ist Rechtshänder. Wird er Probleme bekommen?“

Der Mediziner zuckte einmal mehr mit den Schultern. „Wie ich schon sagte. Das wissen wir erst in ein paar Tagen. Eventuell müssen wir das Gelenk noch einmal operieren.“

Resigniert nahm Gibbs sein Basecup ab und fuhr sich durch die Haare. Tony musste es aber auch immer übertreiben, dachte er frustriert und bekam kaum mit, das Dr. Miller weiter sprach. Scheinbar waren sie noch nicht am Ende der langen Liste angelangt.

„Des Weiteren hat er diverse Prellungen und Stauchungen, überwiegend auf der rechten Seite.“

Ziva stand ihm gegenüber, noch immer hatte Gibbs einen Arm um sie liegen. Jetzt kommt es, dachte sie und warf dem Arzt einen auffordern Blick zu. Sie wusste, etwas Entscheidendes war ihr bisher noch vorenthalten worden.

„Wir mussten ihn aufgrund starker innerer Blutungen die Milz entfernen, aber.....“

„Ich weiß“, kam es überraschenderweise von der Brünetten. „Ich habe medizinische Grundkenntnisse. Ich weiß das er damit normal wird leben können.“

„Gut“, räusperte sich Miller erstaunt und fragte sich insgeheim, ob die junge Frau ein abgebrochenes Medizinstudium vorzuweisen hatte. „Eventuell wird er eine Abwehrschwäche aufweisen, aber das fällt bei jedem unterschiedlich aus. Und damit sind wir auch schon bei dem eigentlichen Problem angelangt. Aufgrund des enormen Blutverlustes kam es während der Operation zu einem Herzstillstand. Wir konnten ihn zwar reanimieren, aber solange sich seine Werte nicht bessern, und da möchte ich ihnen nichts vor machen, sieht es schlecht aus.“

Kurz ließ Ziva den Kopf hängen und sah auf ihre Hände herunter, verkrampfte ihre Finger um den schlichten Ehering, dann blickte sie den Mediziner in die Augen.

„Kann ich ihn sehen?“

„Natürlich“, kam es von Dr. Miller. „Mein Kollege wird Sie zu ihm bringen. Aber erschrecken Sie nicht. Im Moment ist er intubiert und sediert.“ Aufmunternd nickte er der jungen Frau zu.

 

 

 

7. Kapitel

Fassungslos blickte Mike von Dr. Miller zu der jungen Frau. Er sollte sie zum Intensivbereich begleiten? Alleine der Gedanke mit ihr alleine in den Aufzug zu steigen, sorgte bei ihm für schweißnasse Hände. Seine Gedanken schlugen Purzelbäume, als er sich ihre Lippen auf seinen vorstellte. Intensiv malte er sich eine Zukunft in den......

„Mommy?“, hörte er da eine leise Stimme, drehte sich automatisch zu ihr um und sah ein kleines Mädchen, nicht älter als sechs oder sieben Jahre, auf sie zukommen. Sie sah blass und verweint aus, schien aber unverkennbar die Tochter seines Patienten zu sein. Schlagartig fiel die Blase, die er sich gerade erträumt hatte, in sich zusammen. Sie war verheiratet, wie es aussah glücklich und Mutter zweier Kinder. Ihr Mann kämpfte auf der Intensivstation um sein Leben, ihr kleiner Junge war ebenfalls verletzt worden und er hatte erotische Fantasien. Alleine der Gedanke war so egoistisch von ihm, dass ihm jetzt fast schlecht wurde, als er darüber nachdachte.

Unbewusst, wie nur eine Mutter es konnte, steckte Mrs. DiNozzo eine Hand nach ihrer Tochter aus und zog sie an sich, dann lächelte sie dem jungen Mediziner zu, der schüchtern vor ihr stand.

„Wenn Sie anderweitig zu tun haben, wir werden die Intensivstation auch alleine finden. Wir sind gut in solchen Sachen, nicht wahr Mia?“, fragte sie, mit einem aufmunternden Lächeln an das Kind gerichtet.

„Gehen wir zu Daddy?“, fragte das kleine Mädchen und Mike fühlt sich plötzlich noch mieser.

„Ja“, sagte die junge Frau wieder, beugte sich zu dem Kind herunter und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel. Mike konnte nicht anders als den Mut der Mutter zu bewundern. Sie verhielt sich so ganz anders, als er es von Angehörigen gewohnt war, die normalerweise immer weinend zusammenbrachen.

„Nein, die Zeit kann ich mir nehmen. Kommen Sie, ich bring Sie zu ihm.“

~~~***~~~

Gibbs beäugte skeptisch das Gespräch zwischen Ziva und diesem jungen Mediziner. Irgendwas an dem Kerl erinnerte ihn an Palmer. Obwohl ihm nicht klar war, woher der Gedanke kam, denn der Mann sah Jimmy in keinster Weise ähnlich. Er war groß, blond und seine grauen Augen leuchteten durchdringend. Und doch... Gibbs‘ Bauchgefühl signalisierte Ärger und das wollte er nicht ignorieren, deshalb würde er den Kerl einfach weiter beobachten.

~~~***~~~

„Warum meldet er sich denn nicht?“, jammerte Abby und sah zu Tabitha die gerade eine weitere Ladung Kaffee ins Wohnzimmer brachte. In dieser Nacht würden sie alle kein Auge zumachen.

Mittlerweile war es fast Mitternacht und noch immer wussten sie nicht was im Krankenhaus passierte. Es wurde immer schwerer Abby in ihrer Verzweiflung davon abzuhalten in die Klinik zu fahren. Wieder zückte sie ihr Handy und wählte Gibbs‘ Nummer. Doch als sie den abweisenden Ton seiner Mailbox hörte, schob sie das Telefon wieder zu.

„Warum haben sie nur ihr Handy ausgestellt?“, fragte sie weinend.

„Abbs, sie sind in einem Krankenhaus. Der Boss meldet sich schon wenn er etwas weiß.“

„Ja ja Timmy, aber ich habe so ein mieses Gefühl.“ Unbewusst hatte sie ihre Fingerspitzen in den Mund geschoben und kaute an den Nägeln.

~~~***~~~

Sie durften in dieser Nacht nicht mehr zu ihm, aber der Blick durch die große Beobachtungsscheibe reichte  aus, um ihnen zu versichern das er lebte, mehr aber auch nicht. Ihn wieder so hilflos zu sehen, schnürte Ziva die Kehle zu und sie sah ängstlich zu Gibbs, der etwas abseits mit Milena stand. Der Arzt, an dessen Namen sie sich schon nicht mehr erinnern konnte, hatte sie bereits verlassen. Tony sah schrecklich aus. Sie sah wie seine Brust sich hob und senkte, so regelmäßig und im Gleichtakt wie es nur eine Maschine konnte. Sie hörte leise das Piepsen der Instrumente, sah die Infusionen und mit leichtem Entsetzen stellte sie fest, das er an derselben Stelle im Gesicht, wie sein Sohn, eine Schramme hatte. Tony, verdammt noch mal, dachte sie wütend. Warum? Kannst du nicht einmal auf dich und die Kinder alleine achten? Als Ziva spürte wie sich eine Träne der gewaltsam zurückgehaltenen Flut bei ihr löste, war die Wut auf ihn schon wieder verpufft. Sie tat ihm unrecht. Er hatte ja aufgepasst und sogar sein Leben für ihr Kind aufs Spiel gesetzt.

„Komm Ziva. Wir sollten nach Hause fahren.“ Gibbs hatte sich leise von hinten genähert.

„Nein“, flüsterte sie und konnte den Blick nicht von ihrem Mann wenden.

„Milena sollte etwas schlafen und du auch.“

„Nein. Ich bleibe hier. Hier sind meine Männer, aber du solltest Mia mitnehmen.“ Noch immer starrte sie Tony an und beobachtete das Atemgerät, das unablässig dafür sorgte, dass sich sein Brustkorb hob und senkte.

„Ich will aber bei dir bleiben.“ Mias Jammern brachte Ziva dazu ihren Blick von Tony zu abzuwenden.

„Nein Schatz. Du musst etwas schlafen und zur Ruhe kommen. Du fährst mit Onkel Jethro nach Hause.“ Langsam ließ sich Ziva vor ihr auf ein Knie nieder.

„Nein, bitte Mommy, lass mich hier bleiben. Ich will bei euch bleiben. Schick mich nicht weg.“

„Oh Schätzchen“, sagte die Brünette und zog ihre Stieftochter in die Arme. „Ich schick dich nicht weg. Aber es ist schon spät und du musst schlafen. Und morgen kommst du wieder und dann können wir Dillan schon wieder mit nach Hause nehmen.“ Über Milenas Schultern hinweg sah sie ihren Boss hilfesuchend an.

Gibbs nickte ihr zu. Es wäre ihm zwar lieber gewesen die junge Mutter hätte sich auch entschlossen das Krankenhaus für ein paar Stunden zu verlassen, aber er konnte ihren Gewissenskonflikt gut verstehen. Auch ihm ging es ähnlich. Tony so hilflos auf der Intensivstation zu sehen, weckte seine Vatergefühle und eine längst verdrängte Angst kroch sein Rückgrat hinauf.

„Komm Mia“, sagte er und streckte der Kleinen seine Hand entgegen.

Laut aufschluchzend ergriff Milena mit ihrer Hand die große, raue Hand ihres Onkels und ließ sich von ihm wegführen.

~~~***~~~

Als Abby einen Wagen in die Einfahrt rollen hörte, hielt sie nichts mehr auf der Couch.

„Endlich!“, rief sie laut und hielt sich gleich darauf den Mund zu. „Sorry. Ich wollte nicht so laut sein.“

Tab stand auf und lauschte in Richtung Kinderzimmer, aber von dort war alles ruhig. Also nickte sie Abigail zu und sah wie diese schon zur Tür lief und sie öffnete. Seitdem Tabitha mit im Haus wohnte, waren die Türen immer verschlossen.

Abby riss die Tür auf, als sie schwere Schritte auf den wenigen Stufen zur Veranda hörte.

„Gibbs, Gibbs, Gibbs“, rief sie diesmal für ihre Verhältnisse verhalten und wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen, aber da lag schon Milena und so konnte sie sie nur in das Haus lassen.

„Leise Abbs. Ich will nicht das sie aufwacht“, kam es von dem Chefermittler und er warf seiner Lebensgefährtin einen Blick zu.

Schnell ging Tabby vor ihm her und öffnete die Tür zum Kinderzimmer, dem ehemaligen Gästezimmer des Hauses. Leise um ihren Sohn nicht zu wecken, zog sie die zweite Matratze unter dem Bett hervor und deutete Jethro an, das Kind darauf zu legen. Schnell und routiniert zog sie Mia die Sandalen von den Füßen und löste den Zopf in ihrem Nacken, dann verließen sie den kleinen Raum wieder und zogen die Tür hinter sich zu.

Als Tab sich umdrehte, sah sie Jethro mit dem Rücken an der Wand lehnen.

„Schlimm?“, fragte Tab ihn leise, trat näher und lehnte ihre Stirn an seine Brust.

Mit einer Hand zog er sie an sich und genoss einfach die Stille und Wärme die sie ausstrahlte. Müde schloss er für Sekunden die Augen, dann nickte er langsam. „Komm, lass uns zu den Anderen gehen. Dann brauch ich es nur einmal erzählen.“

~~~***~~~

Als sich von hinten eine leichte Hand auf ihre Schulter legte, zuckte Ziva zusammen und sie nahm unbewusst eine Abwehrhaltung ein, bis sie eine Krankenschwester erkannte, die sie freundlich und mitfühlend zugleich anlächelte.

„Sie sollten sich etwas Ruhe können“, riet sie der jungen Mutter.

„Ich kann nicht“, kam es leise von Ziva.

„Gehen Sie zu Ihrem Sohn und legen Sie sich schlafen.“

„Lieber nicht“, war alles was die Brünette darauf erwiderte.

„Im Moment ist er stabil“, sagte sie mit einem Wink des Kopfes zu Tony. „Sollte sich etwas ändern, werde ich Sie rufen lassen. Was bringt es Ihrer Familie, wenn Sie auch noch schlapp machen?“

Irritiert sah Ziva die Schwester an. Ihr erster Gedanke war ihr mitzuteilen, das ein DiNozzo niemals schlapp machte, doch dann, als sie die Freundlichkeit auf ihren Gesicht sah, verwarf sie es sofort. Sie meinte es ja nur gut.

„Schauen Sie, die Nacht ist schon fast vorbei. Legen Sie sich etwas hin.“ Bestimmt fasste sie die junge Mutter am Arm und zog sie von der Beobachtungsscheibe fort und Ziva ließ es geschehen.

Nur wenige Minuten später betrat sie die Kinderstation und das Zimmer ihres Sohnes. Dillan hatte sich nicht bewegt. Noch immer lag er auf dem Rücken, sein Mund war dabei leicht geöffnet, wie es DiNozzo-Art war. Die Infusion war entfernt und nur die Pflaster und der Krankenhaus Pyjama erinnerten an das Geschehen. Vorsichtig näherte sie sich dem Bettchen und betrachtete ihren Sohn liebevoll. Seine dunklen Locken, die er von ihr geerbt hatte und die jetzt wild um seinen Kopf herum abstanden. Die Nase hatte er dafür von seinem Vater. Gerade, spitz und eine Idee zu lang. Sie nahm die Decke, die er herunter gestrampelt hatte und zog sie wieder hoch. Es war warm heute Nacht, aber sie wollte nichts riskieren.

Der Besuchersessel, der im Zimmer stand, sah nicht sehr einladend aus, trotzdem setzte sie sich hinein und zog ihre Beine auf die Sitzfläche. Ein Blick auf ihre Armbanduhr zeigte ihr, dass es schon nach zwei Uhr war. Nicht mehr lange und das Krankenhaus würde wieder zu neuem Leben erwachen. Als sie den Kopf an das Nackenpolster des Sessels lehnte, merkte sie erst wie müde sie war und im Nu fielen ihr die Augen zu.

~~~***~~~

„….so, jetzt seid ihr auf den Laufenden“, sagte der Grauhaarige und blickte in geschockte Gesichter.

„Und Dillan?“, fragte Abby nach. „Ihm ist auch wirklich nichts passiert?“

„Nur das was ich dir schon gesagt habe“, teilte ihr Jethro für seine Verhältnisse mehr als geduldig mit. „Ziva kann ihn morgen ...“ Er warf einen Blick auf die Uhr. „….oder sagen wir mal heute, mitnehmen.“

Aus verquollenen Augen sah ihn Abby an. „Gut, das ist gut...“, flüsterte sie und Tim zog sie, mit einem entschuldigenden Blick zu seinem Boss, in die Arme.

„So“, kam es von dem Silberfuchs. „Ich denke wir sollten uns jetzt alle noch etwas schlafen legen. Morgen sehen wir weiter.“ Zur Unterstützung seiner Worte stand er auf.

„Ja, du hast recht“, sagte Tim und zog Abby hinter sich her zur Tür.

„Moment, Moment...Was ist mit Ducky? Hat jemand Ducky Bescheid gegeben?“

„Abbs“, sagte Gibbs mit bedacht. „Ich denke wir müssen ihn jetzt noch nicht wecken. Das machen wir später, nachdem die Sonne wieder aufgegangen ist.“

Verwirrt blickte sie auf die Uhr. „Oh, ja.“ Wieder flossen vereinzelte Tränen über ihre Wangen, doch sie schien sich etwas beruhigt zu haben. „Und wenn er bis dahin...?“ Sie ließ den Satz unvollendet.

Noch einmal zog sie der Grauhaarige in eine Umarmung und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Tony packt das. Das weißt du. Und wer stirbt schon an ein paar gebrochenen Knochen?“ Zufrieden sah er sie nicken. „Das traut er sich auch gar nicht“, fügte er mit einem halben Grinsen hinzu.

~~~***~~~

Gibbs hatte gerade die Tür hinter Abby und Tim verschlossen, als er seine Freundin fragen hörte: „So und wie steht es jetzt wirklich um Tony? Und ich will die Wahrheit hören.“ Sie stand, mit vor der Brust verschränkten Armen, auf der untersten Stufe seiner Treppe.

Es hätte ihm vorher klar seinen müssen, das er zwar Abby damit beruhigen würde, aber nicht seine Partnerin. Seufzend sah er sie an und legte ihr die Arme um die Taille.

„Seine Lunge wurde verletzt und man musste ihm die Milz entfernen. Er hat viel Blut verloren.“ Erschöpft lehnte er seine Stirn an ihre.

„Du weißt was Abby mit dir machen wird, sollte heute Nacht noch etwas geschehen?“, fragte sie provozierend.

„Ja, aber wenn ich ihr gesagt hätte wie es wirklich um ihn steht, hätte sie keine Ruhe gegeben und niemand hätte sie davon abhalten können ins Krankenhaus zu stürmen und das wollte ich verhindern. Wir brauchen alle etwas Ruhe.“

Tabitha zog eine Augenbraue hoch. „Du hast recht und darum sollten wir uns jetzt auch hinlegen. Cam wird sich bald melden und bis dahin brauch ich auch noch ein bisschen Schlaf.“

 

 

 

8. Kapitel

Die diensthabende Intensivschwester blätterte gerade in einem Krankenbericht, als der Alarm losging. Der Warnton erklang laut und schrill durch die nächtlich, ruhige Station. Schwester Janes Kopf fuhr hoch. Schnell warf sie einen Blick auf die Überwachungsanzeigen. Oh nein, der Neue machte Probleme. Sein Ruf hatte sich schnell herum gesprochen und die Schwestern nannten ihn heimlich alle den „Helden“. Er sah gut aus, war Bundesagent und immerhin hatte er sich, um ein Kind zu retten, vor ein Auto geworfen. So etwas kam bei jeder Frau gut an. Im Laufen zog sie sich ein paar Handschuhe über und nahm das Stethoskop vom Hals. An seinem Bett traf sie auf die zweite Nachtschwester, die schon einen Check vornahm.

„Vicky, was ist passiert?“

„Keine Ahnung. Sein Puls spielt verrückt und sein Blutdruck fällt.“

Schnell überprüfte die routiniert Krankenschwester die Drainage und die dazu gehörigen Schläuche, aber hier war alles frei.

„Das gefällt mir nicht. Vicky, geh und weck Dr. Weiss auf.“

Die junge Schwester verschwand ohne ein weiteres Wort mit schnellen Schritten aus dem Raum.

Jane sah auf ihren Patienten. „Nicht heute Nacht. Heute ist mein letzter Tag vor dem Schichtwechsel und ich will beruhigt die freuen Tage genießen“, flüsterte sie ihm zu, während sie die Geräte nicht aus den Augen ließ.

~~~***~~~

Mike lag auf der schmalen Pritsche im Ärztezimmer.  Im Moment war alles ruhig und so gönnte er sich eine Mütze voll Schlaf, doch sein Geist fand einfach keine Ruhe und so lag er nur dämmernd da. Daher war er auch sofort wach und auf den Beinen, als er die aufgeregten Rufe der jungen Schwester hörte.

„Dr. Weiss. Der neue Patient, DiNozzo...“

„Was ist mit ihm?“, unterbrach er sie und lief schon an ihr vorbei zum Intensivzimmer.

„Blutdruck fällt, Puls ...“

Der Alarm, der in dem Moment los schrillte, ließ ihr keine Zeit mehr zu einer Antwort.

„Kammerflimmern!“, kam es von Schwester Jane, die froh war den Arzt zusehen.

Sofort war Mike am Bett und mit einem schnellen Blick zu dem Kardiografen befahl er: „Defibrillator, schnell. Aufladen auf 150 und weg vom Bett.“

Er beobachtete wie Tonys Körper sich aufbeugte, doch das EKG blieb flach.

„Na komm schon. Du hast es doch schon einmal geschafft“, murmelte er vor sich hin. „Fünf Milligramm Adrenalin und fünfundzwanzig Milligramm Solu-Medrol in die Transfusion.“ Die junge Krankenschwester befolgte die Anweisung sofort.

„Wir verlieren ihn!“, rief Jane.

„Aufladen auf 200 und zurücktreten.“ Tonys Körper hob sich in einer letzten Anstrengung, als wollte er das Leben festhalten, das ihm zu entweichen drohte.

„Jane, noch einmal fünf Milligramm Adrenalin und eine Einheit Lidokain, schnell!“

Mike blickte auf die Linie, die unverändert flach blieb. „Verflucht noch mal“, schrie er Tony an und schlug auf dessen nackte Brust ein. „Du wirst hier nicht sterben“, rief er, entriss Jane die Spritze und stach sie, ohne zu zögern, ins Herz seines Patienten.
Die Bewegung war von einer unglaublichen Präzision, die Nadel glitt zwischen den Rippen hindurch, durchstach das Perikard und drang einige Millimeter in die Koronargefäße ein. Sofort verteilte sich die Lösung im Herzmuskel.

Wieder griff Mike zum Defibrillator. Plötzlich wurde der regelmäßige Ton des EKGs von einer Folge kurzer Piepser abgelöst. Alle im Raum waren wie versteinert und starrten auf die grade grüne Linie, die sich an dem einen Rand des Monitors leicht zu wölben begann, bis sich schließlich ein fast normaler Kurvenverlauf einstellte.  

Schwester Jane schloss kurz ihre Augen und dankte im Stillen für die Güte, die ihnen heute hier zuteil wurde. Dann kehrte sie zum Monitor zurück und überprüfte den Sättigungsgrad der Blutgase.

Kurz schloss Mike die Augen, dann nahm er seine Taschenlampe, öffnete erst Tonys rechtes Auge, leuchtete hinein und wiederholte das gleiche mit seinem linken Auge. Nervös befeuchtete er seine Lippen. Das war nicht gut, gar nicht gut. Um sicher zu sein, wiederholte er die Untersuchung noch einmal, aber immer noch sah er geweitete Pupillen die nicht auf das Licht der Lampe reagierten. Die Augenbeweglichkeit war gänzlich erloschen.

