Autor: Marah Jade
Beta Leserin: Zazu
Rating: FSK 12
Spoiler: Nein, eigentlich nicht.


Disclaimer: Alles nur ausgeliehen: Alle Rechte an den Fernseh-Serien NCIS ihren Charakteren und Handlungssträngen gehören Donald P. Bellisario, Belisarius Productions, CBS und Paramount.

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Qualen des Lebens


Mein Name ist Anthony DiNozzo, ich bin ein Special Agent des NCIS und mein Leben endete an einem schönen, sonnigen Tag im April.

Wir hatten einen neuen Fall und waren auf den Weg zum Tatort. Gibbs fuhr ausnahmsweise einmal den Truck selber und meine liebreizende Kollegin und ich stritten uns die ganze Fahrt über. Als wir ankamen und der Wagen hielt, öffnete ich sofort die Tür und sprang aus dem Wagen, um ihr klar zu machen, was ich von ihrer Ansicht hielt. Vielleicht hätte ich vorher in den Spiegel sehen sollen. Das Wort „vielleicht“ ist eine Gleichung mit Unbekannten. Jedenfalls sah ich den Bus, der an uns vorbei fuhr, nicht. Ich fühlte auch den Flug durch die Luft oder den Aufprall auf dem Boden nicht. Meine Augen waren weit geöffnet, aber ich fühlte nichts. Ich habe alles an mir vorbei fliegen sehen. Alles im Sekundentakt. All meine Erfolge, aber auch all meine Missetaten.

So lag ich auf dem Boden, konnte mich nicht bewegen und das atmen klappte auch nicht mehr, aber mein Gehirn leistete zu dem Zeitpunkt wahre Rekorde. Ich sah die Aufregung und das Entsetzen in den Gesichtern meiner Freunde. Ich sah meine schöne Kollegin, Freundin, Geliebte, die meine Hand hielt und dabei lief ihr eine einsame Träne über die Wange. Ich sah meinen Boss, der mir etwas zu rief, das ich aber nicht verstand. Gerne hätte ich ihnen zugesprochen, sie beruhigt, denn in mir war eine seltsame Ruhe. Ich sah das Notarztteam, ich sah wie sie an mir arbeiteten, aber ich spürte sie nicht. Ich spürte nichts, auch keine Schmerzen und dann nach einer gefühlten Ewigkeit, verengte sich mein Gesichtsfeld und es wurde langsam immer dunkler, bis es irgendwann nur noch schwarz um mich herum war und jetzt erst schaltete sich auch mein Gehirn auf Sparflamme.

Was in den nächsten Tagen und Wochen passierte, weiß ich nur aus Erzählungen. Ich selbst kann mich erst wieder an den Tag erinnern, an dem ich letztendlich aus dem Koma erwachte. Unschuldig und nackt, wie ein Neugeborenes. Es ist schwer wieder in ein Leben zurück zu finden, mit dem man schon abgeschlossen hat. Seltsame Geräusche drangen an meine Ohren, ein Piepen und Pfeifen. Ich konnte mich nicht bewegen, nicht sprechen, meine Augen blickten verschwommen und mein Verstand war verschwunden. „Wer war ich? Was war ich? Und was machte ich hier?“
Ich war nicht alleine, doch die Leute um meinem Bett machten mir Angst und das einzige was ich beherrschte waren meine Augen, die ich öffnen und schließen konnte. Der Raum war kalt und weiß eingerichtet und das einzige das an der Wand hing war ein großes Holzkreuz.

Später als mein Gehirn wieder so halbwegs funktionierte, hat man mir erzählt, das man mit meinem Aufwachen nicht mehr gerechnet hatte. Es war ein Sterbezimmer, in das man mein Bett geschoben hatte. Ein Zimmer um den Familienmitgliedern Gelegenheit zu geben, sich in Ruhe von dem Sterbenden zu verabschieden. Und genau das hatte sie auch getan, oder sagen wir besser sie haben es versucht. Dabei muss dann wohl irgendein Funke übergesprungen sein, der meinen bereits erloschenen Motor wieder zum laufen gebrachte.

Ich wusste damals nicht wer die Leute waren, ich konnte auch nicht zwischen Ärzten und Freunden unterscheiden. Alles war fremd, alles hatte ich verlernt. Es gab keine Wiedersehensfreude meinerseits, nur Entsetzen und ein Gefühl der Hilflosigkeit.

Eine junge Frau mit den schwarzen Zöpfen und einem Tattoo am Hals, die vor Freude über mein Erwachen, vor meinem Bett auf und ab hüpfte, machte mir am meisten Angst. Der grauhaarige ältere Mann musterte mich die ganze Zeit aus eisblauen Augen, die mir seltsamerweise irgendwie bekannt vor kamen. Ein älterer Herr stand etwas abseits, strahlte mich aber auch unentwegt an und der junge Mann an seiner Seite, war einfach viel zu dünn für seine Größe. Die schöne junge Frau die an meinem Bett saß, weinte dicke Tränen und flüsterte einen Namen. Meinen Namen? Tony? Ich konnte es nicht sagen und das lag nicht alleine an dem Tubus der in meinem Hals steckte und meine Lungen mit Sauerstoff versorgte. Ich kann es auch heute noch nicht mit Sicherheit sagen. Denn ich bin geboren an dem Tag, an dem ich aufwachte.