„Wissen Sie ob seine Frau noch hier im Krankenhaus ist?“

„Ja, ich habe sie zu ihrem Sohn auf die Kinderstation geschickt. Soll ich sie holen?“, fragte die ältere Schwester.

„Ja, schnell.“

~~~***~~~

„Hallo Mrs. DiNozzo“, weckte eine leise Stimme die junge Mutter.

Ziva schreckte hoch und stand Sekunden später, sehr zum Entsetzen der Krankenschwester, genau hinter ihr und hatte die Frau schon am Arm gepackt und drückte sie nach vorne.

„Hhoooo...nicht...bitte..“, flüsterte die Schwester mit schmerzverzerrtem Gesicht.

Irritiert ließ Ziva die Frau los und versuchte ihren Zopf der sich gelöst hatte wieder zu ordnen.

„Es tut mir leid, aber schleichen Sie sich nie mehr an mich heran“, flüsterte Ziva leise.

Die Krankenschwester zog verwirrt ihren Kittel glatt. „Dr. Weiss schickt mich. Sie sollen schnell mitkommen. Ihr Mann hatte gerade einen weiteren Herzstillstand......“, doch den Rest konnte sie sich sparen, denn die junge Frau war schon an ihr vorbei gelaufen.

~~~***~~~

Weinend wachte Mia auf. Sie wusste nicht mehr was sie geträumt hatte, aber es hatte ihr Angst gemacht. Jetzt, wo sie immer wacher wurde, erkannte sie die fremde Umgebung. Leise wischte sie sich die Tränen von den Wangen und lauschte in die Dunkelheit. Auf der anderen Zimmerseite brannte ein kleines Nachtlicht und Schlafgeräusche drangen an ihr Ohr.

„Dillan?“, flüsterte sie leise, stand auf und tapste mit nackten Füßen zu dem kleinen Bettchen. Doch es war nicht ihr Bruder der darin lag, sondern Cameron, der kleine Sohn ihres Onkels. Jetzt fiel ihr auch alles wieder ein. Der Unfall. Ihr Bruder und ihr Daddy im Krankenhaus und sie war im Auto eingeschlafen.

„Weißt du“, flüsterte sie dem Baby zu und steckte ihre Hand durch das Gitter und streichelte dem Kleinen zärtlich über den Bauch. „Ich wollte das alles nicht. Ich hab mein Brüderchen doch lieb.“ Leise fing sie wieder an zu weinen.

Das Baby gluckste im Schlaf und Mia hielt in der Bewegung inne. Als sich seine Atemzüge wieder beruhigt hatten, kletterte sie gewandt über das Gitter und kuschelte sich hinter Cameron. Sie musste ihre Beine anziehen und sich mit ihrem Po an die rückseitigen Gitterstäbe drücken, aber dann lag sie bequem. Ihre Nase legte sie an den kleinen Kinderkopf. Er roch fast wie ihr Bruder und wenn sie die Augen ganz fest schloss, dann konnte sie sich vorstellen dass es Dillan war, der vor ihr lag. Mit einem Seufzer legte sie einen Arm um das Baby und zog den kleinen Jungen an sich.

~~~***~~~

Ziva lief so schnell sie konnte den Weg zurück zur Intensivstation und wurde dort von der älteren Schwester und Mike Weiss empfangen.

„Was?“, fragte sie bestürzt. „Was ist mit Tony?“

Der Arzt nahm sie am Arm und führte sie zu den Stühlen. „Setzen Sie sich.“

Zuerst sah sie ihn trotzig an, doch dann kam sie seinem Befehl nach und ihr Blick wurde ängstlich. Dieses Gespräch wollte sie nicht führen.

„Es tut mir leid, Mrs. DiNozzo, aber Ihr Mann hatte gerade einen erneuten Herzstillstand.“ Bevor sie etwas sagen konnte, hob er die Hand. „Wir konnten ihn zurückholen“, sagte er beruhigend, machte aber in ihren Augen eine zu lange bedrohliche Pause.

Ziva schluckte hart. „Aber?“, fragte die nach.

Dr. Weiss fuhr sich resigniert über die Stirn. „Der Herzstillstand, der große Blutverlust...“, wieder machte er eine Pause. Als er ihren fragenden Blick sah fuhr er fort. „.....das alles hat dazu geführt das er ins Koma gefallen ist.“

Ziva runzelte die Stirn. „Koma?“, wiederholte sie und sah ihn nicken. „Wie... wie lange wird das anhalten?“

„Das hängt von ihm ab. Fürs Erste lebt er und das ist mehr als ich Ihnen noch vor wenigen Minuten hätte sagen können. Wenn er die nächsten Tage übersteht, sehen wir weiter. Es tut mir leid.“ Mitfühlend legte er ihr eine Hand auf ihren Arm. „Wenn Sie möchten, kann ich Sie ein paar Minuten zu ihm lassen.“

Da sie nichts sagen konnte, nickte sie nur und stand auf. Koma. Tony lag im Koma. Dieses Wort und das wofür es stand, musste sie erst einmal verarbeiten. Koma.

~~~***~~~

Etwas irritiert blickte Tabitha auf die Leuchtanzeige ihres Weckers. Es war schon fünf Uhr am Morgen und die Sonne ging am Horizont langsam auf. Neben sich hörte sie die leisen, beruhigenden Schlafgeräusche ihres Lebensgefährten. Sie versuchte sich gerade eine neue Schlafstelle zu suchen, als ihr plötzlich ihr Kind einfiel.

Ruckartig setzte sie sich auf. Cameron? Hatte sie ihren Sohn heute Nacht nicht gehört oder hatte er diese Nacht durchgeschlafen? Leicht beunruhigt strich sie sich die leichte Baumwolldecke ab und schwang ihre Beine aus dem Bett. Schnell hatte sie die wenigen Meter zum Zimmer ihres Sohnes überbrückt. Langsam öffnete sie die Kinderzimmertür und lief auf das Bettchen zu. Als erstes sah sie das leere Bett ihres jungen Gastes, dann fiel ihr Blick auf das kleine Gitterbett ihres Sohnes und mit einem Schmunzeln sah sie auf die beiden Kinder herunter, die eng aneinander gekuschelt schliefen. Leise, um beide nicht zu stören, trat sie den Rückzug an. Scheinbar tat beiden die Nähe des Anderen gut, dachte sich lächelnd und machte sich auf den Rückweg ins Ehebett.

~~~***~~~

Ziva griff nach dem Türknauf und öffnete leise die Tür. Geräusche empfingen sie, Geräusche, die sie schon mehrfach in ihrem Leben gehört hatte. Das Zischen und Schnaufen des Beatmungsgerätes, das gleichmäßige elektronische Summen des Kardiographen. Eigentlich sollten sie überhaupt nichts bedeuten, diese Geräusche, die ihre so vertraut waren, doch plötzlich, hier in der Enge dieses kleinen, dunklen Raumes, wirkten sie geradezu obszön laut.

Sie holte tief Luft, schloss die Tür und ging hinein. Tony lag in einem schmalen, metallvergitterten Bett, die Decke bis zu seinem Kinn hochgezogen. Ein Arm schützend an der Seite, der andere lag in einer Bandage, auf seiner Brust. Durchsichtige Plastikschläuche führten in seinen Mund und seine Nase. Der eine führte in seine Lunge, um ihn zu beatmen, der andere versorgte ihn mit einem ständigen Tropfen mit Flüssigkeiten. Flaschen und Beutel hingen an Metallständern neben dem Bett. Ein Gewirr von Plastikschläuchen führte zu seinen Handgelenken, seinem Hals, seiner Brust.

Bis auf den matten Lichtschein, der von einer Straßenlaterne vor dem Fenster hereinfiel, war das Zimmer dunkel. Tony sah völlig ruhig und gelassen aus, so, als sei es ihm völlig egal das Plastikschläuche in seinem Körper steckten und Luft in seine Lunge pumpten.

Als Ziva das Zittern ihrer Knie bemerkte, musste sie sich an den Gitterstäben des Bettes festhalten, um nicht umzufallen. Schließlich streckte sie eine Hand aus und strich ihm eine Haarsträhne von den Augen weg. Neben ihr schmatzte und pumpte das Beatmungsgerät. Seine Brust hob und senkte sich, hob und senkte sich.

Nicht zum ersten Mal, aber diesmal voller Inbrunst, wollte Ziva in diesem Augenblick, an ein Wunder glauben, wollte glauben, dass wenn sie seine Hand in ihre nahm, das sie dann aufwachen würde, und alles nur ein böser Traum war, aber sie wusste, das dem nicht so war. Gott war nicht bestechlich.

Vorsichtig beugte sie sich über ihn. „Du musst Leben!“, flüsterte sie in sein Ohr. „Für uns, für dich. Ich verhandle nicht, hörst du? Es gibt keinen Kompromiss. Lebe!“

Sie hoffte dass ihn diese Worte erreichten. Doch was wäre wenn Tony nicht mehr aufwachen würde? Bei diesem Gedanken stieg der Kummer, den sie zu unterdrücken versucht hatte, heftig in ihr auf, erfüllte sie ganz und ergoss sich in heißen, feuchten Tränen über ihre Wangen.

Plötzlich vielen ihr die vielen Male ein, die sie zusammen auf der Couch gesessen und einen Film gesehen hatten. Seine Filmsucht war bemerkenswert und Mia stand ihm da in nichts nach. Das gemeinsame Kochen oder die Stunden nach dem Schlafen gehen der Kinder. Die Zeit die ihnen alleine gehörte.

„Ich liebe dich“, wisperte sie leise, beugte sich vor und drückte einen Kuss auf seine raue Wange.

 

 

 

9. Kapitel

Leise öffnete Ziva die Tür und ging auf Tonys Bett zu. Es war früh am Morgen und die junge Frau nutzte gerne die Stunden, bevor das Krankenhaus von Besucherströmen übervölkert wurde. Fünf Tage war der Unfall nun her. Tonys Werte hatten sich gefangen und besserten sich täglich. Und obwohl sich der kollabierte Lungenflügel noch nicht wieder vollständig geöffnet hatte, war die Thorax- Drainage gezogen, und auch die künstliche Beatmung war eingestellt worden. Die Brüche und die inneren Verletzungen heilten recht gut. Jetzt musste er nur noch aufwachen.

Damit Ziva sich um ihren Mann kümmern konnte, hatte sie das Angebot von Gibbs und Tabitha angenommen und war fürs erste in deren Haus untergekommen. So waren die Kinder beaufsichtigt und sie konnte ihre Zeit bei Tony verbringen. Dillan hatte sie am nächsten Morgen wirklich schon mit nach Hause nehmen können. Die kleine Platzwunde verheilte gut und der zuständige Kinderarzt war mehr als zufrieden mit dem kleinen Mann. Dr. Ross meinte sogar das die Chancen gut standen, dass der Kleine den Unfall schnell verarbeiten würde. Er erklärte ihr, dass Kleinkinder schnell unliebsame Erinnerungen verdrängten und damit schien er Recht zu haben, denn Dillan war schon wieder ganz der Alte. Er rannte wie ein Wirbelwind durch den Garten und Cameron war ihm, so schnell es seine kurzen Beine zuließen, auf den Fersen. Er schien den Unfall wirklich schon vergessen zu haben und blühte in Camerons Gesellschaft richtig auf, während Milena immer ruhiger und verschlossener wurde und auf die beiden Kleinen wie eine Löwenmutter auf ihre Jungen aufpasste.

„Hallo Tony“, sagte Ziva betont fröhlich und gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. „Ich hoffe du hattest eine gut Nacht? Meine war einsam, wie immer“, sagte sie mit einem kleinen traurigen Seufzer, doch kurz darauf glitt ein Lächeln über ihr Gesicht. „Ich soll dich schön von den Kindern grüßen. Sie haben dir zusammen ein Bild gemalt, aber ich durfte es leider nicht mit herein bringen.“ Während sie sprach, holte sie sich einen Stuhl ans Bett. „Aber wir hängen es auf, sobald du auf ein normales Zimmer kommst. Du müsstest es sehen. Mia hat eine Landschaft zeichnet und Dillan hat uns dazu gemalt Ich denke, seine große Schwester hat dabei seine Hand gehalten und ihm beim Malen unterstützt.“

Nachdenklich sah sie ihrem Mann ins Gesicht. Die Ärzte hatten ihr geraten mit ihm zu reden. Am Anfang hatte sie sich schwer getan, aber mittlerweile war es ihr genauso vertraut, wie den Überblick über die Geräte und Apparaturen zu behalten. Während sie noch einmal aufstand und zum Fenster ging um die Morgensonne ins Zimmer zu lassen, dachte sie an einen Tag vor ungefähr einem Jahr zurück. Auch an dem Tag hatte die Sonne schon früh geschienen.


Heute war Tonys großer Tag, und seit Wochen war der Braunhaarige deswegen schon nervös. Die Wiedereingliederungsprüfung zum Field Agent stand bevor. Sie waren besonders früh aufgestanden, um ja rechtzeitig beim Navy Yard anzukommen. Der erste Teil der Prüfung war theoretischer Natur und sie waren sich sicher dass Tony diesen mit Bravur bestehen würde. Der zweite Teil allerdings beinhaltete Schießübungen und ein Konditionstraining. Und genau hier fing das Problem an. Tony war noch nicht wieder vollständig fit und sein Bein wollte nicht immer so wie es sollte. An manchen Tagen schaffte er es sogar eine Runde um den Block zu joggen, an anderen Tagen war es instabil und lahm.

Die Brünette befand sich momentan noch in der Babypause. Sobald ihr Sohn ein Jahr alt würde, hatten sie einen Hortplatz und dann würde sie auch wieder arbeiten können. Um ihren Arbeitsplatz musste sie sich allerdings keine Sorgen machen, denn Gibbs hatte versprochen ihn frei zu halten. Während Ziva sich Dillan auf die Hüfte setzte, war sie froh das Milena gestern bei ihrer Freundin übernachtet hatte. So musste sie sich heute Morgen nur um das Baby kümmern und hatte etwas mehr Zeit für Tony über. Dieser stand gerade in der Tür und griff nach seiner Jacke und der Sporttasche.

„Du schaffst das“, versuchte sie ihn aufzumuntern.

„Ja“, kam es einsilbig von ihrem Mann.

„Hey, was soll passieren? Alle haben mit dir trainiert. Tim, Gibbs, sogar Abby ist mir dir gelaufen.“ Beherzt hatte sie ihm eine Hand auf den Arm gelegt, mit der anderen versuchte sie das zappelige Baby zu beruhigen.

„Was wenn ich durchfalle?“, fragte er niedergeschlagen und ließ die Tasche wieder auf den Boden gleiten.

„Dann versuchst du es halt in drei Monate noch einmal.“

„Und was wenn ich es auch dann nicht schaffe? Ich könnte mein Leben lang nicht so weiter arbeiten. Dieses Aktensichten Tag ein Tag aus, langweilt mich zu Tode. Jedes Mal wenn Gibbs sagt: „Wir haben einen Fall, nehmt eure Sachen“, habe ich das Gefühl aufspringen zu müssen und mitzufahren, aber ich weiß das ich das erst wieder nach erfolgreicher Prüfung darf. Es steht einfach zu viel auf dem Spiel.“

Ziva gab Dillans Genörgel nach und setzte den Kleinen auf den Boden, wo er sich sofort auf alle Viere zog und schleunigst auf Entdeckungstour ging.

„Sei nicht so pessimistisch. Steck nicht schon im Voraus, den Kopf in die Matsch“, sagte sie mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen und legte ihm ihre Arme um die Hüften.

Lächelnd zog Tony sie eng an sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Weißt du, wenn ich dich nicht hätte.“

„Dann hättest du eine andere.“ Führte sie den Satz zu ende.

„Nein“, gestand er mit einem Lächeln. „Du bist alles was ich brauche. Nur du schaffst es mich immer wieder aufzumuntern. Aber es heißt Sand, mein Schatz, nicht Matsch.“

„Du“, zischte sie und gab ihm einen gespielten Schlag gegen die Schulter.

Frech grinsend fing er ihre Hand ein und verschloss ihren Mund mit seinem. Der Kuss war feurig aber kurz. Dann griff Tony wieder zu seinen Sachen.

„Wünsch mir Glück. Ich kann es gebrauchen.“

„Alles was du willst. Ich werde in deiner Mittagspause zum Yard kommen, dann ist die Prüfung schon vorbei und wir können zusammen essen gehen.“

„Ja mach das“, sagte Tony und hob Dillan vom Boden auf um sich auch von ihm zu verabschieden und drückte ihn dann Ziva in die Hände. „Bis später ihr Zwei“, sagte er und verschwand durch die Tür.

~~~***~~~

Als Ziva um ein Uhr im Navy Yard ankam, war im Büro nur Tim anwesend. Ein ungutes Gefühl beschlich sie.

„Tony?“, fragte sie fast zaghaft und parkte den Buggy mit dem schlafenden Dillan neben den verwaisten Schreibtisch seines Vaters.

Tim warf ihr einen traurigen Blick zu und schüttelte langsam den Kopf.

„Wo steckt er?“, fragte sie und sah sich im Büro um.

„Gibbs hat zusammen mit ihm Feierabend gemacht.“

„Oh“, machte die Brünette und setzte sich auf Tonys Stuhl. „So schlimm?“, fragte sie und verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse, während sie McGees Nicken sah. „Okay“, sagte sie zu ihrem Sohn, „dann werden wir mal zu Hause auf deinen Daddy warten.“

~~~***~~~

Es dauerte noch ein paar Stunden bevor sie Tony wieder sah. Die Kinder schliefen schon tief und fest, als sie den Schlüssel und die Tür hörte.

„Hey“, sagte die leise, stand auf und kam auf ihm zu. Eine leichte Alkoholfahne wehte ihr entgegen. „Wo ward ihr?“ Sie fragte bewusst nicht nach der Prüfung, denn sie wusste dass Tony sofort auf Stur schalten würde. Er musste von sich aus erzählen, nur dann würde sie etwas erfahren.

„Im Keller. Ich habe ihm beim abbeizen eines alten Küchenschranks geholfen“, sagte ihr Lebenspartner, ging in die Küche, holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank und ließ sich auf die Couch im Wohnzimmer plumpsen.

Mit einem Seufzer setzte sich Ziva neben ihn und Tony zog sie an seine Seite, sodass sie ihren Kopf an seine Schulter legen konnte. So saßen sie eine Zeitlang einfach nur nebeneinander, bis Tony das Schweigen brach.

„Ich hab es versaut!“.

„Was ist passiert?“, fragte sie, zog ihre Beine auf die Couch und kuschelte sich etwas enger an ihn.

„Ich war einfach zu langsam beim Konditionstraining.“

„Woran lag es?“, hakte sie nach.

„Schlechtes Timing, unebener Boden.“ Er zuckte mit den Schultern.

Ziva hob ihren Kopf gerade so weit an, das sie ihm ins Gesicht sehen konnte. „Und jetzt? Machst du weiter?“

Tony fuhr sich durch das dichte braune Haar. „Zuerst wollte ich auch alles hinschmeißen, aber Gibbs hat mir den Marsch geblasen, auf seine ganz eigene, spezielle Weise“, gestand er grinsend.

Ziva verkniff es sich nachzufragen, was Tony mit „spezieller Weise“ meinte. Hauptsache war, er würde weitermachen. Alles andere war Nebensache. Drei Monate später schaffte er die Prüfung zum Field Agent.



Mit Schwung zog sie den Vorhang auf, sodass das Zimmer mit Sonnenlicht durchflutet wurde. Langsam kam sie nun ans Bett zurück.

„Weißt du Tony, heute werden dich noch Gibbs und Ducky besuchen. Es wird dir hier nicht langweilig werden.“ Ihre Hand hielt seine und ihre Finger strichen über seinen Handrücken. Plötzlich hatte sie sich nicht mehr im Griff und obwohl sie sich geschworen hatte, in seinem Beisein immer fröhlich zu sein und sich nicht ihren Kummer anmerken zu lassen, konnte sie ihre Tränen nicht mehr zurück halten. Sie klappte eine Seite des Bettgitters herunter und legte ihr Gesicht auf seine gesunde Seite. „Komm zu mir zurück. Bitte. Ich brauche dich. Wir brauchen dich.“

Als sie kurz darauf die Tür hörte, erhob sie sich schnell vom Bett und versuchte die verräterischen Spuren von ihrem Gesicht zu wischen.

„Guten Morgen Ziva, gab es irgendwas das ich verpasst habe?“, fragte die junge Krankenschwester, die mit einem fahrbaren Tablett voller Verbandsmaterial das Zimmer betrat.

„Guten Morgen Susan, leider noch keine Regung“, kam es von der Angesprochenen und sie schenkte der Schwester ein Lächeln.

In den fünf Tagen, die Tony nun hier lag, hatte sie sich mit den Krankenschwestern angefreundet. Immerhin war sie jede freie Minute an seiner Seite. Da hatte es sich einfach so ergeben.

„Hey Tony, was hältst du davon heute von zwei tollen Frauen gewaschen zu werden?“, fragte sie lächelnd, holte aus der mitgebrachten Schüssel einen Waschhandschuh heraus und machte sich gleich an die Arbeit, während Ziva ihr leicht zur Hand ging. „Wenn ich dir wehtue, oder es dich kitzelt, brauchst du es mir einfach nur zu sagen.“ Aufmerksam warteten beide Frauen auf eine Reaktion, doch nichts geschah. Nachdem sie ihn gewaschen hatten, bekamen seine Wunden einen neuen Verband und sie zogen ihm ein neues Hemdchen über. Zum Schluss wechselte Susan noch den Katheterbeutel und notierte die Füllmenge in seiner Krankenakte.

Schwungvoll klappte Susan die Akte zu. „Die Werte sind gut. Es fehlt ihm nur der Antrieb.“ Mit nachdenklich gerunzelter Stirn sah sie auf ihren Patienten herunter und befestigte die Sauerstoffbrille wieder unter die Nase. „Vielleicht solltest du eure Kinder mitbringen. Eventuell schafft es ja der Kleine, ihn aus dem Koma zu holen.“

Ziva nickte ihr zu. „Ich werde später mit seinem Arzt reden. Wenn er es erlaubt, bringe ich morgen Milena oder Dillan mit.“

Susan rieb sich mit dem Zeigefinger über ihre Nasenwurzel. „Ich denke einen Versuch wäre es wert.“

~~~***~~~

Dunkle Augen fixierten die Tür zur Intensivstation. Das machte sie nun schon seit vier Tagen und mit jeden Tag wurde sie ungeduldiger und die Schwestern aufmerksamer. Sie musste für sich einen Weg hinein finden. Irgendwie.

 

 

 

Kapitel 10

Milena sprang aus Gibbs‘ Pickup und nahm ihre Schultasche entgegen.

„Bis später, Onkel Jethro“, rief sie während sie die Wagentür zumachte.

Traurig sah sie dem wegfahrenden Wagen nach. Ihr Onkel würde jetzt zu ihrem Dad fahren und ihre Mommy abwechseln. Milena vermisste das gemeinsame Familienleben und sie vermisste besonders ihren Vater. Im Moment hausten sie mehr oder weniger bei ihrem Onkel. Etwas bekümmert drehte sie sich zum Haus um.

Endlich  war die Schule aus. Heute war ihr das Stillsitzen besonders schwer gefallen und daran konnte auch ihre immer so folgsame Freundin Taljah nichts ändern. Im Galopp nahm sie die paar Stufen hoch zur Haustür. Irgendwie hatte sie das Gefühl das heute noch etwas Besonderes geschehen würde. Vielleicht durfte sie ja heute mal mit ins Krankenhaus? Hoffnung machte sich in ihr breit. Mit neuem Schwung öffnete sie die Haustür.

„Ich bin wieder da!“, rief Mia und ließ ihre Schultasche auf den Boden fallen.

„In der Küche“, hörte sie Tabithas Stimme antworten.

Schwungvoll ließ sie sich auf den Boden plumpsen und zog sich die verhassten Schuhe aus. Eigentlich fand sie ihre Schuluniform toll, aber die dunkelbraunen Schnürschuhe, die sie dazu tragen musste, passten in ihren Augen so gar nicht zu den blauen Kniestrümpfen und dem niedlichen karierten Faltenröckchen. Den Schuhen folgten kurz darauf auch die Strümpfe und mit nackten Füßen machte sie sich auf zur Küche.

Ihre Tante stand am Herd und rührte in einem großen Topf. Ein schneller Blick zeigte Milena das die beiden kleinen Jungen nicht mit ihr in der Küche waren.

„Hey“, sagte sie und schnupperte den Geruch nach Eintopf, der in der Luft hing. Als ihr Magen laut seinen Protest ankündigte, fragte sie: „Was gibt es zu essen?“

Tabby drehte sich lachend zu der Kleinen um. „Hunger?“

„Und wie“, jammerte Mia und rieb sich den Bauch. „Wo sind die Jungs?“

„Im Garten.“

Erst jetzt bemerkte sie den aufpassenden Blick ihrer Tante, die das Fenster und den Sandkasten im Garten nicht aus den Augen ließ.  

„Wie war die Schule?“

„Och gut. Soll ich sie herein holen?“, kam es abweichend von der Kleinen.

Tabitha lächelte sie an. „Ja, sei so gut. Ich deck in der Zeit schon einmal den Tisch.“

~~~***~~~

Stufe für Stufe hüpfte Milena auf nackten Füßen die Treppe herunter in den Garten. Dillan und Cameron hatten sie noch nicht bemerkt und spielten weiter lebhaft im Sandkasten. Als sie die letzte Stufe erreicht hatte, setzte sie sich darauf und sah den Jungs zu. Dillan hatte einen Kindersparten in der Hand und schaufelte ein Loch  nach dem anderen, während Cameron mit einer Harke bewaffnet, ein Muster in den Sand malte. Der Krach den sie dabei machten, war kaum auszuhalten. Lächelnd verfolgte Milena das Sandchaos. Mittlerweile befand sich fast mehr Sand neben dem Sandkasten, als darin.

Plötzlich und unerwartet, zogen dunkle Wolken auf und Mia sah mit Zaudern zum Himmel hoch. Nur ungern wollte sie das Spiel der Beiden unterbrechen, doch drinnen wartete Tante Tabby mit dem Essen und wahrscheinlich würde es gleich sowieso anfangen zu regnen. Aufmerksam sah sie den Jungs weiterhin beim Buddeln zu. Sie war noch jung und zu klein, wie die Erwachsenen immer sagen, aber sie verstand schon ganz gut, dass etwas nicht stimmte. Man erzählte ihr nicht alles, aber was würde aus ihnen werden, wenn ihr Daddy nicht wieder gesund würde? Grübelnd fuhr sie mit ihren nackten Zehen durch das Gras. Wer würde Dillan das Fahrradfahren beibringen? Onkel Jethro? Oder war der dafür schon zu alt?  Vielleicht wäre Onkel Timmy die bessere Wahl. Nein, dachte sie mit Empörung. Daddy musste es machen, nur mit ihm würde es sich richtig anfühlen.



„Schneller Daddy, schneller...“, schrie Mia und trampelte noch fester in die Pedalen, so das ihr Vater Mühe hatte hinterher zu kommen. Endlich war das Wetter besser geworden und der letzte Schnee getaut, so dass der Frühling Einzug erhalten konnte. Sie hatte ja auch lange genug darauf warten müssen. Völlig außer Atem, die Wangen vor Eifer rot gefärbt, der pinke Fahrradhelm mit den kleinen bunten Schmetterlingen saß verwegen schief auf ihren Kopf, nahm sie neuen Schwung und wurde immer schneller und schneller, so dass die Stützräder kaum noch Bodenkontrakt hatten. Das ging jetzt schon den ganzen Morgen so und sie kriegte einfach nicht genug von dem tollen rosafarbenen Fahrrad, das sie von ihrem Onkel Jethro zu Weihnachten bekommen hatte. Vorne in dem Lenkradkörbchen saß ihre Puppe und grinste sie schief an.

„Mia Pause“, hörte sie hinter sich ihren Vater stöhnen. „Genug für heute. Wir machen morgen weiter.“

„OHHHH nein. Noch einmal.“ Sie hielt das Fahrrad an und drehte ihm den behelmten Kopf zu. „Weiter Daddy.“

Schwer atmend, stand der Vater mit auf den Knien abgestützten Händen, ihr gegenüber. „Nein“, japste er. „Ich kann nicht mehr.“

„Aber ich kann noch“, antwortete sie verstimmt und wollte sich wieder auf das Rad schwingen, aber ihr Vater war schneller und hielt sie fest.

„Ich sagte Stopp, junges Fräulein.“ Streng sah er auf sie herunter.

Mit traurigen, grünen, großen Augen sah sie zu ihm hoch. „Bitte Daddy, nur noch einmal.“ Das Lächeln das sie ihm schenkte, war eine exakte Kopie seines eigenen und sie wusste dass sie ihn schon fast überzeugt hatte. Er konnte ihr nie lange widerstehen. Also legte sie noch eine Schippe drauf und intensivierte ihren bittenden Blick aus ihren grünen Augen. „Einmal noch, danach hören wir auf, versprochen.“

Als sie sah, dass ihr Vater langsam ihr Lächeln kopierte, wurde ihr klar, dass sie ihn soweit hatte.

„Okay, mein Schatz. Einmal noch.“ Als er sie triumphieren sah, hob er einen Finger. „Aber wir werden die Stützräder etwas in der Höhe verstellen.“

„Warum?“, fragte sie skeptisch.

„Weil sie dafür da sind, das du Fahrradfahren lernst. Das macht man so.“ Erklärte er ihr ohne es wirklich zu erklären und hockte sich dann mit einem Ächzten neben das Fahrrad. Als ihr Daddy fertig war, stand das Fahrrad nicht mehr auf vier Rädern, sondern nur noch auf drei und sehr schief.

Milena legte den Kopf in den Nacken und sah ihn an. „Du hast es kaputt gemacht.“

„Nein, so ist es richtig. Du musst dein Gleichgewicht finden, nur so kannst du fahren lernen.“

„Mhmmm“, macht sie und sah ihn fragend an. „Mein was?“

„Dein Gleichgewicht.“

Sie verstand nicht was er meinte, aber das war jetzt auch egal, denn das Fahrrad sah nicht mehr so aus, als wenn man es noch fahren könnte. „Da kann ich doch nicht mehr darauf sitzen. Das ist zu schief. Ich werde fallen.“

„Das wirst du nicht. Ich werde dich von hinten halten.“

Wieder sah sie ihn unsicher an. „Schaffst du das denn?“, fragte sie und zog dabei abschätzend einen Mundwinkel hoch.

Ihr Vater legte die Stirn kraus und kämpfte sich aus der Hocke hoch. „Also wirklich Milena. Ein DiNozzo....“

„....kippt nicht um.“ Beendete sie seinen Satz, sah ihn aber immer noch abschätzend an, denn sicher war  sie sich nicht. Ihr Daddy sah immer noch etwas mitgenommen aus und sie wusste dass ihm sein Bein weh tat.

„Na los, aufsitzen“, sagte ihr Vater.

Wenig später saß Mia wieder auf ihrem geliebten Gefährt und trat in die Pedale, während ihr Vater hinter ihr herlief und sie mit einer Hand am Sattel im Gleichgewicht hielt. Aufs höchste konzentriert, die Zunge nervös zwischen die Lippen geschoben, radelte sie weiter und schüttelte innerlich den Kopf. Das klappte einfach nicht. Sie schaffte es nicht. „Las uns aufhören ich kann das Gewichtdings nicht halten“, rief sie ihm über die Schulter zu und bemerkte voller Entsetzen, das ihr Vater nicht mehr hinter ihr stand. „Ich fahre?“, rief sie wieder und sah ihn nicken.

„Du fährst und jetzt schau nach vorne. Mia schau nach VORNE...“, schrie ihr Daddy und Mias Kopf ruckte herum. Sie fuhr.... sie fuhr wirklich und ganz alleine. Stolz schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht und sie hätte am liebsten die ganze Welt umarmt. Sie konnte Fahrradfahren, dachte sie beglückt und zwinkerte ihrer Puppe zu.

Da sich die Einfahrt vor Onkel Jethros Haus dem Ende neigte, musste sie sich langsam über eine Kurve Gedanken machen. Angespannt mit der Zunge zwischen den Lippen, zog Mia am Lenker und verlangsamte ihre Fahrt. Mit zitternden Armen und Vorderrad nahm sie die Kurve und radelte mit einem Strahlen im Gesicht wieder auf ihren Vater, der jetzt vor der Garage stand, zu.

„Das machst du super, Mia“, rief er ihr zu und Milena nahm eine Hand vom Lenkrad um ihm zuzuwinken. Das hätte sie lieber sein lassen sollen, denn im selben Moment fuhr sie über ein Steinchen und der Lenker wurde ihr auf der Hand geschlagen. Hilflos mit vor Schreck geweiteten Augen, sah sie wie sich das Fahrrad langsam zur Seite neigte und der Boden immer näher kam.

„Nimm den Lenker in die Hand“, rief ihr Daddy besorgt. „Du musst gegen lenken. Finde das Gleichgewicht.“

Milena machte sich noch Gedanken, was ihr Daddy genau mit dem Gleichgewicht meinte, als auch schon der Aufprall folgte. Seitlich rutschte sie über den Boden, spürte wie ihr Knie und ihr Schienbein in Mitleidenschaft gezogen wurden, streckte unwillkürlich eine Hand aus, um die Rutschpartie zu beenden und schürfte sich auch da die Haut auf. Als sie endlich zum Stillstand kam, hatte sie Tränen in den Augen. Ihr Bein war aufgeschürft und blutete ebenso wie ihre Handfläche. Doch die Euphorie des Fahrens half ihr über die gröbsten Schmerzen hinweg und ein kleines Lächeln schlich sich wieder auf ihr Gesicht.

„Alles klar, mein Schatz?“, hörte sie die besorgte Stimme ihre Vaters und sah ihn auf sich zu humpeln.

„Ich bin gefahren“, sagte Mia und strahlte ihn mit Tränen in den Augen an.

„Ja“, kam es von ihrem Daddy und er deutete auf ihr Knie. „Schlimm?“

Milena schüttelte den Kopf. „Ich kann Fahrradfahren“, sagte sie wieder und wischte sich mit einer Hand die Tränenspuren von den Wangen.

Ihr Vater hielt ihr eine Hand entgegen. „Ja, du kannst fahren, aber jetzt müssen wir noch daran üben, wie du auch wieder anhalten kannst, ohne dir das Genick zu brechen“, sagte er mit einem Grinsen. „Komm lass uns hineingehen und deine Wunden versorgen.“

Kurz darauf humpelten Vater und Tochter zusammen zurück ins Haus.




„Hey Milena? Du solltest doch die Jungs herein holen“, hörte sie ihre Tante rufen und wurde so aus ihren Erinnerungen gerissen.

„Ja, sofort“, rief sie zurück, sprang auf und sauste auf die beiden Kleinen zu. Eins stand fest, es gab keinen Ersatz. Weder Onkel Jethro noch Onkel Tim, konnten Dillan das beibringen, was ihr Daddy konnte.

 

 

 

11. Kapitel

Susan war gerade auf dem Weg zum Schwesternzimmer, als ihr eine, ihr unbekannte Person vor DiNozzos Zimmer, auffiel.

„Kann ich ihnen helfen?“, fragte sie und ging auf die Frau zu. „Sind sie eine Verwandte?“

„Nein.“  War alles was die Frau sagte, während sie sich scheinbar nur widerstrebend vom Sichtfenster abwandte und zurück zum Ausgang ging.

„Warten Sie!“, rief Schwester Susan und ging ihr nach. „Wie sind Sie hier herein gekommen? Habe ich Sie nicht schon öfter im Wartebereich gesehen?“

Doch die Frau verließ, ohne ein weiteres Wort zusagen die Station und ließ die Krankenschwester einfach stehen.

~~~***~~~

Nachdenklich starrte Tim auf das Krankenbett, auf dem sein Freund nun schon mehrere Tage unbeweglich lag. Nervös, die Hände tief in seinen Hosentaschen vergraben, lief er ein paar Schritte auf und ab, dann blieb er plötzlich stehen, fuhr sich durchs Haar, drehte sich um und rannte fast auf dem Zimmer.

„Ich kann das nicht!“, sagte er zu Abby, die auf dem Flur auf ihn gewartet hatte und ihn jetzt in Empfang nahm.

„Was kannst du nicht?“, fragte sie vorsichtig.

„Ich kann einfach nicht so tun, als wenn er bei Bewusstsein wäre. Ich kann mich nicht mit ihm unterhalten und sein Koma ignorieren.“

In seinem Blick, sah sie die pure Verzweiflung. Dann schüttelte sie langsam den Kopf. „Warum nicht? Stell dir einfach vor....“

„Ich kann das nicht, Abby“, sagte er und zog langsam den Intensivkittel wieder aus, dann drehte er sich zum Sichtfenster um und starrte zu Tony ins Zimmer. „Immer wenn ich die Augen schließe und ihn mir „lebendig“ vorstelle, dann fällt mir sein Junggesellenabschied ein und dann öffne ich die Augen und das Bild passt nicht mehr überein. Das ist jedesmal wie ein Schock.“ Abby, die ihm jetzt ganz nah war, strich ihm mitfühlend über den Arm.

„Ist nicht so schlimm Timmy. Ich kann auch für uns zwei mit ihm reden. Mit meinem Tiger kann ich immer reden“, sagte sie, küsste ihn auf die Wange und zog den Kittel über.

Während er seine Freundin in den Raum gehen sah, wanderten seinen Gedanken zurück an den besagten Tag.


Sie hatten Tony um acht Uhr abends zu seinem Junggesellenabschied abgeholt.  Als erstes waren sie nett essen gegangen und hatten sich dann auf den Weg zu anrüchigen Club gemacht. Jimmy hatte dort eine Wellness Tai Massage für alle bestellt und eine besonders aufwendige für den angehenden Bräutigam. Jetzt saßen sie, mit einem Glas Bier, an der Theke und warteten auf die „Therapeutinnen“. Nach dem Essen hatten sich Ducky und Gibbs verabschiedet, weil sie meinten für den Spaß nicht mehr jung genug zu sein. Tim hegte allerdings eher die Vermutung, das die beiden Älteren nicht stören wollten.

Starkes Gelächter, ließ ihn die Theke herunter schauen. Tony baggerte gerade die junge Barfrau an und verwies dabei immer auf Jimmy an seiner Seite. Palmer war mittlerweile bis zu den Ohren dunkelrot angelaufen und suchte ein Loch zum Verstecken. Tim atmete einmal tief durch und wollte ihm gerade zu Hilfe eilen, als er eine Frau auf sie zukommen sah.

„Sind Sie die Gruppe von Palmer?“, fragte die Frau.

Jimmy, der froh war Tonys derben Scherzen entkommen zu können, sprang von seinem Barhocker. „Ja, ich  bin Jimmy Palmer.“

„Gut, dann folgen Sie mir bitte, ich bring Sie zu den Behandlungsräumen.“

Tony, der schon nicht mehr ganz nüchtern war, lallte: „Isch.... isch bin der Bräutigam.“

Die Frau sah nur einmal kurz über ihre Schulter und lächelte ihn seltsam an. „Soo? Schön, dann bekommen Sie Raum Nr. 1 und die beiden anderen Herren Nr. 2 und 3.“ Sie drückte Tony ein seltsames Hemd in die Hände. „Sie können die Zeit schon einmal nutzen und sich umziehen.“ Damit schloss sie hinter Tony die Tür und führte Tim und Jimmy ebenfalls zu ihren Kabinen.

Der Rest war schnell erzählt und würde sie auch Jahre später noch zum Lachen bringen. Die vermeintlichen Therapeutinnen stellten sich als starke Männer heraus, die die drei Kerle tüchtig „ran“ nahmen. Gelegentlich konnte Tim auch seine Leidensgenossen unterdrückt schreien hören. Das alles war nicht die Tai Massage die sie sich versprochen hatten, aber ihren verspannten Muskeln hatte es im Endeffekt gut getan. Und es war ein Erlebnis geworden, das sie so schnell nicht mehr vergessen würden. Denn welcher Junggesellenabschied endetet schon mit krebsroter Haut und einer seltsam heiseren Stimme?



Ganz von alleine schlich sich ein Grinsen auf Tims Gesicht. Seine Augen suchten wieder die seines Freundes, doch diese waren noch immer geschlossen. Es wurde Zeit. Tony musste einfach wieder aufwachen. Wer sollte ihn sonst immer necken? Lächelnd fuhr sich Tim durch Haar. Wer hatte gedacht, dass es noch einmal eine Zeit gab, wo er sich nach Tonys derben Scherzen sehnte?

Neben dem Bett sah er Abby sitzen. Sie hatte eins von seinen Schmuddelblättchen in der Hand und las ihm daraus vor. Dann stand sie plötzlich auf, beugte sich vor, küsste ihn auf die Wange und verließ den Raum wieder.

Mit traurigem Blick und verräterisch feuchten Augen warf sie sich in Tims Arme. Beruhigend fuhr er ihr mit der Hand über den Rücken.

„Sscchhtt Abby, alles wird wieder gut.“

„Warum sagst du das, wenn du selbst nicht daran glaubst?“, fragte sie ihn unter Tränen.

„So ist das nicht“, kam es von ihm. „Ich glaube fest daran dass Tony wieder aufwacht.“ Tim legte ihr einen Finger unter das Kinn und hob ihr Gesicht hoch, so dass er ihr in die Augen schauen konnte. „Komm. Lass uns zurück zum Hauptquartier fahren. Die Mittagspause ist schon lange vorbei und wir haben noch einiges zu tun.“

„Ja, du hast recht, wir sollten Gibbs‘ Laune nicht zu sehr strapazieren. Mit ihm ist in den letzten Tagen eh nicht viel los.“

~~~***~~~

Gibbs saß alleine im Büro und schaute mit gerunzelter Stirn auf die verwaisten Arbeitsplätze. So konnte es nicht mehr lange weiter gehen. Es war einfach zu viel Arbeit, für zu wenig Leute. Dazu kam, dass im Moment jeder machte, was er wollte. Und er hatte momentan nicht die Kraft seine Leute zur Ordnung zu rufen. Tim und Abby verbrachten jede Mittagspause in der Klinik bei Tony und dabei wurden die Pausen von Tag zu Tag immer länger. Ziva hatte sich für unbestimmte Zeit beurlauben lassen. Und selbst Ducky und Palmer, wechselten sich an den Abenden ab. Und er selber und Tabitha, verbrachten ebenfalls viel Zeit an Tonys Bett. Resigniert stützte er die Ellenbogen auf die Schreibtischplatte und legte den Kopf auf die Hände, in dem Moment schellte das Telefon.

„Ja“, blaffte er in den Hörer. Aufmerksam hörte er zu und schrieb sich die markanten Punkte auf. „Ja, wir kommen“, sagte abschließend und legte auf. „Wir kommen“, murmelte er und gerade in dem Moment ging die Fahrstuhltür auf und gab Abby und Tim frei.
„Mitkommen“, knurrte er den jungen Mann an, und über die Schulter rief er der völlig verblüfften Abby zu: „Sag Ducky und Palmer, sie sollen den Van mitbringen. Toter Marine am Washington Monument.“

Damit schmiss er Tim den Autoschlüssel zu und verschwand im Aufzug. Er würde mit Vance sprechen müssen. Sie waren unterbesetzt und gedanklich nicht bei der Sache. Vielleicht würde er für alle einen kleinen Urlaub heraus handeln können.

 

 

 

12. Kapitel

Wieder zogen drei Tage ins Land. Drei Tage in denen sich Tonys Zustand weiter besserte, doch er wachte nicht auf. Egal wer an seinem Bett saß und mit ihm sprach, nie erhielten sie eine Reaktion. Ziva verbrachte mehr Zeit im Krankenhaus als zu Hause bei ihren Kindern. Auch jetzt saß sie wieder an seinem Bett, hielt seine Hand und machte sich Gedanken wie es weiter gehen sollte. Vielleicht war es wirklich an der Zeit die Kinder mitzubringen. Bisher hatte sie sich immer davor gescheut. Um Dillan machte sie sich die wenigsten Sorgen, aber Milena? Sie war nicht mehr das kleine Kind, das alles wieder vergaß.  Mia hatte in ihrem kurzen Leben schon so viele Grausamkeiten erlebt, das es Ziva das Herz brechen würde, wenn die Kleine diese Bilder nicht mehr aus ihrem Kopf bekäme. Außerdem machte sich die Kleine sowieso schon die schwersten Vorwürfe. Aber sie sah langsam keinen anderen Weg mehr und vielleicht war es wirklich an der Zeit, die Kinder mitzubringen.

~~~***~~~

Als Dr. Mike Weiss das Zimmer seines Patienten betrat, herrschte auf der Intensivstation noch morgendliche Stille. Langsam kam er ans Bett, rückte die Nasensonde zurecht und überprüfte den Sättigungsgrad der Blutgase. Auch wenn sie den Tubus schon vor Tagen entfernt hatten, so wurde der Patient aufgrund einer Lungenvorerkrankung, auch weiterhin mit Sauerstoff versorgt. Die Infusionslösung tropfte kontinuierlich in die Vene und auch die Operationswunde sah gut aus. Es wäre für ihn ein Leichtes gewesen jetzt den Nachtbericht auszufüllen und den Patienten der diensthabenden Krankenschwester zu überlassen, doch aus irgendeinem Grund fühlte er sich diesem Mann verbunden. Mit einem Seufzen auf den Lippen setzte er sich auf den Stuhl, wo sonst immer der Besuch saß.

~~~***~~~

Intensivschwester Susan betrat mit gewohntem Schwung Tonys Zimmer und stutzte überrascht, als sie Dr. Weiss zusammengekauert neben dem Bett sitzen sah. Sie war es mittlerweile gewohnt Ziva an der Stelle sitzen zu sehen, aber mit ihrem Boss hatte sie nicht gerechnet.

„Doktor Weiss?“

Überrascht drehte er den Kopf in ihre Richtung und stand auf. „Ahh Susan. Mr. DiNozzo ist Ihr Patient?“

Sie lachte ihn verschmitzt an, während sie den Wagen mit dem Verbandsmaterial in Position stellte. „Ja. Wir haben geknobelt und ich habe gewonnen.“

Verständnislos sah er sie an. „Was haben Sie gewonnen?“

„Das ich mich um ihn kümmern darf“, gab sie mit einem Augenzwingern zurück. „Er ist hier so etwas wie eine kleine Berühmtheit. Immerhin hat er ein Kind gerettet. Alle Schwestern wollten sich um ihn kümmern. Und da kamen wir auf die Idee mit dem Knobeln.“

Lächelnd schüttelte Mike den Kopf. „Na dann ,Susan, will ich Sie nicht länger von Ihrer Arbeit abhalten“, sagte er und reichte ihr die Krankenakte. „Er hatte übrigens eine ruhige Nacht.“ Noch immer grinsend verließ er das Zimmer und lief im Flur genau Ziva in die Arme.

„Guten Morgen Mrs. DiNozzo“, sagte er und eine leichte Röte zog über seine Wangen, als er in ihre braunen Augen sah.

„Auch Ihnen einen guten Morgen, Dr. Weiss.“ Beunruhigt versuchte sie an ihm vorbei in Tonys Zimmer zu sehen. „War etwas mit meinem Mann?“

„Nein, nur die morgendliche Routine. Seine Werte sind in Ordnung. Machen Sie sich keine Sorgen.“ Er konnte hören, dass seine Stimme nicht die gewohnte Festigkeit hatte und er konnte spüren dass seine Handflächen nass wurden. Er war dieser Frau, die er nicht haben konnte, grenzenlos verfallen. Und er fühlte sich in ihrer Gegenwart, in seine Teenagerzeit zurück versetzt.

„Gut, dann werde ich jetzt einmal..“

Jetzt oder nie, dachte sich Mike und wagte sich etwas weiter vor. Sein Magen zog sich krampfhaft zusammen und in seinem Bauch flogen Schmetterlinge um die Wette. „Die Schwester ist gerade bei ihm. Was halten Sie davon, wenn wir in der Zwischenzeit in der Cafeteria einen Kaffee trinken gehen?“

Ihr Blick war zweifelnd, aber nicht unfreundlich und er schöpfte etwas Hoffnung, bevor Ziva diese mit wenigen Worten wieder zunichte machte.

„Gibt es etwas, das Sie mir sagen wollen?“

„Nein...nein...“, stammelte er.

„Dann möchte ich Ihr Angebot ablehnen. Mein Mann erwartet mich.“ Mit diesen Worten drehte sie sich zur Zimmertür um, bleib dann aber wieder stehen. „Spricht irgendetwas dagegen, wenn ich morgen die Kinder mitbringe?“

„Nein.“ War alles was er darauf erwiderte. Dann sah er ihr nach, wie sie das Intensivzimmer betrat und aus seinem Blick verschwand. „Tja, Mike alter Junge, das war ja wohl nichts“, sagte er resigniert und strich sich durch die Haare. „Das Spiel geht an dich schöne Frau.“

~~~***~~~

Pause, endlich hatten sie Pause. Mit langen Schritten erreichte Milena den verabredeten Treffpunkt auf dem Schulgelände. Taljah, ihre Freundin aus Kindergartenzeiten und auch die Nichte ihrer Mommy, saß schon auf dem Mäuerchen und hatte ihre Lunchbox auf den Knien. Als sie ihre Freundin sah, hielt sie ihr die Box entgegen.

„Hier, willst du auch eins?“

Skeptisch sah Mia sich den Inhalt an. „Das sieht aber sehr gesund aus. Was ist denn das?“

„Brokkoli und Gurkensticks. Meine Mom hat sie heute Morgen ganz frisch geschnitten.“

„Ne, lass mal“, sagt Mia und setzte sich neben Tali auf die Mauer. „Ich hab auch was mit.“ Schwungvoll öffnete sie ihre Box und zeigte die dick mit Erdnussbutter bestrichenen Sandwichs.

Taljah rümpfte die Nase. „Bahhhhh, wie kannst du nur immer so etwas essen? Irgendwann wirst du noch ganz dick werden.“

Milena grinste und biss herzhaft in ihr Brot. „Mhmm das ist aber lecker.“

„Das hat aber nicht Tante Ziva gemacht, oder?“ Taljahs Nase war immer noch kraus.

„Ne, das macht mir Tante Tabby. Sie mag es auch gerne süß.“ Genüsslich biss sie wieder in das triefende Sandwich.

„Das ist ungesund“, murmelte Tali, aber ihr Blick war schon wieder abgelenkt.

In einiger Entfernung stand ein Junge, der angestrengt in ihre Richtung sah. Plötzlich war ihr Lunch vergessen. Neugierig starrte sie zurück, bemerkte aber schnell, dass der Junge für sie kein Auge hatte, sondern sich voll auf Milena konzentrierte.

„Hey“, sagte sie. „Kennst du den?“

„Wen?“, fragte Mia mit vollem Mund und ein durchgekautes Bröckchen Brot entwich ihrem Mund und platschte auf ihre Schuluniform.

Sofort verzog Tali ihr Gesicht. „Igitt. Das ist ekelhaft.“

„Was denn? Das?“, fragte Milena und wischte mit der freien Hand den nassen Krümmel weg. „Besser?“

Tali nickte und deutete wieder auf den Jungen. „Den da. Kennst du den?“

„Ne, nicht das ich wüsste. Du?“

Taljah stöhnte und rollte mit den Augen. „Dann hätte ich dich wohl kaum gefragt.“

Mit zuckenden Schultern widmete sich Milena wieder ihrem Lunch. „Vielleicht ist er aus unserer Parallelklasse?“

„Ne“, maulte Tali. „Dafür ist er zu alt. Schau doch, er ist mindestens zwei oder auch drei Jahre älter als wir.“

„Meine Güte, wahrscheinlich holt er nur seinen Bruder oder so, hier ab.“ Wieder biss Mia in ihr Sandwich und schmatzte dabei genüsslich.

„Er schaut aber immerzu dich an.“

„Mich?.“ Zum ersten Mal sah die kleine DiNozzo in seine Richtung. „Ich hab aber keine Ahnung warum.“

Taljah schob sich ein Gurkenstückchen in den Mund und kaute kräftig drauf los. „Also ich glaube ja, er findet dich klasse.“

Angewidert ließ Mia ihr Brot sinken. „Aber Tali, das ist doch ein Junge.“

„Na und“, erwiderte der kleine Lockenkopf, doch ihre Freundin schüttelte sich noch immer am ganzen Körper.

„Jungen“, wieder schüttelte sie sich. „Das ist ekelig.“

„Irgendwann nicht mehr. Tante Ziva mag doch auch deinen Daddy.“ Plötzlich stockte sie und sah Mia fragend an. „Gibt es was neues von Onkel Tony?“

Langsam ließ Mia ihr Brot sinken. Schlagartig war ihr Appetit erloschen. „Er schläft immer noch.“

„Er wacht nicht auf?“

„Nein, Mommy sagt, das das Koma heißt.“

„Was passiert, wenn er nicht mehr aufwachen will?“

„Dann bin ich schuld.“ Kam es traurig von Milena. „Ich ganz alleine.“

„Oh Mia, sag doch so etwas nicht. Es war doch ein Auto und nicht du.“ Unsicher sah sie zu der kleinen DiNozzo herüber. Kurz überlegte sie über ihren Schatten zu springen und ihre Freundin in den Arm zu nehmen, doch sie hatte es nicht so mit großen Gesten, darum legte sie ihr einfach nur die Hand auf die Schulter.

„Nicht traurig sein, Onkel Tony wacht schon wieder auf, du wirst...“ Weiter kam sie nicht, da der Pausengong ertönte. „Oh, wir müssen uns beeilen. Wir haben uns letztens erst einen Tadel fürs Zuspätkommen eingefangen“, sagte Tali, klappte ihre Lunchbox zu und zog Milena mit sich nach oben. Hand in Hand eilten die beiden Mädchen zum Eingang. Kurz davor, blieb sie noch einmal stehen und sah über ihre Schulter, doch der Junge der sie die ganze Zeit beobachtet hatte, war verschwunden.

~~~***~~~

Er hörte Stimmen, konnte sie aber nicht greifen. Er schwamm, schwamm in einer Brühe aus Nebel oder Wolken. Sein Herz klopfte unangenehm und es war ihm unmöglich sich zu bewegen. Wo war er? Wer war er? War das überhaupt noch sein Leben? Fragen zuckten durch seinen Kopf, fanden aber keine Antwort. Der Nebel lichtete sich etwas und er konnte spüren, dass er nicht alleine war. Stimmen. Wieder hörte er Stimmen, verwirrend, aber bekannt. Doch bevor er diesen habhaft werden konnte, zog der Nebel wieder auf und alles, auch seine Empfindungen, verdunkelten sich.

 

 

 

13. Kapitel

Ziva saß schon einige Zeit vor Gibbs‘ Haus im Auto. Ihr fehlte einfach die Kraft sich zu bewegen, sich dem normalen Leben zustellen. Sie hatte ihre Augen geschlossen und den Kopf auf den Händen, am Lenkrad liegen. Ihre offenen Haare fielen wie ein Vorhang vor ihr Gesicht. Sie war dankbar, dass ihre Ankunft im Haus noch nicht bemerkt worden war. Sie wollte nicht dass die Kinder sie so sahen. Immerhin war sie die Starke, sie war für die Beiden der einzige Fels, an den sie sich klammern konnten. Sie war Ziva David. Mutter, Ehefrau, Bundesagentin und Tochter von Eli David, dem Mossad Direktor. Doch von all dem, spürte sie im Moment nichts. Eine völlige Leere hatte von ihr Besitz ergriffen.

Sie durfte jetzt nicht zusammenbrechen. Sie musste stark sein - für ihre Familie und für sich. Schwerfällig hob sie den Kopf und warf einen Blick in den Innenspiegel. Nicht zum ersten Mal fielen ihr ein paar neue Falten auf, die sich in ihr Gesicht geschlichen hatten. Ihre Wangenknochen hoben sich wesentlich deutlicher hervor als noch vor ein paar Tagen und ihre Haare wirkten stumpf und farblos. All diese Anzeichen zeugten von dem wenigen Schlaf den sie im Moment bekam. Sie war Tabitha so dankbar, dass sie sich um die Kinder kümmerte, denn die Tage verbrachte Ziva an Tonys Seite und die Nächte lag sie meist grübelnd in ihrem schmalen Gästebett.

Seit Tagen schob sie schon einen gewissen Anruf vor sich her. Lange würde sie nicht mehr warten können. Sie musste Tonys Vater Bescheid geben, dass sein Sohn schon seit fast zwei Wochen im Koma lag. Sie wusste nicht wie ihr Schwiegervater diese Nachricht aufnehmen würde, aber sie wusste dass ihm sein Herz immer mehr Probleme bereitete und sie hatte Angst einen erneuten Anfall auszulösen.

Als die Fahrertür aufging, zuckte sie überrascht zusammen.

„Gibt es Probleme?“, hörte sie die markante Stimme ihres Bosses. „Tony?“ Sein Gesicht  war ausdruckslos, aber seine Augen sprachen eine vollkommen andere Sprache.

Fahrig strich sich Ziva über die Augen und schob mit der anderen Hand ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Nein“, sie schenkte ihm den Ansatz eines Lächelns. „Nein, es geht ihm gut.“ Als die Worte heraus waren, merkte sie erst wie seltsam sie sich anhörten. „Ich meine natürlich, es geht ihm den Umständen entsprechend gut.“ Wieder verstummte sie abrupt. Verzweiflung machte sich in ihr breit. Die richtigen Worte wollten ihr einfach nicht einfallen. Ihre Stirn legte sich in Falten und sie setzte zu einem erneuten Versuch an. „Nein, was ich meine ist... ist...“, plötzlich brach ihr sorgsam errichteter Damm und der Zusammenbruch kam so schnell, das sie ihm völlig hilflos ausgeliefert war. Ein Schluchzen entrann ihrer Kehle und in ihren Augen konnte Gibbs die Hoffnungslosigkeit lesen.

Schnell hatte er sie aus dem Wagen und in seine Arme gezogen. Beruhigend führen seine Hände über ihren Rücken, während sie an seiner Schulter weinte.

„Lass es raus. Es ist einfacher, wenn du es nicht immer unterdrückst“, flüsterte er in ihr Ohr. „Also, was ist passiert?“

Noch immer an seiner Brust gelehnt, schüttelte sie ansatzweise den Kopf. „Nichts Neues und ich denke, das ist es was mich fertig macht. Immer nichts Neues. Jeden Tag habe ich die Hoffnung, doch jeden Tag werde ich enttäuscht. Ich weiß nicht wie lange ich das noch aushalte.“

Gibbs zog sie noch fester an sich, doch erwidern konnte er nichts, denn auch er litt unter dieser Aussichtslosigkeit. Und alles, was er zu ihrer Beruhigung hätte sagen können, wären Floskeln gewesen. Also hielt er sie, ließ sie weinen und gab ihr alles an Ruhe und Kraft, was er noch hatte. Nach einigen Minuten wurde sie ruhiger und um sie besser ansehen zu können, schob er sie etwas von sich weg.

„Ich kann nicht ins Krankenhaus stürmen und ihn aufwecken, aber ich kann dir etwas anderes sagen...“ Zärtlich drückte er ihr einen Kuss auf die Stirn. „Du ist nicht alleine. Wir stehen das gemeinsam durch. Und jetzt komm rein, du musst unbedingt etwas essen. Du kannst ihm nicht helfen, wenn du krank wirst.“

Ziva schenkte ihm ein halbherziges Lächeln, folgte ihm aber ins Haus.

~~~***~~~

Abby stampfte mit dem Fuß auf. Ihre Rattenschwänze flogen auf und ab. Ihre Augen blitzten die Krankenschwester böse an.

„Warum kann ich den Ipod nicht mit ins Zimmer nehmen? Da stehen doch auch andere Geräte drin und da ist Tonys Lieblingsmusik drauf. Sie würde ihm bestimmt helfen aufzuwachen.“ Wütend hatte sie ihre Arme vor der Brust verschränkt.

„Miss“, sagte die Schwester mit einem Seufzen. „Wie oft soll ich es ihnen noch erklären? Sie befinden sich hier auf einer Intensivstation. Sie können keine nicht desinfizierten Geräte in sein Zimmer mitnehmen. Sie würden ihn nur noch kränker machen.“

Abby schnaubte. „Sie wollen nur nicht...“

„Ich denke das reicht jetzt.“ Donnerte eine Stimme hinter ihr, durch den fast leeren Flur.

Schnell wie eine zuckende Natter drehte sich die Labormaus um und fixierte ihren neuen Feind, bis sie ihren Boss erkannte.

„Gibbs, endlich. Diese Frau hier“, sagte sie und deutete mit dem Finger auf die Krankenschwester. „Will mich nicht zu Tony lassen.“ Ihre Augen zogen sich zusammen und sie warf der Schwester einen vernichtenden Blick zu.

„Doch ich denke schon, nur halt ohne dein Musikteil da. Und was soll Tony überhaupt damit?“, fragte er seine Labortechnikerin, fasste sie an den Händen und zog sie etwas von der Krankenschwester weg. Sicher war sicher. Immerhin kannte er Abbys aufbrausendes Gemüt. Mit der anderen Hand, gab er der Schwester ein Zeichen, sich unauffällig zu entfernen, was sie auch aufatmend tat.

„Sie sagen doch dass wir mit ihm reden sollen, da dachte ich auch Musik wäre schön.“ War sie gerade noch zum Kampf bereit gewesen, so war ihre Gemütsauffassung jetzt gekippt und leichte Tränen liefen über ihre Wangen.

„Vielleicht reicht es auch wenn du ihm etwas vorsingst?“

Allein der Gedanke entlockte ihr ein Kichern. „Nein, ich glaube das lasse ich lieber. Nachher vertreibe ich ihn noch mehr.“

Grinsend legte er ihr einen Arm um die Taille und zusammen betraten sie das Zimmer.

~~~***~~~

Sein Verstand arbeitete, aber sein Körper ließ eine Bewegung nicht zu. Egal wie sehr er sich auch anstrengte, es war ihm nicht möglich sich zu regen. Er konnte hören, aber nicht sehen. Er konnte fühlen, aber nicht reagieren. Er war gefangen, in einem toten Körper.

~~~***~~~

Milena schluckte nervös, als sie vor der Tür zu dem Zimmer ihres Vaters standen. Sie und ihr kleiner Bruder waren ebenso wie ihre Mommy in Kitteln gekleidet. Wobei es keine Kindergrößen gab, was etwas seltsam aussah. Dillan klammerte sich an Zivas Hals und auch Mia suchte ihre Nähe und hielt sie an der Hand gefasst.

„Bist du bereit?“, fragte Ziva ihre Stieftochter.

Mia nickte ihr zu und schloss kurz die Augen, dann folgte sie ihrer Mommy in den abgedunkelten Raum.

Kaum waren sie im Zimmer, konnten sie die Geräte hören, das stetige Piepen und Pfeifen. Langsam gingen sie auf das Bett zu.

„Er sieht nicht aus, als wenn er nur schläft. So schläft er doch nie, oder?“ Verwirrt sah sie Ziva an.

„Er liegt im Koma, Schatz. Das ist ein etwas anderer Schlaf. Er ist tiefer und lässt ihn nicht aufwachen.“

„Darf ich ihn anfassen?“, fragte Mia.

„Klar“, sagte Ziva und ihr Herz wurde schwer, als sie die Qual in Milenas Augen sah.

„Hey Daddy“, sagte Mia und streichelte dabei seine Hand. „Dillan und ich vermissen dich. Kannst du nicht bitte wieder zurückkommen? Ich werde auch ab jetzt immer lieb sein. Ich verspreche es.“ Ihr flehender Blick traf auf Zivas. „Er hört mich nicht. Vielleicht sollte es Dillan mal versuchen?“

Ziva sah ihren Sohn an, der sein Gesicht an ihren Hals drückte. „Dillan?“, fragte sie und versuchte ihn auf Tonys Bett zu setzen, doch der Kleine machte sich stocksteif und fing laut an zu zetern.

„Nicht Daddy!“ Ängstlich sah er seine Mutter an. „Teddy?“, fragte er und steckte seine kleinen Hände aus.

„Gleich mein Schatz“, kam es von seiner Mommy. „Dein Teddy wartet bei unseren anderen Sachen.“

„Gehen?“, fragte er wieder.

„Ja“, sagte Ziva und auch ihr Gesicht was schmerzhaft verzogen. „Ja, komm Mia, das war keine gute Idee. Wir gehen“, sagte sie unter Tränen.

Milena stand immer noch am Bett ihres Vaters und hielt seine Hand. Alles an ihm war vertraut. Warum sah das Dillan nicht? Warum verweigerte er sich nur so? Mit einem Seufzer auf den Lippen, legte sie seine Hand zurück aufs Bett, dann zog sie sich ein Stück hoch und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Ich liebe dich, Daddy.“

„Kommst du?“, rief Ziva leise in den Raum, nachdem sie bereits an der Tür stand.

„Ja“, murmelte Mia, winkte ihm noch einmal zu und lief zur Tür.

~~~***~~~

Ziva? Nein, ein Kind weinte. Daddy? War er ein Daddy? War das seine Bestimmung? Vater sein? Hatte er ein Kind, oder zwei? Er konnte die Stimmen nicht auseinander halten, zu stark war das Piepen und Pfeifen, das an seine Ohren drang und jegliche Geräusche abschwächte. Ich liebe dich, Daddy. Das hatte er bewusst gehört. Ich liebe dich auch, formte sein Gehirn - Wörter die er nicht aussprechen konnte. Ich liebe dich auch, meine Principessa.

~~~***~~~

Vance stand auf dem oberen Flur und sah zu Gibbs verwaisten Bürobereich. Es war etwas unvorbereitet passiert, aber er hatte es kommen sehen. Seit DiNozzos Unfall, waren alle Teammitglieder nicht mehr wirklich bei der Sache. Da war der unbezahlte Urlaub, um den Gibbs für sie gebeten hatte, wirklich die beste Entscheidung gewesen. Was gab es schlimmeres als unaufmerksame Bundesagente? Nein, der Urlaub würde ihnen allen gut tun. Und ein stummes Gebet für DiNozzo konnte auch nicht schaden. Er mochte den Agent nicht besonders, aber so ein Schicksal wünschte er ihm auch nicht.

 

 

 

 


14. Kapitel

Susan hatte heute die erste Schicht. Es war morgendliche Routine. Die Übergabe von der Nachtschwester, Wasser aufsetzen, den Verbandswagen neu bestücken und schon konnte sie sich ihrem ersten Patienten widmen. Schnell und zügig betrat sie das Intensivzimmer.

„Hallo Tony, wie war die Nacht? Ich hoffe gut.“ Während sie sich weiter mit ihm unterhielt, überprüfte sie Instrumente, tauschte diverse Beutel und erneuerte die Infusionen. Sie tauchte gerade einen Waschlappen in die mitgebrachte Schüssel, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung sah. Alarmiert schaute sie zum Bett, konnte dann aber nichts ausmachen. Enttäuscht, wendete sie sich wieder ihrer Arbeit zu, doch gerade als sie ihm die Decke wegziehen wollte, sah sie es wieder. Es war seine Hand, die sich bewegte. Susan ließ die Decke fallen und kam zum Bett.  „Mach es noch einmal“, sagte sie leise und starrte seine Hand an und wieder zuckte sie. Ihr Gesicht hellte sich auf und sie schenkte ihm ein Lächeln. „Jetzt nicht wieder einschlafen, hörst du? Schön wach bleiben, ich hol nur schnell einen Arzt“, sagte sie und rannte auch schon aus dem Zimmer.

~~~***~~~

Dr. Mike Weiss leuchtete mit seiner Taschenlampe in Tonys Augen. Zufrieden sah er wie die Pupillen reagierten. Endlich. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern. Das EEG, das er in Auftrag gegeben hatte, zeigte ansteigende Werte. Er würde aufwachen und wenn alles gut ging, schon in den nächsten Stunden.

„Ich denke, es ist an der Zeit seine Familie zu verständigen“, sagte er und schnalzte mit der Zunge und Susan reichte ihm lächelnd das Telefon.

~~~***~~~

Es war noch früh am Morgen, doch Ziva lag schon eine gefühlte Ewigkeit wach. Nach ihrem gestrigen Zusammenbruch hatte Ducky, den Gibbs noch zu Rate gerufen hatte, ihr einen Tag Ruhe und viel Schlaf verordnet. Doch der Schlaf war ausgeblieben und so hatte sie heute Morgen den Klängen des Hauserwachens gelauscht. Mehrfache Kinderstimmen waren an ihr Ohr gedrungen, bis sie von Gibbs‘ tiefer Stimme zur Ruhe gerufen wurden. Mittlerweile war es aber wieder ruhig im Haus. Milena war schon zur Schule unterwegs und die beiden Kleinen hatte Tabby zum Kindergarten gebracht. Wahrscheinlich würde Gibbs jetzt am Frühstückstisch sitzen, in aller Ruhe seinen Kaffee trinken und eine Zeitung lesen.

Noch einmal drehte sie sich versuchsweise auf die andere Seite und schloss ihre Augen. Sie war so müde, aber sie fand einfach keine Ruhe. Vielleicht sollte sie aufstehen und ins Krankenhaus zu Tony fahren. Die einzigen Stunden, in denen sie immer gut schlief, das waren die Stunden die sie an seinem Bett einschlief.

Das Schellen ihres Handys ließ sie aufschrecken. Schnell richtete sie sich auf und griff nach ihrer Tasche. Oh Gott, dachte sie. Hoffentlich ist nichts passiert. Angst schnürte ihr die Kehle zu, als sie endlich ihr Telefon in den Händen hielt.

„DiNozzo?“, meldete sie sich und lauschte in den Hörer.

„Hallo Mrs. DiNozzo. Hier ist Dr. Weiss.“

„Dr. Weiss, was ist mit meinem Mann?“ Ängstlich schloss sie die Augen und wappnete sich der Worte die nun folgen würden.

„Beruhigen Sie sich bitte, ich wollte....“

„Dann lassen Sie sich nicht jede Larve aus der Nase ziehen“, fauchte sie ihn an.

„Ähm... Mrs. DiNozzo, ich wollte Ihnen nur sagen, das ihr Mann aufwacht. Bitte kommen Sie ins Krankenhaus.“

„Oh, das... es tut mir leid... ich wollte nicht“, stammelte Ziva, während ihr Tränen der Erleichterung die Wangen herunter liefen.

„Schon in Ordnung. Machen Sie sich keine Gedanken. Ich kann es verstehen. Und übrigens, es sind Würmer, keine Larven. Man zieht einem die Wörter wie Würmer aus der Nase“, sagte er und legte auf.

Ziva nahm das Telefon vom Ohr. Tony wachte endlich auf. Sie konnte es noch gar nicht glauben. Schnell stand sie auf und zog sich an. Sie konnte es gar nicht abwarten, es Gibbs und den anderen zu erzählen.

~~~***~~~

Gibbs war mit ihr zusammen zum Krankenhaus gefahren, denn zum Auto fahren fühlte sie sich einfach viel zu zittrig. Während Gibbs sich gerade auf den Weg zur Cafeteria gemacht hatte, saß Ziva nun seit einer Stunde an Tonys Bett und lauschte seiner Atmung. Immer wieder hatte seine Hand gezuckt und wenn Ziva sie drückte, erwiderte er den Druck, wenn auch nur sehr schwach. Alle fünfzehn Minuten kam eine Schwester und sah nach dem Rechten, doch bisher hatte sich noch nicht viel getan, doch das sollte sich in den nächsten Minuten schlagartig ändern.

~~~***~~~

Während Mia auf einer kleinen Mauer saß und darauf wartete, dass ihre Tante sie endlich abholte, kam der blonde Junge vom Pausenhof, auf sie zu.

„Hey“, sagte sie etwas zaghaft, als er genau vor ihr stehen blieb. „Ich hab dich hier noch nicht häufig gesehen. Ich bin übrigens Milena, aber alle nennen mich nur Mia“, teilte sie ihm mutig mit.  

„Hallo Mia, ich bin William, oder Will, wenn du magst“, kam es von ihm und er streckte ihr lächelnd die Hand zur Begrüßung entgegen. „Ja, meine Mama und ich sind erst vor kurzen hierhin gezogen. Ich bin neu an der Schule.“

Etwas verwundert ergriff Milena seine Hand. So ein Verhalten unter ihresgleichen war ihr fremd und unheimlich. So verhielten sich in ihren Augen nur Erwachsene. Neugierig musterte sie ihr Gegenüber, doch seine Augen blickten sie freundlich an.

„Oh“, macht Mia plötzlich. „Da kommt meine Tante. Ich muss jetzt los. Bis zum nächsten Mal“, sagte sie noch schnell und rannte dem Wagen entgegen.

William blickte mit versteinerten Gesicht dem Auto nach und überlegte angestrengt wie er das Vertrauen des Mädchen erlangen konnte und was er davon seiner Mutter erzählen sollte..

~~~***~~~

Tony lag still da. Alles war dunkel. Er konnte Geräusche hören, Geräusche die ein verwirrendes und erschreckendes Getöse waren. Er blinzelte, versuchte die Augen zu öffnen. Es gelang ihm nicht. Es war wie all die anderen Male, doch diesmal würde er nicht wieder so schnell aufgeben.

„Tony?“

Er hörte ihre Stimme, die von irgendwo aus der Dunkelheit zu ihm drang. Ziva, seine Ziva. Sie war alles an das er im Moment denken konnte. Er brauchte sie so sehr...... Wieder versuchte er die Augen zu öffnen. Seine Lieder zuckten. Es kostete so viel Energie....

Er hörte wieder ihre Stimme, die ihm gut zuredete, seinen Namen flüsterte. Tony kämpfte darum die Schichten aus Nebel und Dickicht, die sich um ihn ballten, beiseite zu schieben. Schließlich öffnete sich ein Auge langsam und Licht traf ihn, ließ ihn wieder enteilen, den tröstenden Schatten zu.

„Komm schon Tony, öffne deine Augen.“

Langsam und zögernd versuchte er es wieder und fand sie neben sich stehen, ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt.

Mühsam versuchte er sich zu erinnern, wo er war und warum er hier war. In dem Moment in dem er seine Augen wieder schloss, war plötzlich alles wieder da.

„Dillan...?“, flüsterte er mit einer krächzenden, brüchigen Stimme, die er kaum wiedererkannte. Sein Körper war schwach und wollte ihm nicht gehorchen. Panik überkam ihn. Zittrig schob er den einzig funktionierenden Arm nach Ziva aus und ergriff dankbar ihre kleine, aber feste Hand. Bereit sich dem Unfassbaren zu stellen. Er zwang seine Augen wieder auf und starrte zu Ziva. Tony konnte spüren, wie die Tränen über seine Wangen rannen. Aber es war ihm egal.

„Was ist passiert?“, wisperte er wieder.

„Es geht ihm gut. Er ist gesund, hörst du? Denk jetzt nicht mehr daran. Entspann dich einfach. Du musst dich jetzt auf dich konzentrieren. Du musst gesund werden.“

Ziva streichelte die eine Seite seines Gesichtes und es fühlte sich gut an, so gut, dass es wenn es nach ihm ginge, nie aufhören müsste. Wieder schloss er die Augen und schüttelte ansatzweise den Kopf. Wieder wollte er etwas zu ihr sagen, aber er wusste nicht mehr was. Was?

Die Dunkelheit kehrt wieder, streckte ihre Finger nach ihm aus und wollte ihn zurückziehen, in diesen dunklen Korridor. Doch noch war Tony nicht soweit. Noch hatte er die Kraft zum Kämpfen.  

„Du wirst gesund werden, Tony. Alles wird wieder gut“, kam ihre Stimme wieder - tröstend und beruhigend. „Mach dir keine Sorgen. Wir schaffen das.“

Schwerfällig drehte er seinen Kopf auf die Seite, spürte wie das Kissen unter ihm nachgab und sah zu den nervenden, piepsenden Geräten. Für ein paar Sekunden konnte er nicht richtig sehen, dann stellte sich sein Blick scharf und er sah ein wenig der Herzlinie zu die regelmäßig und im Rhythmus auf und ab hüpfte. Tony spürte wie die Medikamente durch seinen Blutkreislauf wirbelten, seine Bewegungen lähmten, sein Sehvermögen beeinträchtigten und jede Faser seines Körpers erfassten.

„Entspann dich Tony. Ich liebe dich.“

Das letzte was er spürte war, das sie seine Hand drückte, seine tränennasse Wange streichelte und ihm zärtlich auf dem Mund küsste, dann ergab er sich wieder der Dunkelheit.

 

 

 

 

15. Kapitel


Da er Ziva und Tony etwas Privatsphäre lassen wollte, hatte sich Gibbs abseits von dem großen Sichtfenster hingesetzt. Seine Hand spielte mit einem leeren Kaffeebecher und er überlegte gerade, ob er sich noch einen neuen holen sollte, als die Tür zu Tonys Zimmer aufging und eine müde, aber glücklich lächelnde Ziva heraus kam.

„Und?“, fragte er schon, während er aufsprang und ihr entgegen eilte.

„Er ist gerade aufgewacht.“

„Kann er...“, versuchte Gibbs zu fragen, aber Ziva fiel ihm ins Wort.

„Ja“, kam es von ihr glücklich. „Er kann sich an alles erinnern und hat sogar als erstes nach Dillan gefragt.“

Mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung fuhr sich Gibbs durchs Haar. Das war seine größte Sorge gewesen. Nur zu gut konnte er sich an seine eigene Zeit nach dem Koma erinnern, als er völlig desorientiert und mit fehlenden 15 Jahren aufgewacht war.  Plötzlich spürte er ihre Hand auf seinem Arm.

„Er schläft jetzt wieder, aber wenn du kurz zu ihm willst, ich kann warten.“

Gibbs zog Ziva kurz an sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, dann drehte er sich um und ging mit großen Schritten auf Tonys Zimmer zu.

~~~***~~~

Tabitha saß auf ihrer Terrasse und beobachtete die beiden kleinen Jungen beim Spielen. Dillan hatte alle Autos, die er finden konnte, zusammen getragen und diese mit Cam mehr oder weniger akkurat „eingeparkt“.  Jetzt spielten sie irgendein Fahrspiel, das wahrscheinlich nur für die Beiden selber zu verstehen war. Seit Dillan die Tage und auch die Nächte mit Cameron verbrachte, schlief ihr Kleiner auch durch. Tab genoss das stressfreie schlafen und ihre neu gewonnene Freiheit. Sie hoffte nur, dass das auch nach Zivas Auszug immer noch so bleiben würde. Denn die junge Familie konnte ja nicht immer bei ihnen im Gästezimmer wohnen, zumal Tony kurz davor war aufzuwachen.

„Bumm“, machte Dillan in dem Moment und crashte sein Auto mit Camerons zusammen, was dieser mit einem lauten Quiecken begleitete. „Alle kaputt.“

Tab blickte auf. Hatte sie das gerade richtig verstanden? Was spielten die Beiden da eigentlich? Neugierig, aber leise um die beiden Jungen in ihrem Spiel nicht zu stören, kam sie auf sie zu und hockte sich neben Dillan ins Gras. Während sie mit einer Hand verhinderte, das ihr Sohn sich das „kaputte“ Auto in den Mund steckte, sagte sie zu Dillan: „Was ist da gerade kaputt gegangen?“

Der kleine Junge, mit dem dunklen Lockenkopf, sah sie an, nahm ihr Camerons Auto aus der Hand und sagte mit fester Stimme: „Daddy.“ Dann drehte er sich wieder um, brummelte Cameron etwas zu und das Baby folgte ihm auf dem Fuß.

Tabithas erste Reaktion war, ihnen nachzugehen, aber dann entschied sie sich dagegen. Bisher hatte sie angenommen, das Dillan den Unfall nicht nur gut überstanden hatte, sondern sich auch an nichts mehr erinnern konnte. Aber scheinbar hatte der Kleine doch mehr behalten, als ihnen lieb sein konnte. Vielleicht waren die Erinnerungen aber auch durch den Krankenhausbesuch aufgefrischt worden. Niemand konnte das mit Gewissheit sagen, aber sie würde es Ziva sagen und Dillan in den nächsten Tagen beobachten.

~~~***~~~

Langsam betrat Gibbs das Zimmer und sah zu seinem Stellvertreter hinüber, der optisch unverändert in seinem Bett lag und schlief. Müde ließ er sich auf einen Stuhl fallen und streckte seine Beine aus. Tabitha hatte Recht, der Stress der letzten Wochen steckte ihm in den Knochen und machte ihn mal wieder auf sein Alter aufmerksam. In den letzten schlaflosen Nächten, hatte er sich so seine Gedanken über seine Pensionierung gemacht. Immer wieder hatte er an seinen Streit mit Tabby denken müssen. Seine Hand griff nach Tonys und er drückte sie leicht.

„Es wird Zeit. Es warten große Aufgaben auf dich.“ Er hatte ihm noch viel mehr zu sagen, doch das musste warten, bis Tony wieder im Vollbesitz seiner Kräfte war.

~~~***~~~

Zwei Tage später

Milena saß im Unterricht und kaute auf ihrem Bleistift. Immer wieder blickte sie zu der großen Schuluhr hoch. Jede Minute dauerte heute Stunden. Das Stillsitzen fiel ihr immer schwerer, und ihre Hand die den Stift hielt, war nicht das einzige an ihr, das sich bewegte. Ihr Endschluss stand fest. Heute würde sie es wagen. Schon seit Tagen versuchte sie den besten Zeitpunkt für ihren Ausflug zu planen. Da der heutige Schultag zwei Stunden früher endete, sah sie ihre Chance. Sie wollte gerade den Stift in ihrem Mund drehen, als sie einen Ellenbogencheck in ihrer Seite verspürte.

„Aua Tali, was sollte das denn?“, flüsterte sie ihr zu, während die Lehrerin ihnen schon böse Blicke zuwarf.

„Konzentriere dich“, zischte Taljah ihr zu.

Mia rieb sich immer noch die Seite, nickte ihr aber zu. Dann blickte sie wieder zur Uhr. Nicht mehr lange, und es würde schellen.

~~~***~~~

Tony starrte an die Decke. Es war einfach zu still hier drinnen. Diese Stille zerrte an seinen Nerven. Er wollte die Stille plötzlich durchbrechen, er wollte es herausschreien. Ich bin hier und ich lebe. Er wollte Kraft aus diesem Satz schöpfen, Freude auf dem Wissen, das seine Lunge noch Luft pumpte und das er dem Koma getrotzt hatte, aber selbst dazu war er im Moment zu schwach. So schloss er einfach die Augen und versuchte den Kopfschmerz zu ignorieren, der hinter seiner Stirn hämmerte.

Noch immer war er voll verkabelt, und da seine Sauerstoffwerte zwischenzeitlich immer mal wieder bedenklich schwankten, lag er weiterhin auf der Intensivstation und stand unter Beobachtung. Gestern, gegen Abend, war er zum ersten Mal über einen längeren Zeitraum aufgewacht und bei klaren Verstand gewesen. Dabei hatte er seinen Arzt kennen gelernt. Eigentlich hatte der Mann einen netten Eindruck gemacht, aber alleine durch seine Berufswahl war er Tony schon unsympathisch gewesen. Was gab es auch schlimmeres als Ärzte? Jedenfalls hatte ihn dieser Dr. Weiss über seinen Gesundheitszustand aufgeklärt.

Innere Verletzungen, die Lunge, mehrere gebrochene Rippen, sein Ellenbogen, die rechte Schulter, irgendwann hatte Tony aufgehört zu zuhören - hatte das ganze Arztkauderwelsch nur noch an sich abprallen lassen. Er fühlte selber, dass sein Körper noch lange nicht ausgeheilt war, auch wenn der Unfall schon zwei Wochen zurück lag. Zwei Wochen. Zwei Wochen hatte er im Koma gelegen. Zwei Wochen, die ihm fehlten und an die er sich nicht erinnern konnte.

Wenn sich seine Werte heute nicht wieder verschlechterten, dann würde er morgen auf eine normale Station verlegt werden können. Dann konnten ihn auch endlich wieder die Kinder besuchen. Bisher hatte er nur Ziva gesehen. Allen anderen Besuch hatte man aufgrund seines schlechten allgemein Zustandes nicht zu ihm gelassen.

Angestrengt versuchte er sich in eine bequemere Position zu bringen, aber sein Körper, jedenfalls der funktionierenden Teil davon, verweigerte die Mitarbeit und nach ein paar weiteren erfolglosen Versuchen, blieb er einfach so wie er war, liegen. Er war schwach. Selbst der Griff zum Plastikbecher war anstrengend - von dem Gewicht des Bechers ganz zu schweigen. Müde schloss er die Augen. Er konnte es selber kaum verstehen, aber die Müdigkeit blieb. Selbst nach zwei Wochen Koma.

Als er die Tür hörte, öffnete er seine Augen wieder.

„Hey“, sagte er leise und grinste schwach, während er Ziva fixierte.

„Hey“, kam es von ihr zurück. „Wie geht es dir heute?“

Tony hob den Kopf vom Kissen, alleine das war schon eine unglaubliche Anstrengung für ihn. „Alles bestens. Die Werte machen sich“, log er und zu Tode erschöpft, ließ er den Kopf wieder sinken.

Sofort war Ziva an seiner Seite und ihre Hand legte sich leicht an seine Wange. „Dummkopf, du musst mir nichts beweisen“, sagte sie mit einem kleinen zärtlichen Lächeln, dann beugte sie sich zu ihm herunter und gab ihn einen kleinen, leichten Kuss auf die Lippen.

Glücklich einfach nur ihre Berührung zu spüren, genoss er ihre Liebkosungen stillschweigend.

„Nein ehrlich, wenn alles so bleibt, komm ich schon morgen auf die normale Station“, kam es von ihm abgehackt und nach Luft schnappend.

„Ich weiß. Dr. Weiss hat mich heute früh schon angerufen um mir die tolle Nachricht zu überbringen“,  kam es von ihr lächelnd und während sie zu ihm sprach, räumte sie ein wenig auf seinem Nachttisch herum, stellte zwei Plastikbecher zusammen und knüllte ein Papiertuch zusammen. Sie musste einfach ihre Hände in Bewegung halten.

Irgendetwas schnürte Tony plötzlich die Luft ab und ließ ihn nach der Sauerstoffmaske greifen die neben ihm baumelte. Die Schwestern hatten ihm gestern schon die Handgriffe erklärt. Nach einem tiefen Atemzug unter Zivas besorgtem Blick, legte er sie wieder aus der Hand.

„Alles in Ordnung?“, fragte sie zaghaft.

„Wer ist dieser Dr. Weiss für dich“, fragte er plötzlich und seine Augenbrauen zogen sich zusammen.

Ziva hielt in der Bewegung inne. „Dein Arzt. Wer sonst?“ Verwundert drehte sie sich zu ihm um. „Was soll diese Frage?“

„Er war gestern Abend noch hier und hat sich vorgestellt. Dabei hat er von dir erzählt. Was für eine tolle Frau und Mutter du bist. Wie gut du das alles weggesteckt hast, den Unfall, das Koma, dazu die Kinder und dein aufregender Beruf.“ Wieder musste er nach der Sauerstoffmaske greifen um seinen Atem zu beruhigen. „Er hat regelrecht von dir geschwärmt“, keuchte er und diesmal war es Ziva die ihm die Maske auf das Gesicht drückte.

„Nichts habe ich gut weggesteckt. Ich habe geweint und gezittert. Aber jetzt ist das vorbei“, kam es leise von der Brünetten und mit einer Hand malte sie kleine Kreise auf seine Brust.

Tony zog sich die Maske herunter. „Dieser Dr. Weiss sieht gut aus, ist groß und genau im richtigen Alter. Dazu sein Beruf. Und dann sieh mich an. Ich liege wie ein alter Mann im Bett und habe noch nicht einmal die Kraft mich alleine aufzusetzen. Ich meine, ich könnte dich verstehen, also wenn du...“

Ziva zog die Finger von seiner Brust, als hätte sie sich verbrannt. „Du bist eifersüchtig, Tony“, sagte sie und boxte ihn spielerisch gegen die gesunde Schulter.

„Auuaa“, rief er leise mit einem ungläubigen Grinsen im Gesicht. „Ich bin doch nicht eifersüchtig.“

„Doch genau das bist du.“ Als er zu einer Erwiderung ansetzen wollte, hob sie einen Finger in seine Richtung. „Leg dich nicht mit mir an, du bist nicht in der Verfassung dich mit mir zu streiten“, sagte sie und presste ihm wieder die Sauerstoffmaske auf den Mund.

 

 

 

16. Kapitel

Tali sah unsicher ihre Freundin an. „Bist du sicher, dass du nicht mit uns fahren willst? Meine Mom hat bestimmt nichts dagegen, wenn sie dich nach Hause fährt.“

„Nein, lass mal. Ich kann das auch laufen. Es ist es ja nicht weit von hier aus“, antwortete ihr Milena und klang mutiger als sie sich selber fühlte.

„Bist du denn schon einmal den Weg gelaufen?“, fragte ihre Freundin wieder.

„Bisher noch nicht. Aber in den letzten Tagen schon mehrfach gefahren. Ich finde das schon.“

„Warum willst du denn nicht mit uns fahren? Oder soll meine Mom deine Tante anrufen und ihr sagen das wir zwei Stunden früher Schule aus haben?“ Skeptisch zog Tali eine Augenbraue hoch. Irgendwie war Mia schon den ganzen Tag so seltsam.

„Nein“, entfuhr es Milena heftig. Das durfte auf keinen Fall geschehen. Sie brauchte die zwei Stunden für sich und ihr Vorhaben.

Jetzt machte sich Taljah wirklich Sorgen, irgendetwas stimmt da nicht. Mia war nicht der Typ, der freiwillig lief, wenn er auch gefahren werden konnte.

„Okay, wenn es dich beruhigt, dann werde ich hier auf dem Schulhof auf meine Tante warten....“, kam es plötzlich von Milena. „...und nicht laufen.“

Alarmiert blickte Tali auf. Vorher kam diese plötzliche Einsicht. „Weißt du, ich...“, doch weiter kam sie nicht, weil ein Auto an der Straße hielt. „Da kommt meine Mom. Bist du dir sicher?“, hackte sie noch einmal nach.

„Ja, nun geh schon“, kam es von Milena lachend und sie winkte ihrer Freundin hinterher.

Am Wagen angekommen, begrüßte Tali ihre Mutter und sah noch einmal zu Mia herüber, aber die stand schon nicht mehr alleine auf dem Schulhof. Der blonde Junge, hatte sich zu ihr gesellt und unterhielt sich angestrengt mit ihr. Eine steile Falte legte sich auf Talis sonst so glatte Stirn. Irgendwie war der Typ ihr unheimlich, aber vielleicht war sie auch einfach nur eifersüchtig. Wahrscheinlich war es Mias Absicht gewesen, sie schnell los zu werden, damit sie mit ihrem neuen Freund...kurz verharrte sie und schüttelte sich innerlich... schmusen konnte, dachte sie angewidert. Beleidigt verschränkte Taljah ihre Arme vor der Brust.

~~~***~~~

Als sie mit dem Wagen an der Schule ankam, konnte sie kaum glauben, was sie da sah. Da stand sie, ganz ruhig, so als wäre es das normalste auf der Welt. Endlich. Nach all den verlorenen Wochen, lief ihr das Vögelchen jetzt ganz von alleine zu. Sie konnte ihr Glück kaum fassen.

~~~***~~~

Tabitha blickte in ihrem Rückspiegel. Gerade hatte sie die beiden Jungen aus dem Kinderhort abgeholt, jetzt war sie auf dem Weg um auch Milena an ihrer Schule einzufangen. Schnell gliederte sie sich in den fließenden Verkehr ein.  

Als sie an der Schule ankam, parkte sie den Wagen auf dem Seitenstreifen und blickte zur Uhr. Eigentlich war sie schon zehn Minuten zu spät, doch von Milena war nichts zu sehen. Ein Blick zur Rückbank zeigte ihr, dass sie beiden Kleinen mittlerweile schläfrig in ihren Kindersitzen hingen. So ein Tag im Kindergarten musste ganz schön anstrengend sein, dachte sie mit einem Schmunzeln und wartete weitere zehn Minuten, dann wurde sie nervös. Wo war nur Mia? Ob sie nachsitzen musste? Wieder warf sie den Kleinen einen Blick zu. Konnte sie es riskieren, die beiden alleine zu lassen, um in der Schule nachzufragen? Sie wollte gerade aussteigen, als sie meinte eine von Milenas Lehrerinnen zu sehen. Schnell ließ sie die Seitenscheibe herunter fahren.

„Entschuldigung“, rief sie aus dem Wagen, da ihr der Name der Frau nicht einfallen wollte.

„Ja“, sagte die Erzieherin und blickte sie fragend an. „Kennen wir uns?“

„Ähm nein, aber ich bin die Tante von Milena DiNozzo. Sind Sie nicht ihre Lehrerin?“, fragte sie und hoffte so an Informationen zu kommen, ohne die beiden Jungen zu wecken.

„Milena DiNozzo, richtig sie ist in meiner Klasse. Was kann ich für Sie tun?“

„Ich warte schon fast eine halbe Stunde auf sie. Hat sie heute länger Schule?“

„Nein, sie hatte zwei Stunden früher frei. Sie wollte mit ihrer Freundin nach Hause fahren, denn deren Mutter habe ich angerufen. Ist sie denn nicht bei Ihnen angekommen?“

„Oh, vielleicht sitzt sie ja schon auf den Stufen und wartet auf uns. Danke für die Auskunft“, kam es von Tabby und sie fuhr die Scheibe wieder hoch. Eine leichte Unruhe machte sich in ihr breit und sie hoffte nur dass Mia wirklich schon angekommen war.

~~~***~~~

Ziva blickte auf ihre Armbanduhr. So langsam musste sie sich freimachen und gehen, wenn sie noch rechtzeitig zum Essen bei Tabitha sein wollte. Außerdem hatte sie es Milena versprochen, heute etwas früher aus dem Krankenhaus zu kommen, um mit ihr zusammen für den morgigen Test zu üben. Grinsend löste sie ihre Hand aus Tonys und beugte sich über ihn.

„Ich muss jetzt los. Ich komm morgen früh wieder.“ Mit einer Hand fuhr sie ihm durch die Haare.

Schläfrig öffnete Tony die Augen und zog sich die Atemmaske vom Gesicht. „Ich lass dich nur ungern gehen, wenn ich dir nicht folgen kann“, kam es traurig von ihm und er schmiegte sich in Zivas Griff.

„Hey, ich komm ja morgen wieder.“

„Es ist hier aber so langweilig ohne dich.“

„Weißt du eigentlich, dass du die letzte Stunde geschlafen hast?“, fragte sie ihn grinsend.

Empört hob er die Augenbrauen. „Geschlafen, ich, nie.“ Doch sein Grinsen zeigte, dass es sich der Tatsache bewusst war.

„Mach dir keine Gedanken um Dr. Weiss. Ich liebe nur dich. Würde ich sonst bei dir bleiben, mein kleiner Pelzarsch?“, sagte sie und gab ihm zum Abschied einen kleinen Kuss.

Schwach hob Tony die Hand und winkte ihr zu, doch sie hatte die Tür kaum geschlossen, da war er schon wieder eingeschlafen.

~~~***~~~

Schon beim Hochfahren der Einfahrt, hielt sie nach Mia Ausschau, aber sehen konnte sie sie nicht. Tabby bremste den Wagen, sprang schnell hinaus und holte die beiden Kleinen aus ihren Sitzen. Mittlerweile hatten die ihr Mittagsschläfchen hinter sich und sorgten für einige Randale. Mit je einem Kind auf dem Arm kämpfte sie sich die Treppen hinauf und steckte beide Jungen in das Kinderzimmer. Auch den laut protestierenden Dillan.

„Spielen Jungs, nicht streiten“, rief sie ihm noch zu und machte sich auf die Suche nach Milena.

~~~***~~~

Zehn Minuten später hatte sie jeden Winkel im Haus und Garten abgesucht. Mia war nicht hier. Mit einem unguten Gefühl im Bauch nahm sie ihr Handy und wählte Zivas Nummer.

~~~***~~~

Seit Tony aus dem Koma erwacht war, fiel auch Ziva das Leben wieder leichter. Sie sehnte den Tag herbei wenn alles überstanden war und sie nur noch mit einem wehen Auge an die schwere Zeit denken würden. Klar, brauchte es noch einige Zeit, bis er aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte, aber trotzdem war ihre Familie schon jetzt wieder komplett und nur darauf kam es an. Mit einer Hand drehte sie die Musik lauter und trommelte dazu im Takt auf das Lenkrad ihres Minis, als sie ihr Handy schellen hörte. Überrascht las sie den Kontaktnamen auf dem Display.

„Tab, alles in Ordnung?“, stellte sie sofort die Frage.

„Ja, ja, aber Mia ist von der Schule mit zu ihrer Freundin gefahren und noch nicht hier. Du hast doch bestimmt die Telefonnummer von deren Mutter, oder?“

„Klar, habe ich ihre Telefonnummer, aber ich bin eh in ihrer Nähe. Am besten fahr ich kurz vorbei und hohl Milena von ihr ab.“

„Danke, ich fang dann an das Essen zu zubereiten“, kam es von Tab erleichtert und sie unterbrach die Verbindung.

 

 

 

17. Kapitel


Tali saß über ihre Hausaufgaben. Irgendwie kam sie hier nicht weiter. Wie sollte sie nur diese ganzen Buchstaben verbinden? Und dann sollte es  auch noch einen Sinn ergeben? Fragend kratzte sie sich in den Haaren. Als sie die Haustür hörte, schmiss sie ihren Stift hin und saust auf die Tür zu.

„Ich mach auf“, rief sie ihrer Mutter zu, die gerade ebenfalls in den Flur trat.

„Tali, warte“, kam es von ihrer Mom und sie hob drohend einen Finger. „Wie häufig hab ich dir schon gesagt, dass du nicht immer die Tür aufreißen....“, weiter kam sie nicht, da ihre Tochter in dem Moment genau das tat.

„Tante Ziva“, rief Taljah ihr entgegen und Ziva hockte sich hin, nahm ihre Nichte in die Arme und wuschelte ihr durch die dunklen Locken.

„Hallo Lea“, kam es von der Brünetten und sie stand wieder auf.

„Komm doch herein Ziva. Wir sehen uns so selten in letzter Zeit.“ Lea hielt es immer noch für eine gute Fügung das sie damals in der Not an das NCIS-Team gewandt hatte. Dadurch war ihre Beziehung mit Ziva, der Schwester von Taljahs Vater, viel inniger geworden. „Wie geht es Tony?“

Ziva seufzte und zog eine kleine Grimasse. „Es geht bergauf. Natürlich viel zu langsam in seinem Sinne“, sagte sie und rollte mit den Augen, was ihrer Schwägerin ein kleines Lachen entlockte.

„Ja, Männer“, sagte sie und rollte ebenfalls mit den Augen. „Sind sie krank, sind sie alle gleich.“ Zusammen gingen sie ins Wohnzimmer. „Aber jetzt sag mir, warum bist du hier?“

„Ich wollte Mia abzuholen“, sagt Ziva.

„Milena ist nicht hier. Ich wusste nicht das ich sie hätte mitnehmen sollen?“

„Wie? Ich verstehe nicht. Sie hat in der Schule zu ihrer Lehrerin gesagt, dass sie mit zu euch fährt.“ Ziva musste sich an der Türzarge festhalten, weil ihre Knie plötzlich zu zittern begangen. „Wo kann sie sein?“, fragte sie verständnislos.

Lea sah ihre Tochter fragend an. „Tali? Was ist das mit Mia?“

Betroffen sah die Siebenjährige auf. „Ich weiß nicht. Gesagt hat sie nichts.“ Sie war hin und her gerissen, ob sie ihre Freundin decken, oder ihrer Tante alles erzählen sollte.  

„Taljah“, sagte in dem Moment ihre Mutter streng.

„Mom wirklich, ich weiß nicht wo sie hinwollte. Erst hat sie gesagt, dass sie laufen wollte und dann hat sie sich entschieden auf dem Schulhof zu warten.“ Sollte sie ihrer Tante von dem gruseligen Jungen erzählen, oder machte sie sich damit nur lächerlich?

Ziva legte ihrer Nichte eine Hand auf die Schulter. „Schon gut, Tali. Ich fahr dann noch einmal zur Schule und dann den Weg ab. Vielleicht hat sie sich ja verlaufen.“ Sie verabschiedete sich von ihrer Schwägerin und wollte gerade wieder gehen, als sie Taljah rufen hörte.

„Tante Ziva, warte. Da war so ein Junge. Der hatte uns schon ein paar Mal zugesehen. Der war heute auch wieder da. Als ich schon im Wagen saß, stand er plötzlich bei Mia.“

„Was für ein Junge?“, fragte Ziva. „Aus eurer Klasse?“

„Nein, älter. Aber er ist auf unserer Schule.“

Ziva war jetzt echt verwirrt. Was wollte ihr ihre Nichte da sagen? Milena und Jungs? Sie war in einem Alter, in dem man Jungen doof fand, oder war sie schon darüber hinaus?

„Tali, was willst du mir sagen, das Mia und der Junge..?“ Sie ließ den Satz unvollendet und blickte ihre Nichte fragend an.

„Ich weiß nicht“, kam es von ihr kleinlaut. „Aber er war schon öfter da und heute wieder. Vielleicht wollten sie ungestört...“ Sie fuchtelte mit ihren Armen herum, aber das widerwärtige Wort wollte ihr nicht über die Lippen. „Na, du weißt schon, das was  du und Onkel Tony normalerweise doch auch immer macht.“

Jetzt musste Ziva sich in Lächeln verkneifen. „Nein, das denke ich eher nicht. Aber danke dass du mir alles gesagt hast. Eins noch. Wie sah der Junge aus?“

„Groß und mit blonden Locken.“

Ziva nickte ihr zu. „Gut, wenn dir noch etwas einfällt, dann ruf mich an.“ Mit diesen Worten verabschiedete sie sich und ließ eine nachdenkliche Taljah zurück, die sich Sorgen um ihre Freundin machte.


~~~***~~~

Nachdem Ziva die Schulstrecke in jede Richtung mehrmals abgefahren war und auch ein Anruf bei Tabitha keine Erlösung brachte, hielt sie ihren Wagen wieder an, und rief Gibbs an.

„Jap“, hörte sie seine knurrige Stimme.

„Boss, wo bist du?“, fragte sie sofort.

„Noch im Baumarkt, warum? Ist was mit Tony?“

Da sie ihn mittlerweile gut kannte, konnte sie die Sorge in seiner Stimme hören.

„Nein, nein, Tony geht es gut. Es geht um Mia. Sie ist nicht nach Hause gekommen und ich kann sie auch nicht finden.“ Schnell erzählte sie ihm, was sie von Taljah in Erfahrung gebracht hatte.

Am anderen Ende der Leitung wurde es noch ruhiger.

„Gibbs?“, hakte sie nach und hatte Angst die Verbindung wäre unterbrochen.

„Ich bin noch da. Kann es sein das sie zu Tony wollte?“

„Ins Krankenhaus? Sie weiß, dass sie noch nicht zu ihm darf. Warum sollte sie das tun?“

„Vielleicht wollte sie sich einfach nur davon überzeugen, dass wer wirklich aufgewacht ist. Das wäre doch möglich. Die Frage ist nur, findet sie den Weg?“

Ziva strich sich eine verirrte Haarsträhne hinter das Ohr und legte ihren Kopf an die Kopfstütze. „Ich weiß es nicht. Ich wollte eigentlich zur Schule zurück, um mich nach dem Jungen zu erkundigen, aber vielleicht sollte ich zuerst zum Krankenhaus fahren und dort nachsehen. Vielleicht hat sie es ja wirklich bis in den Wartebereich geschafft. Zeit genug hatte sie ja.“

„Nein, warte. Ich wollte eh zu Tony. Ich mach das. Fahr du zur Schule.“ Und damit hatte er schon die Verbindung unterbrochen und Ziva steckte auch ihr Handy wieder ein.

~~~***~~~

Ducky zog das Leichentuch vom Gesicht seines neusten Gastes. Die junge Frau konnte höchstens zwanzig Jahre alt sein. Wir immer fand er es mehr als nur schade, das ein so junges Leben schon verwirkt war.

„Oh mein Liebe, es tut mir wirklich leid, dass ich dich nun auf meinen Tisch habe. Ich denke du hast dir den heutigen Tag auch anderes vorgestellt?“, fragte er sie, klappte seine Schutzmaske herunter und nickte Jimmy Palmer zu.

„Jimmy, ich denke wir können beginnen.“ Noch immer war es für ihn ungewohnt den jungen Mann so vertraulich anzusprechen.

„Aber natürlich Ducky“, kam es von dem Jüngeren, dem diese Skrupel wohl fremd waren und er schob den kleinen Tisch mit den Instrumenten näher, als das Telefon schellte.

„Na wer kann das denn sein?“, kam es überrascht von Jimmy.

Ducky klappte seinen Gesichtsschutz wieder hoch. „Ich denke, das wissen wir, wenn wir den Anruf entgegen nehmen?“, teilte er ihm mit und streckte schon die Hand nach dem Gerät aus.

„Dr. Mallard“, meldete er sich.

„Ducky, ich brauch deine Hilfe. Treffen wir uns bei Tony im Krankenhaus.“

„Ist etwas mit unserem Jungen?“, fragte der alte Pathologe sofort besorgt.

„Nein, Tony geht es soweit gut, aber ich wäre dir verbunden, wenn du trotzdem kommen könntest.“

„Oh Jethro, ich habe gerade hier eine arme junge Frau, die dringend meine Hilfe benötigt.“

„Dann lass Palmer ran. Der Junge muss sich eh mal behaupten“, sagte Gibbs drängend.

Ducky atmete tief durch, dann gab er das Skalpell an Jimmy weiter, der ihn schon voller Vorfreude, wie ein kleiner Junge anstrahlte.

„Worum geht es denn?“, fragte Ducky.

„Milena ist verschwunden.“

„Ich bin unterwegs“, kam es von dem Pathologen und schon im Laufen entledigte er sich seines Kittels und der Handschuhe.

 

 

 

18. Kapitel


Gibbs erwartete seinen Freund vor dem Krankenhaus. Als er den alten Mann mit wehendem Mantel auf sich zueilen sah, konnte er sich trotz seiner Sorge ein kurzes Grinsen nicht verkneifen.

„Hallo Jethro“, kam es von Ducky und er nahm seinen Hut ab und strich sich über die schweißnasse Stirn.

Gibbs zog die Augenbrauen hoch. „Meinst du nicht es ist zu warm für Hut und Mantel?“

„Oh Stil ist etwas, was ihr Amerikaner nicht von uns übernommen habt.“ Schmunzelnd setzte er seinen Hut wieder auf.

„Na wenn du meinst, dann schwitze weiter“, kam es von den Grauhaarigen lächelnd, doch dann wurde er sofort wieder ernst.

„Ich bin schon einmal kreuz und quer durch das Krankenhaus gelaufen. Milena ist nicht hier“, sagte Gibbs und fuhr sich durch sein kurzes Haar. „Bei Tab ist sie auch nicht und bei ihrer Freundin auch nicht.“

„Vielleicht ist sie bei Abby?“

„Nein, wenn sie dort wäre hätte Abbs sich schon bei Ziva gemeldet. Dafür ist sie zu verantwortungsvoll. Nein“, sagte er wieder. „Ich werde das Gefühl nicht los, das sie auf dem Weg hier hin ist. Aber ich kann nicht auf sie warten.“

„Und darum willst du, dass ich bei Tony bleibe und auf sie warte?“, schlussfolgerte der Pathologe.

„Genau. Dann kann ich zu Ziva stoßen. Vielleicht sehen zwei Paar Augen mehr als eins.“

„Gut, ich denke du hast schon mit seinem Arzt gesprochen, dass sie mich auch zu ihm lassen?“

„Ja, es ist alles geklärt.“

„Weiß er Bescheid?“, wollte Ducky noch wissen, als Gibbs sich schon von ihm abwandte.

„Nein und ich denke es ist auch besser, wenn wir es vorerst noch vor ihm verheimlichen. Vielleicht finden wir sie ja schneller als wir denken.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und ging mit schnellen Schritten zum Wagen.

~~~***~~~

Milena sah aus dem Wagen. Das sollte der Weg zum Krankenhaus sein? War sie mit ihrer Mommy auch an so einer komischen Kirche vorbei gekommen? Sie war ja wirklich froh, das Will und seine Mutter ihr angeboten hatten, sie zu ihrem Vater zu fahren, aber langsam wurde es ihr unheimlich und das lag nicht an dem Jungen der neben ihr saß und eigentlich ganz nett zu sein schien.

„Hey Will“, flüsterte sie ihm zu. „Haben wir uns verfahren?“

„Nö“, kam es von dem Blonden. „Meine Mama ist eine gute Autofahrerin.“ Will flüsterte ebenfalls und warf dabei seiner fahrenden Mutter einen ängstlichen Blick zu, in der Hoffnung, dass sie die Frage nicht mitbekommen hatte.

„Ja aber...“, wollte Mia gerade wieder ansetzen, als er sich einen Finger an die Lippen legte.

„Psst, sie mag es nicht, wenn man während der Fahrt spricht“, sagte er leise und deutete mit einem nicken in Richtung seiner Mutter.

Mia rümpfte die Nase, sagte aber nichts mehr. Verstehen konnte sie das nicht. Ihre Mommy konnte sogar beim Autofahren singen. Aber wenn Wills Mutter das so wollte, dann würde sie sich ruhig verhalten. Immerhin ermöglichte sie ihr die Fahrt zum Krankenhaus.

~~~***~~~

Tony zählte mal wieder die Löcher an den Deckenplatten, als die Tür zu seinem Zimmer aufging. Überrascht über den unerwarteten Besuch, unterbrach er seine wichtigen Studien und grinste den Pathologen des Teams verschwörerisch an.

„Hey Ducky“, kam es freundlich, aber schwach von dem jüngeren Mann.

„Anthony, es tut so gut, dich wieder wach zu sehen“, sagte der Mediziner und kam zum Bett.

„Wie hast du es geschafft, an dem Stationsdrachen vorbei zu kommen?“, fragte Tony, konnte ein Grinsen nicht mehr verbergen.

„Ach ich habe sie mit meinem Charme verzaubert. Scheinbar hat es geklappt, denn ich bin ja hier“, sagte er ebenfalls lachend, dann wurde er wieder ernst. „Wie geht es dir, mein Junge?“

„Gut“, sagte er und erntete nur einen schiefen Blick von seinem väterlichen Freund. „Na ja, wenn ich etwas mehr Luft bekommen würde, wäre es besser“, sagte Tony und drückte sich die Sauerstoffbrille fest unter die Nase.

Ducky holte sich einen Stuhl und nahm sich Tonys Krankenakte zur Hand. „Das liegt daran das sich deine Lunge noch nicht wieder zu 100% entfaltet hat. Sobald das geschieht, kannst du auch wieder leichter atmen.“ Versuchte er ihn den Sachverhalt zu erklären. „Du brauchst einfach nur Geduld, Anthony. Weißt du, da fällt mir ein, ich denke es war im Afrika, da kannte ich einmal einen Soldaten, der hatte.....“

Müde lehnte Tony sich zurück in die Kissen. Ducky und seine Geschichte, dachte er grinsend und machte sich auf spannende Stunden bereit.

~~~***~~~

Plötzlich merkte Mia, dass der Wagen hielt. Träge öffnete sie ihre Augen. Jetzt war sie doch tatsächlich eingeschlafen.

„Aussteigen“, hörte sie einen harten Befehl und war mit einem Mal hellwach.

„Sind wir endlich da?“, fragte sie hoffnungsvoll, doch als sie anstelle des Krankenhauses eine alte Lagerhalle vor sich sah, schwand ihre Hoffnung dahin.  Sie wollte sich gerade Wills Mutter fragen, was sie hier wollten, da spürte sie eine Hand die sie am Oberarm packte und rüde aus dem Wagen zog.

„Hey, Sie tun mir weh“, jammerte die kleine DiNozzo.

„Schnauze“, sagte Wills Mutter und hatte mit einem Mal einen Sack in der Hand, den sie Mia über den Kopf stülpen wollte.

Ängstlich sah Milena die Frau an und versuchte ihren Kopf weg zudrehen. „Will, Will, was macht deine Mutter denn? Hilf mir doch!“, rief sie ihrem Schulfreund zu, doch der saß wie versteinert im Wagen und bewegte sich keinen Zentimeter. Auf seine Hilfe konnte sie nicht länger warten. Sie musste es selbst in die Hand nehmen und so trat sie der Frau feste vor das Schienbein, zufrieden hörte Mia ihr Stöhnen, aber zu mehr als Treten kam sie nicht, denn der Griff war einfach zu fest.

„Du kleine Mist Kröte“, zischte die Frau und gab Mia eine Backpfeife.

Mia schossen die Tränen in die Augen, aber sie versuchte sie weg zublinzeln. Sie würde vor der Frau nicht weinen. „Warum tun Sie das?“, fragte sie in dem Moment ruhig, als sich der Sack über ihren Kopf legte und es dunkel wurde.

„Es geht nicht um dich, es geht um deinen Vater“, zischte die seltsame Frau ihr zu und Mia spürte das sie hochgehoben und weggetragen wurde.

Will saß immer noch bewegungslos im Wagen. Und sah mit Grauen dem Geschehen zu. Das war alles seine Schuld, er hatte den Kontakt zu der kleinen DiNozzo aufgebaut, genauso wie seine Mutter es befohlen hatte. Dabei war das Mädchen mit den grünen Augen so nett zu ihm gewesen, aber er konnte sich seiner Mutter einfach nicht widersetzen.

~~~***~~~

„Guillaume komm endlich aus dem Wagen“, rief sie ihm wütend zu, nachdem sie die kleine DiNozzo in den Keller gesperrt hatte. Als sie sah, dass er endlich Anstalten machte ihrem Befehl zu folgen, ging sie wieder ins Haus zurück. Sie würde sich von einem Kind nichts vormachen lassen. Sie war Marie LeFrey, Witwe und Mutter und ihr Endschluss stand schon seit fast zwei Jahren fest. Sie würde den Mörder ihres Mannes bestrafen und wenn es das Letzte war, was sie machte.

„Maman, kannst du mich nicht weiter William nennen? Ich mag Guillaume nicht so gerne und Will hört sich auch viel schöner und amerikanischer an.“

Rasch drehte sie sich zu ihm um und kalte Augen sahen ihn vorwurfsvoll an. „Du wagst es, mir etwas vorzuschreiben?“, fragte sie leise und genau diese Tonfolge machte ihm noch mehr Angst. „Deinen Namen hat dein Vater für dich ausgesucht. Lebe damit.“

Will atmete auf. Gottseidank blieben ihm diesmal Schläge erspart, dachte er erleichtert, als er ihr langsam ins Haus folgte.

 

 

19. Kapitel

Ängstlich sah Ziva Gibbs an, der bei der Schule zu ihr gestoßen war und nur den Kopf schüttelte, da auch er keine Spur von Milena gefunden hatte.

„Komm, lass uns noch einmal mit ihrer Lehrerin sprechen, vielleicht können wir etwas über diesen mysteriösen blonden Jungen erfahren.“

~~~***~~~

Während sie mit einem Auge die beiden Jungen in den Sandkasten beaufsichtigte, blickte sich Tabitha immer mal wieder nervös zum Fenster um und hielt auch nach Milena Ausschau. Weder Gibbs, noch Ziva hatten in der Zwischenzeit eine Spur von ihr gefunden. Die Unruhe und Angst, die Tab tief in sich drin verspürte, sorgte dafür das sie es nicht länger auf ihrem Stuhl aufhielt und wie ein Tiger im Käfig eine weitere Runde in der Küche drehte. Dabei fiel ihr Blick zu dem Herd, auf dem sich das mittlerweile wieder kalte Essen türmte. Vielleicht sollte sie das Essen endlich wegpacken, dann hatte sie etwas mit dem sie sich beschäftigen konnte. Sie wollte gerade den ersten Topf in die Hand nehmen, als sie von draußen lautes Geschrei hörte.

~~~***~~~

In vollkommener Dunkelheit, drangen seltsame Geräusche an ihr Ohr. Ein Rascheln und Wispern, ganz so als schlängelten sich Schlangen durch ein Gebüsch. Instinktiv versuchte Milena von dem Stuhl, an dem man sie gefesselt hatte, aufzuspringen, doch die Kabelbinder an ihren Armen und Beinen verhinderten jede Bewegung.

„Daddy, Mommy, bitte holt mich hier raus“, flüsterte sie und konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.

~~~***~~~

Schnell rannte Tab in den Garten und fand die Jungs immer noch im Sandkasten vor. Doch während Dillan sie mit großen Augen anstarrte, weinte Cameron und steckte seine Arme nach ihr aus.

„Was hab ihr wieder angestellt?“, fragte sie die illustre Sandkastenrunde und ging neben ihrem Sohn in die Knie.

Dillan legte seinen Kopf schief und deutete mit dem kleinen Sandförmchen das er in seiner Hand hielt auf Cam und sagte laut und deutlich: „Kaputt“

Es war schon erstaunlich, aber in den zwei Wochen, die Ziva und die Kinder nun bei ihnen wohnten, hatte Dillan seinen Wortschatz, mehr als nur verdoppelt. Grinsend legte sie ihre Hand auf seinen Kopf und nahm ihren immer noch weinenden Sohn aus dem Sandkasten hoch.

„Mhmm und was für Probleme hast du kleiner Mann? Bekommst du einen neuen Zahn?“, fragte sie und legte ihm die Hand auf die verschwitzte Stirn. „Oh je, du glühst ja förmlich.“ Besorgt zog sie die Stirn kraus und hoffte inständig das es wirklich nur ein neuer Zahn war und nichts schlimmeres. „Kommt Jungs, gehen wir ins Haus, für dich Dillan, habe ich Pudding und für dich mein Sohn ein Fieberthermometer“, sagte sie grinsend und sah wie das Erwähnen des Puddings auch das Gesicht des kleinen Lockenkopfs erhellte.

„Udding, Udding“, rief Dillan, schmiss sein Spielzeug weg und rannte schon einmal vor zum Haus.

Doch ganz der Vater, dachte Tab und folgte ihm lächelt ins Haus.

~~~***~~~

Marie LeFrey lief unruhig in dem alten Bürotrakt der Lagerhalle hin und her. Wie sollte sie nun vorgehen? Es war nicht geplant gewesen, die Kleine heute zu entführen, aber sie hatte der Gelegenheit nicht widerstehen können. Immer wieder fiel ihr Blick auf das Handy, das sie in den Händen hielt, dann warf sie ihrem Sohn einen stechenden Blick zu.

„Ich bin unten und du rührst dich nicht von der Stelle.“

~~~***~~~

„Tja, und dann sind wir aus dem Gebiet evakuiert worden“, sagte Ducky und blickte auf die Uhr. Er war jetzt schon seit drei Stunden bei Anthony und so langsam gingen ihm die Geschichten aus. Es war an der Zeit bei Jethro anzurufen. Scheinbar hatten sie Mia noch nicht gefunden, denn dann hätte sich sein Freund bestimmt schon gemeldet. Langsam stand der auf und streckte seine alten Knochen.

„Ich werde mal sehen, ob ich nicht irgendwo einen Tee auftreiben kann. Brauchst du auch irgendwas, mein Junge“, fragte er während er auf die Tür zuging.

„Nein danke, Ducky“, kam es von Tony und kaum hatte der Ältere das Zimmer verlassen, fragte sich Tony, was das hier sollte. Irgendwas schien da vorzugehen, von dem er nichts wissen sollte. Mit einem schiefen Grinsen ließ er sich wieder in die Kissen sinken. Er hatte zwar im Moment nur eine halbe Lunge, aber sein Gehirn funktionierte schon wieder einwandfrei.

~~~***~~~

Verängstigt zuckte Milena zusammen, als sie die schwere Eisentür hörte. Ob das wieder die verrückte Frau war?, fragte sie sich gerade, als sie schon ihre Stimme hörte.

„Hallo meine Süße“, säuselte die Frau, die mittlerweile genau vor ihr stehen musste. „Wir werden jetzt deinen Vater anrufen, was hältst du davon?“

„Ich bin nicht Ihre Süße“, kam es von Mia tapfer und viel mutiger als sie sich fühlte. Leider konnte sie die Reaktion im Gesicht ihres Gegenübers nicht sehen, aber sie hörte die Frau schnauben und machte sich auf einen weiteren Schlag gefasst, doch der blieb aus, dafür hörte sie wie Wills Mutter im Krankenhaus anrief, sich als Sekretärin des NCIS-Direktors ausgab und nach ihrem Vater verlangte.

„Ich weiß dass ihr Patient noch auf der Intensivstation liegt“, sagte sie in einem Ton, der keine Widerrede zuließ. „Aber es ist wichtig und es geht um seine Tochter und wenn sie ihm nicht sofort das Telefon bringen, werde ich...“ Die Drohung blieb offen, da die Krankenschwester wohl einlenkte und wenig später wurde Mia das Handy ans Ohr gehalten.

„Ja“, hörte sie leise die Stimme ihre Vaters und sofort schossen ihr wieder Tränen in die Augen. Da war er. Schwach und heiser, aber ganz klar ihr Vater, nach dem sie sich seit Wochen sehnte.

„Daddy?“, flüsterte sie und hörte ihn nach Luft schnappen.

„Mia?“, fragte er zögerlich.

„Daddy, du bist wirklich wach“, sagte sie unter Weinen, dann wurde ihr das Handy vom Ohr genommen.

„Hallo Agent DiNozzo. Jetzt lernen wir uns auch endlich einmal persönlich kennen“, hörte Mia die verrückte Frau sagen, doch deren Stimme wurde immer leiser, so als würde sie sich wieder aus dem Keller entfernen. Jetzt musste Milena handeln. Entschlossen nahm sie all ihren Mut zusammen und brüllte, so laut sie konnte.

„Sie hat mich eingesperrt, in einer Lagerhalle. In einer LAGERHALLE“, schrie sie, dann hörte sie, wie die Tür wieder ins Schloss viel. „Daddy, ich hab dich lieb“, setzte sie  leise noch nach und ließ ihren Tränen freien lauf. Ihr Daddy war wach, und er würde sie holen, da war sie sich sicher. Und zur Not gab es ja auch noch Onkel Jethro und Timmy und ihre Mommy.  

~~~***~~~

Tony bekam kaum noch Luft. Alles in ihm schrie nach der Kraft, die ihm fehlte. Wer war die Frau und was hatte sie mit seiner Tochter gemacht!?

„Wer, wer sind Sie?“, brachte er krächzend hervor, da die Angst ihm die Kehle abschnürte.

„LeFrey“, wisperte sie ihm zu, so das ein kalter Schauer über seinen Rücken lief. „Sie haben meinen Mann auf dem Gewissen. Jetzt werden sie leiden.“ Das waren ihre letzten Worte, dann legte sie auf.

„Nein“, brüllte Tony in den Hörer. „Wo sind Sie, was wollen Sie?“ Doch die Fragen kamen schon nicht mehr an, die Leitung war tot.

Reglos lag er da, atmete schwer und spürte, wie seine Lunge sich bei jedem Atemzug zusammenzog und wieder löste. Im Hintergrund lauschte er dem Bip-bip-bip des Monitors. Milena. Täglich verschwanden Kinder und niemand sah sie je wieder, höchstens als Suchanzeige auf einer Packung Milch. Es war alles möglich. Krampfhaft zog sich sein Herz zusammen. Er konnte nicht einfach hier liegen bleiben, während seine kleine Tochter vielleicht um ihr Leben kämpfen musste. Tony spürte heftige Panik in sich aufsteigen. War das der Preis, den er zu bezahlen hatte? Man nahm ihm sein Mädchen? Seine Principessa? Plötzlich wusste er, was er zu tun hatte. Er musste raus aus dem Krankenhaus und diese verdammte Lagerhalle finden, von der Mia gesprochen hatte.

Entschlossen schlug er die Decke von seinem Körper und zog die Elektroden ab. Die Nadel in seinem Arm war ein größeres Problem, doch mit angewiderten Gesichtsausdruck und zusammengekniffenen Augen schaffte er auch das. Schwerfällig, wie ein alter Mann, schwang er das linke, gute Bein aus dem Bett, dann ließ der das recht wesentlich langsamer und vorsichtiger folgen. Danach saß er erst einmal schwer atmend auf dem Bettrand. Jetzt folgte der schwierigere Teil, das aufstehen. Mit zusammengebissenen Zähnen rutschte er tiefer und stellte seine nackten Füße auf den Boden. Ein scharfer Schmerz durchzuckte sein rechtes Bein, bis herauf zur Hüfte, doch dann stand er auf zittrigen, schmerzenden Beinen. Das Luftholen war nur noch eine schmerzhafte und unbefriedigende Routine und er musste erst einmal wieder zu Atem kommen, bevor er seine Überlegungen in die Tat umsetzen konnte.

Er würde sehen, dass er schnell von hier wegkam. Es musste doch möglich sein ein Taxi zum Hauptquartier zu bekommen, Tony hoffe nur, dass seine Kleidung noch gebrauchsfähig war. Bei dem Rutsch über den Asphalt, hatte er deutlich den Boden gespürt, aber zur Not, würde er auch im Krankenhaushemd von hier verschwinden.

Mühsam hob er sein angeschlagenes Bein ein Stück an und machte einen einzigen Schritt in Richtung Kleiderschrank, mehr nicht, und Schmerz explodierte in seiner Brust und seinem Bein. Mit einem nicht mehr zu unterdrückenden Aufschrei stürzte er zu Boden. Er streckte einen Arm aus, bekam den Tisch zu fassen und riss ihm mit um. Wasser spritze, Plastikbecher und Krüge knallten auf das Linoleum.

Dann lag er da, unfähig sich zu bewegen, zu atmen, schnappte nach Luft wie in Fisch auf dem Trockenen. Seine rechte Brustseite stand in Flammen. Und die Schmerzen, Gott, trotz all dieser Medikamente hatte er Schmerzen, die ihn lähmten, die ihm das Atmen fast unmöglich machten. Langsam drehte er sich um und kroch zum Bett zurück. So sehr er auch versuchte langsam und ruhig zu atmen, er bekam einfach nicht genug Luft in seine Lunge. Tony klammerte sich, mit der einzigen Hand die ihm zur Verfugung stand, an das metallene Bettgestell, zog sich hoch, Zentimeter für Zentimeter und brach auf der Matratze zusammen, dann ging die Tür auf und er hörte alarmierte Stimmen und schnelle Schritte. Fühlte Hände und wurde zurück aufs Bett gehoben. Erst jetzt hörte er den durchdringenden Alarm, der von den Geräten kam.

„Schnell, geben sie mir die Sauerstoffmaske er wird zyanotisch“, hörte er jemanden sagen. Sein Arzt? Er wusste es nicht, konnte auch dem Gesprächen um ihn herum nicht mehr folgen, aber da war noch etwas, was er ihnen sagen musste. Etwas das zu wichtig war, um es mit in die Dunkelheit zu nehmen.

„Milena“, wisperte er kaum hörbar unter der Sauerstoffmaske. „Sie hat Mia entführt.“ Mühsam hob er die Hand um sich die Maske vom Gesicht zu ziehen. Der Sauerstoffmangel sorgte dafür dass sein Sichtfeld mit jedem Herzschlag kleiner und kleiner wurde.

„Was sagt er da?“, fragte die Krankenschwester alarmiert, die ihm gerade die Elektroden wieder auf die Brust klebte.

„Egal“, brummte der Mediziner und wehrte seinen Griff zur Maske, mit Leichtigkeit ab.

„Nein“, kam es wieder von Tony und er versuchte mühsam seine Augen offen zu behalten. „Meine Tochter……… sie hat meine Tochter……“ Immer wieder musste er kurze Pausen einlegen und das atmen fiel ihm mit jedem Wort schwerer. Ein irrsinniger Gedanke schoss durch seinen Kopf. So fühlte sich also das sterben an. „Sie müssen Gibbs….“, seine Hand schloss sich mit aller ihn verbleibenden Kraft um das Handgelenk des Arztes. „…..sagen sie Gibbs, LeFrey…. Hat Mia.“ Geschafft, es war geschafft. Er hatte es gesagt. Jetzt konnte die Dunkelheit ihn  holen. Wie in Zeitlupe löste er den Griff und seine Hand viel kraftlos auf das Bett zurück.

„Los“, herrschte der Arzt die Krankenschwester an. „Geben sie ihm noch einmal 10 ml Lidocain. Wir müssen ihn beruhigen und dann ab zum röntgen.“

 

 

20. Kapitel

In der Cafeteria steckte Ducky gerade sein Handy wieder ein. Das kurze Telefonat mit Gibbs, hatte nichts Neues ergeben und noch immer hatten sie keine Spur von der Kleinen. Resigniert starrte der alte Pathologe in seinen Teebecher. Wo konnte Milena sich nur herum treiben? Was ging in ihrem kleinen Dickkopf vor? Mit einem Seufzer auf den Lippen stand er auf und nahm seinen Becher vom Tisch. Es wurde Zeit zu Anthony zurück zu gehen.

~~***~~~

Schniefend zog Mia ihre Nase hoch. Wieder war sie alleine in der Dunkelheit und noch immer war sie an den Stuhl gefesselt. Mehrfach hatte sie schon versucht sich zu befreien, aber außer aufgeschürfte Handgelenke hatte es ihr nicht gebracht. Tränen von Wut und Verzweiflung liefen ihr über die kalten Wangen und versickerten in dem Stoff des groben Sackes, den sie immer noch über dem Kopf trug. Aber trotz aller Ängste, schlich sich auch ein wohliges Gefühl bei ihr ein, denn immerhin hatte sie mit ihrem Vater reden können. Er war aufgewacht und er würde sie finden, da war sie sich ganz sicher. Ihr Daddy schaffte alles, was er wollte.

~~~***~~~
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Ängstlich legte Tabitha ihrem kleinen Sohn die Hand auf die heiße Stirn. Irgendetwas stimmte da nicht. Das Fiebersenkende Mittel, das sie ihm vor über einer Stunde verabreicht hatte, schien nicht anzuschlagen. Das Fieber stieg weiter an und beim letztem messen hatte es fast die 39 Grad erreicht. Apathisch lag der Kleine in seinem Bettchen und sah seine Mutter mit großen, hilflosen Augen an.

„Udding allle“, rief in dem Moment Dillan aus der Küche und sie hörte das klopfen seines Plastiklöffels auf das Tischchen des Hochstühls, in dem sie ihn gesetzt hatte.  

„Ja doch“, murmelte sie und deckte ihren kranken Sohn mit einer leichten Decke zu, dann drehte sie sich zur Tür um.

„Udding aaaaaaaalllleeee“, schrie in dem Moment ihr kleiner Gast ungeduldig.

„Du hast schon drei gehabt“, flüsterte sie zu sich selber. „Du bist unersättlich, das muss Vererbung sein.“ Kopfschüttelnd verließ sie den Raum, mit dem Entschluss, sollte das Fieber in der nächsten Stunde nicht fallen, würde sie dem Kinderarzt bitten vorbei zu kommen.

~~***~~~

William versuchte sich so unsichtbar wie möglich zumachen, während seine Mutter wie der berühmte Tiger im Käfig, unruhig im Bürotrakt auf und ab lief und leise unverständliches Zeug vor sich hin murmelte.

Krampfhaft versuchte er eine Lösung für sein Problem zu finden. Die Kleine, Mia, hatte ihm nie etwas zu leide getan. Er wollte einfach nicht, dass sie dort unten leiden musste. Er wollte ihr helfen. Er musste Hilfe holen, ihre Onkel finden, von dem sie ihm immer so viel gezählte. Am liebsten hätte er den ganzen Tag ungeschehen gemacht. Ganz langsam schlich er auf die Tür zu. Nur nicht auffallen. Immer einen Schritt von den andere. Die Tür war schon in greifbarer Nähe, als er ihre Stimme hörte.

„Wo willst du hin?“, fragte sie mit schriller Stimme und durchbohrte ihn mit ihrem eisigen Blick.

„Ich….“, stammelte er. „…ich wollte nur kurz zum Auto.“

„Um was zu tun?“, fragte sie ihn wieder und noch immer hielt ihr Blick ihn gefangen.

„Meine Schulsachen holen“, kam es von Will, froh dass ihm der kleine Schwindel gerade noch eingefallen war.

Immer noch starrte sie ihn an, doch dann nickte sie langsam. „Lernen ist gut, aber beeil dich.“

Und während Will sich schnell, mit hochrotem Gesicht zur Tür umdrehte, nahm Marie ihren Weg durch die Halle wieder auf.

~~***~~~

Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend, erreichte Ducky die Intensivstation. Da sein Tee mittlerweile schon kalt war, entledigte er sich des Bechers, bevor er die Station betrat. Als er den Automatikknopf drückte und sich die Türen für ihn öffneten, sah er die Hektik die auf dem Flur herrschte, machte sich aber weiter keine Gedanken, sondern ging kontinuierlich auf Tonys Zimmer zu.

„Dr. Mallard?“, hörte er hinter sich jemanden rufen.

Verwundert drehte er sich um und sah eine junge Krankenschwester auf sich zu eilen.

„Ist etwas passiert?“, fragte er und war mit schnellen Schritten an der großen Sichtscheibe zu Tonys Zimmer angekommen, doch das Zimmer war leer, das Bett fort.

„Es tut mir leid, aber ihr Freund hat sich etwas übernommen und …“

„Übernommen?“, unterbrach er sie rüde, was so gar nicht seinem Charakter entsprach. Tony ging es doch ganz gut, als er ihn verlassen hatte.

„Ich weiß nur, dass er einen Anruf von ihrem Direktor bekam, danach hat er wohl versucht aufzustehen. Wir fanden ihn halb bewusstlos.“

„Was ist passiert?“

„Sie wissen doch, dass ich es ihnen nicht sagen darf.“ Flüchtig warf sie einen Blick über ihre Schulter, dann legte sie mit einem kleinen Seufzer dem Älteren ihre Hand auf den Arm. „Wir bringen ihn gerade zum röntgen. Kann sein, dass seine Schulter etwas abbekommen hat.“ Als sie sein entsetztes Gesicht sah, fuhr sie lächelnd fort. „Dafür hat sich aber seine Lunge wieder ganz entfaltet. Aber bitte, sie wissen es nicht von mir.“

„Ja, ja natürlich und Danke“, kam es von Ducky. Noch immer starrte der alte Pathologe ratlos in das leere Krankenzimmer. „Einen Anruf!“ Wiederholte er leise. „Hat er sonst noch etwas gesagt?“

„Ja, seltsame Dinge, von Entführung und meinem LeFrey.“

Alarmiert sah er sie an. „Was genau hat er gesagt. Erinnern sie sich noch daran?“ Jetzt hatte er sich der Schwester vollendet zugewandt und fasste sie an beide Arme. „Es ist sehr wichtig, dass sie sich an den genauen Wortlaut erinnern“, teilte er ihr eindringlich mit.

Nervös blickte die junge Frau ihn an. „Ich glaube er sagt: Meine Tochter, sagen sie Gibbs, LeFrey hat meine Tochter. An mehr kann ich mich wirklich nicht mehr erinnern.“

Mit einem tiefen Stöhnen ließ Ducky sie los. „Danke“, rief er ihr zu und rannte so schnell es seine alten Knochen zuließen zum Ausgang. Noch bevor er die Tür erreichte, hatte er schon Gibbs Handynummer gewählt.

~~~***~~~

Marie LeFrey zog ihr Handy auf der Hosentasche. Sie hatte jetzt lang genug gewartet, es wurde Zeit das sie ihre Bedingungen stellte.

~~~***~~~

Nervös sah Tab auf ihre Armbanduhr. Wieder war eine Stunde verstrichen, ohne dass sich eine Besserung einstellt hatte. Das Fieber wollte einfach nicht fallen. Mittlerweile war sie sich sicher, dass es sich um einen Infekt handeln musste und sie hoffte inständig dass sich ihr kleiner Gast nicht angesteckt hatte. Noch einmal sah sie auf ihre Uhr. Dann wählte sie die Nummer ihres Kinderarztes.

~~***~~~

Angespannt saß Ziva neben Gibbs im Wagen und blickte aus dem Seitenfenster. Noch immer hatten sie keine Spur von Milena gefunden. Langsam neigte sich der Tag und die Dämmerung tauchte die Straßen von Washington in ein fahles Licht. Resigniert fuhr Ziva sich über die Augen. Wie sollte sie das alles nur Tony erklären. „Hör mir zu Schatz, es tut mir leid, aber ich hab leider deine Tochter verloren?“ Nein, so würde es nicht gehen, aber egal wie sie es ihm herüberbringen würde, es würde ihn um Längen zurück werfen. Alleine die Vorstellung sorgte dafür das ihr ein Schauer über den Rücken lief. Nein, so leicht gab sie sich nicht zufrieden. Mit einem tiefen Atemzug wandte sie sich an Gibbs.

„Vielleicht sollten wir uns trennen und mit zwei Wagen die Gegend weiter absuchen?“, machte sie gerade einen Vorschlag und schrak zusammen, als plötzlich sein Handy läutete.

Mit zwei Fingern zog Gibbs das kleine Gerät aus der Hosentasche und warf es der Brünetten zu. „Geh ran.“

Ziva klappte das antiquierte Handy auf und meldete sich. „DiNozzo?“

Am anderen Ende hörte sie wie jemand keuchend Luft holte. „Ziva?“

„Ducky?“, flüsterte sie und legte ihren Kopf nach hinten an die Lehne. Ducky war im Krankenhaus bei Tony. Warum war er außer Atem? Warum rief er so panisch an? Angst ergriff das Herz der jungen Mutter und lähmte ihr Gedanken. Tony? Was war mit Tony? Entsetzt blickte sie zu Gibbs, der geraden seinen Wagen am Seitenrand parkte und der jungen Frau das Handy aus der erstarrten Hand nahm.

„Duck, was gibt es so wichtiges?“, fragte er und während er lauschte, lies er Ziva nicht aus seinem Blick. Dann verfinsterte sich sein Blick noch weiter und er zog die Stirn kraus.

Ziva konnte ihre Unruhe kaum noch unterdrücken. Am liebsten hätte sie ihm das Telefon wieder aus der Hand genommen und selber mit dem Pathologen gesprochen, aber sie wusste, der Grauhaarige würde das nicht zulassen. Also musste sie warten, bis Jethro das Gespräch beendet hatte.

 

 

21. Kapitel

 

Mit einem besorgten Blick sah sie zu den beiden schlafenden Jungen herunter. Mittlerweile fühlte sich auch Dillans Stirn viel zu heiß an und seltsame Flecken waren auf der Haut seines  Armes erschienen. Tabitha atmete tief durch, nahm einen Lappen aus der Wasserschüssel die neben ihr auf dem Nachttischchen stand, wrang diesen aus und legte ihn dem Jungen auf die Stirn. Der dunkle Lockenkopf protestierte darauf jämmerlich und verlangte wiederholt seine Mommy. Es brach Tab schier das Herz, ihn so weinerlich zu erleben. Nichts war mehr von dem wilden Krümelmonster geblieben, das vor nicht einmal zwei Stunden noch durch den Garten gerannt war.

 

Wieder warf sie einen Blick auf die Kinderzimmer Wanduhr. Noch immer wartete sie auf den Kinderarzt, der ihr versprochen hatte noch heute vorbei zu schauen. Lange würde sie nicht mehr warten können, dann musste sie Ziva anrufen und ihr von ihrem kranken Sohn erzählen. Und das gerade jetzt, als wenn im Moment nicht alles schon schlimm genug wäre, dachte sie mit einem Kopfschütteln. Als ihr Baby im Schlaf leise stöhnte, verwünschte sie den Kinderarzt, der so lange auf sich warten ließ.

 

~~~***~~~

 

„Wir haben ein Problem.“ Gibbs steckte sein Handy weg und drehte sich zu Ziva um.

 

„Was?“, unsicher sah sie ihren väterlichen Freund an. „Was, Gibbs? Was hat Ducky gesagt? Was ist mit Tony?“ Angst schnürte ihr die Kehle zu und ließ sie nicht mehr klar denken. Erst Milena und jetzt noch Tony? Ihr Blick flatterte unruhig.

 

Gibbs ergriff ihre zitternden Hände. „Shhhttt. Hör mir zu Ziva.“ Als er keine Reaktion ihrerseits vernahm, umklammerte er ihre Handgelenke fester und schüttelte sie leicht. „Ziva, du musst mir jetzt zuhören.“ Endlich sah sie ihm in die Augen und Jethro sprach weiter. „Es geht Tony gut. Er hat eine Dummheit begangen, aber er wird es überleben. Das Problem ist nicht Tony, hörst du? Nicht Tony.“ Endlich hatte er ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.

 

„Es geht ihm gut?“ Wiederholte sie langsam.

 

„Ja.“ Resigniert ließ er ihre Handgelenke los. „Der Sturkopf hat versucht aufzustehen. Das ist ihm nicht gut bekommen und er ist zusammen gebrochen.“

 

Ziva runzelte die Stirn. „Warum?“, fragte sie ihn verwirrt. „Warum sollte er so etwas beschrubbtes tun?“

 

Jethro zuckte zusammen, dann stahl sich ein schiefes Grinsen auf sein Gesicht. Ziva war berüchtigt für ihre Versprecher und normalerweise war es Tonys Aufgabe sie zu verbessern. Doch der Grauhaarige konnte sich nicht zurückhalten. „Ich glaube du meinst „Bescheuert“ oder?“ Doch als er sah wie die junge Frau mit den Augen rollte, wurde er sofort wieder ernst. „Ja, warum er das tat, kann ich dir noch nicht einmal sagen, aber Ducky hat mir mitgeteilt, das die Schwester, die ihn auf dem Boden vor seinem Bett fand, sich sicher war das er LeFrey sagte. >>Sagen sie Gibbs, es war LeFrey<< So etwas in der Art jedenfalls.“

 

Ziva sah ihn verwirrt an. „LeFrey? War das nicht der Irre der Tony quer durch Kanada gejagt hat?“, fragte sie nach und spielte unsicher mit ihrer Halskette. Ein Nicken seinerseits bestätigte ihre Aussage. „Das versteh ich jetzt nicht. Der ist doch tot, oder?“

 

Wieder nickte ihr väterlicher Freund. „Genau. Im Moment kann ich mir auch noch keinen Reim daraus machen, aber Ducky bleibt bis auf weiteres erst einmal bei Tony im Krankenhaus. Wir müssen einfach warten bis er wieder ansprechbar ist. Dann sehen wir weiter. Und bis dahin….“ Er ließ den Satz unvollendet und nahm sein Handy wieder hervor. Schnell hatten seine Finger die richtige Nummer aus den Kontakten gewählt.

 

~~~***~~~

 

Die Türklingel riss Tabitha ruckartig aus ihren düsteren Gedanken. Schnell war sie auf den Füssen und rannte fast zur Haustür. Als sie diese schwungvoll öffnete, blickte sie in die warmen braunen Augen von Camerons Kinderarzt.

 

„Gott sei dank, da sind sie ja endlich.“ Platzte es unfreundlich aus ihr heraus.

 

Der Mediziner nahm seinen Koffer auf und trat an ihr vorbei in den Flur. „Es tut mir leid Miss Wearly, aber sie sind nicht mein einziger Hausbesuch heute.“ Versuchte er sich zu rechtfertigen, während Tabby ihm den nassen Mantel abnahm und diesen an der Garderobe hing.

 

„So, wo sind denn unsere beiden Patienten?“, fragte er und blickte sich suchend im Wohnzimmer um.

 

„Im Kinderzimmer. Ich bring sie hin.“

 

~~~***~~~

 

„Gibbs, Gibbs, Gibbsman“, sang Abby in den Telefonhörer als sie die Nummer ihres langjährigen Freundes und Vorgesetzten erkannte. Übermütig drehte sie sich einmal um ihre eigene Achse und ein lächeln erhellte ihre Gesichtszüge. Seitdem Tony aus dem Koma erwacht war, war die schwarzhaarige nicht mehr wieder zuerkennen. All ihr Kummer war schlagartig verpufft und selbst ein trüber und schneereicher Tag wie diese konnte ihrer guten Laune nichts anhaben.

 

Dabei war der Tag bisher recht langweilig verlaufen und sie hatte sich den ganzen Morgen mit bereits überfälligen Berichten herum schlagen drüfen. Nichts was ihr wirklich Spaß machte und schon gar nicht das sie ausfüllte. Darum kam ihr Gibbs Anruf gerade recht, doch als sie am anderen Ende seine angespannte Stimme hörte, wurde sie sofort ernst.

 

„Abbs, hör mir zu“, forderte er sie auf und erzählte ihr schnell das nötigste.

 

Still hörte die Kriminaltechnikerin zu. „Es geht Tony wirklich gut?“, fragte sie weinerlich und ergriff ihr Plüsch Nilpferd vom Schreibtisch.

 

„Ja doch“, antwortete ihr Boss ungeduldig. „Abby wir brauchen dich jetzt. Du musst dich um LeFrey kümmern. Wir müssen damals etwas übersehen haben. Oder es war zu dem Zeitpunkt noch nicht da. Jedenfalls musst du versuchen das Rätsel zu lösen“, sagte er bestimmend und hörte im Hintergrund Bert leise furzen.

 

Nur schwer konnte Abby ihre Angst bändigen und ihr Herz machte wilde Sprünge. In dem sie Bert noch fester an sich drückte und somit das Nilpferd zum wiederholten male zum furzen brachte, versuchte sie Gibbs Sätzen zu folgen. „Mia?“

 

„Wir werden sie finden, Abby“, kam es von ihrem Freund und schon war die Verbindung unterbrochen. Während sie Bert langsam aus ihrer mörderischen Umarmung löste, wählte sie Tims private Nummer.            

 

„Timmy“, rief sie sofort in den Hörer, als das tuten verstummte. „Komm zum Stützpunkt. Ich brauch deine Hilfe. Sofort!“

 

~~~***~~~

 

„Die Windpocken?“

 

„Ja, die Symptome sprechen dafür.“

 

„Aber heute früh waren beide noch ganz gesund.“ Verständnislos blickte sie ihn an. Sie kannte sich mit Windpocken aus, immerhin hatte sie lange in der Kinderfürsorge gearbeitet und wusste das diese Krankheit mindestens eine Inkubationszeit von 10 Tagen hatte.

 

„Wahrscheinlich haben sie sich schon vorher angesteckt. Die beiden gehen doch schon in den Kindergarten? Das ist ein prima Spielort für alles Viren und Keime die man kennt“, fügte er mit einem Grinsen hinzu.

 

Tabitha schüttelte noch immer fassungslos dem Kopf. „Die Windpocken?“, wiederholte sie leise, mehr zu sich als zu ihm. Nie im Leben wäre sie darauf gekommen. Dafür war der Krankheitsverlauf einfach zu untypisch. „Und jetzt?“

 

Grinsend klappte er seinen Koffer wieder zu und nahm sich den Rezeptblock vor. „Jetzt bekommen die Beiden etwas gegen das Fieber und ein Virenhemmendes Mittel und dann müssen sie nur noch aufpassen, das sie viel trinken und sich nicht übermäßig kratzen“, teilte er ihr mit und füllte gleichzeitig das Rezept aus. Plötzlich stockte er. „Sagen sie, hatten sie die Windpocken eigentlich?“

 

„Ja, ja, natürlich. Ich glaube ich habe alle Kinderkrankheiten durch.“

 

Fragend sah er sie an. „Glauben sie, oder wissen sie das? Denn wenn sie sich anstecken würden, das wäre gleich schlimmer. In den meisten Fällen entstehen so Gürtelrosen.“

 

Tabby schüttelte den Kopf. „Nein, da brauchen sie sich keine Gedanken machen. Die Windpocken hatte ich auf alle Fälle. Ich bin mir nur nicht bei meinem Lebensgefährten oder der Dillans Mutter sicher. Aber ich werde sie vorher fragen.“

 

„Gut, dann wäre es das. Bei normalen Verlauf sollte das Fieber schnell fallen und in fünf Tagen ist der Spuk schon überstanden.“ Noch immer grinsend nahm er seinen Koffer wieder auf und ging leise um die beiden Jungen nicht zu wecken in den Flur.

 

„Tabitha rappelte sich ebenfalls auf. „Warten sie, ich bring sie noch zur Tür“, sagte sie und machte sich schon Gedanken, wie sie das Gibbs und Ziva beibringen sollte.

 

~~~***~~~

 

Tony lag wieder in seinem unbequemen Krankenhausbett und wartete auf die erlösende Nachricht, dass er alles nur geträumt hatte. Das seine Kleine zu Hause im Bett lag und nicht verschwunden war. Aber er wusste dass er sich da etwas vormachte und diese Gewissheit nagte an ihn, machte ihn nervös und fahrig.

 

Gott, er fühlte sich schlecht. Schlimmer als schlecht. Er hatte fast überall Schmerzen und die wenigen Stellen, die ihm nicht wehtaten, waren geschwächt. Der Sturz auf dem Bett, hatte seinen verheilenden Brüchen nicht gut getan. Noch während seiner Bewusstlosigkeit hatten sie ihn geröntgt. Die Lunge, seine Schulter, fast die gesamte rechte Seite. Später war dann ein Arzt zu ihm gekommen, nicht der junge, sondern ein ihm unbekannter, älterer Mann, der sich bedrohlich vor ihm aufgebaut hatte um ihn, wie es schien, ordentlich die Leviten zu lesen.

 

 

„Wollen sie unbedingt länger unser Gast bleiben?“, hatte er ihn gefragt und ihn dabei bedrohlich angesehen. „Wenn ja, dann sind sie auf dem besten Weg dahin.“ Als er den Patienten betroffen den Kopf wegdrehen sah, fuhr er fort. „Ich weiß was sie im Moment durchmachen. Die Schwestern haben mir die Sache mit ihrer Tochter erzählt. Aber um es ihnen noch einmal verständlich zu machen. Sie können ihr nicht helfen. Sie sind zu schwach um sich an der Suche zu beteiligen. Alles was sie im Moment für sie tun können, ist sich auf sich selber zu konzentrieren. Ich denke das haben sie bemerkt.“ Nach einem tiefen Atemzug, sprach er weiter. „Wir werden gleich noch einmal ihre Schulter richten müssen. Das wäre nicht nötig gewesen, wenn sie sich an die Anordnungen gehalten hätten.“ Wieder suchte er Tony Blick. „Aber ein gutes hatte es auch. Ihre Lunge hat sich voll entfaltet.“ Als er sah, dass sich auf Tonys Gesicht ein kleines Lächeln breit machte, hob er drohend den Finger. „Doch bevor sie jetzt wieder aus dem Bett stürmen und hier ein weiteres Chaos anrichten, lassen sie sich gesagt sein. Sie können noch nicht laufen. Ein paar Schritte ja, aber keine längeren Strecken. Ihre Muskeln haben sich auf Grund der langen Liegezeit zurückgebildet. Das braucht seine Zeit.“ Als der Arzt anstalten machte zu gehen, hielt ihn Tony zurück.

 

„Danke“, kam es ziemlich reumütig von ihm.

 

„Nein, sie müssen sich nicht bedanken, denn dafür sind wir ja da. Sehen sie lieber zu das sie wieder auf die Beine kommen. Wenn es geht, ohne doppelten Salto“, sagte er lächelnd und ging auf die Tür zu. „Ach ja, jetzt hätte ich es doch beinah vergessen. Sie werden jetzt auf die normale Station verlegt. Ihre Lungenwerte sind ganz akzeptabel und die Brüche können auch dort behandelt werden. Ich wünsche ihnen viel Glück, Agent DiNozzo.“

 

 

Jetzt lag er mit frisch korrigierter Schulterfaktur alleine in einem Zweibettzimmer und wartete auf Ducky und auf die Krankenschwester die ihm etwas gegen die neu aufgeflammten Schmerzen in seinem Arm bringen wollte.

 

 

tbc.............................

 

 

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Kommentare: 5
  • #1

    Best Juicer (Samstag, 13 April 2013 12:46)

    This is a great article! Thank you for sharing!

  • #2

    Sylvia (Donnerstag, 19 Dezember 2013 11:29)

    Love it! Ich kann es gar nicht erwarten bis es weitergeht! Ich warte auch schon sehnsüchtig auf die Fortsetzung von "Lost together". Du hast ein unglaubliches Talent mit Deinen Stories Leser regelrecht zu fesseln! Vielen Dank und schreib schnell weiter!

  • #3

    Jethro:) (Donnerstag, 30 Januar 2014 16:33)

    Super!!:):)
    Aktion, Spannung, Liebe und das alles zsm, ganz große Klasse:D wo geht es weiter ?!

  • #4

    Ashlie (Samstag, 22 Februar 2014 10:14)

    Mach bitte schnell weiter. Super geschichte

  • #5

    cathi (Montag, 29 August 2016 21:07)

    Einfach super.echt cool.aber geil