Von da an kam das Leben zurück. Stück für Stück. Ich konnte nicht sprechen, nicht laufen und auch nicht alleine Essen, aber ich hatte eh zu anfangs keinen Hunger. In den ersten Wochen musste ich weiterhin per Magensonde ernährt werden, da mein Schluckreflex nicht funktionierte. Meine unteren Extremitäten waren zertrümmert. Beide Beine mehrfach gebrochen, dazu das Becken. Innere Verletzungen, eine entfernte Milz, mehrere gebrochene Rippen, eine Prellung der Wirbelsäule, deren Schwellung Druck auf Nerven ausübte, die dafür sorgten das ich meine Beine nicht spüren konnte, wofür ich im Moment auch dankbar war und ein Schädel Hirn Trauma das das Koma und die Amnesie hervorgerufen hatte. Es wäre leichter gewesen die Teile aufzuführen die noch schmerzfrei funktionierten.

Es war ein steiniger Weg zurück, der nicht nur Erfolge mit sich brachte. Aber ich kämpfte, ich wusste nicht wofür, aber es lag mir wohl im Blut. Ich kämpfte um meinen Verstand und um meinen Körper. Wobei die junge Frau, deren Name Ziva war, immer dabei war. Wachte ich auf, war die da, schlief ich ein war sie die letzte Person die ich sah und das berührte mein Herz eigentümlich.
Als ich es schaffte das erste mal wieder alleine ein Glas zu halten, war sie fassungslos vor Glück. Als ich sie das erste Mal mit ihrem Namen ansprach, weinte sie. Dabei kam er noch nicht einmal flüssig über meine Lippen. Jede Silbe musste ich mir in meinem gequetschten Gehirn zusammen suchen. Von da an ging es immer weiter bergauf. Ich lernte wieder sprechen, auch wenn meine Stimme sich für mich immer noch fremd anhört. Sobald die Schwellung an meiner Wirbelsäule nachließ, kehrte auch das Gefühl in meinen Beinen zurück. Die ersten Schritte, nach all den Wochen, waren klein und schmerzhafter als ich mir hätte vorstellen können, aber es waren Schritte. Meine Schritte.

In dieser Zeit lernte ich auch neue Freunde, meine Familie kennen. Eigentlich waren sie die ganze Zeit über da, aber ich hatte vorher einfach nicht die Kraft mich mit ihnen zu beschäftigen. Aber jetzt, wo ich es wieder schaffe zehn Schritte am Stück zu gehen, mein Frühstück selber zu mir zu nehmen und einen Satz aus mehr als zwei Wörtern zu bilden und zu sprechen. Jetzt habe ich auch für sie Zeit.

Die junge Frau die mir in den ersten Tagen solch eine Angst eingejagt hat, wurde meine beste Freundin. Abby, unsere Kriminaltechnikerin. Ich kann mir noch nicht einmal vorstellen was dieses Berufsbild überhaupt bedeutete. Ducky der Pathologe mit seinem Assistenten Jimmy, der von sich selbst als Autopsie Gremlin spricht. Tim der große, viel zu schlanke Junge, der mich immer nötigt ihn Bambino zu nennen. Obwohl ich nicht verstehen kann, was er an den Namen findet. Und Gibbs, mein Boss. Von dem mir nur die Augen geblieben sind. Sie alle sind immer da, wechseln sich ab, geben sich sozusagen die Klinke in die Hand. Von der Minute meines Erwachens, bis heute. Sie sagen sie kennen mich, doch ich kenne sie nicht und lerne jeden wieder aufs Neue kennen und nach dem ersten halben Jahr, kann ich sagen, das ich Abby wie eine Schwester liebe. Sie bringt mich auch an den schlechtesten Tagen zum lachen. Tim, Ducky und Jimmy sind mir gute Freunde geworden, auch wenn ich ihre Späße nicht immer nach voll ziehen kann. Gibbs? Er hat ein wenig die Rolle eines Vaters übernommen, nachdem sich mein eigener so schnell aus dem Staub gemacht hat. Und Ziva? Ziva ist immer für mich da. Wenn ich sie sehe, spüre ich das ich noch lebe.

Tja, wie wird mein Leben nun weiter gehen? Die Ärzte rechnen nicht mehr damit das ich mein Gedächtnis jemals zurück bekomme. Dafür ist schon zu viel Zeit vergangen. Mein Körper heilt langsam, nichts geht mehr so schnell wie in der Jugend. Ich laufe mittlerweile an die 100 Meter ohne Unterbrechung und das ist ein riesiger Fortschritt. Seit kurzem bin ich aus dem Krankenhaus raus und bei meinem Boss untergekommen. Allein zurecht käme ich noch nicht. Es geht Bergauf, aber halt nur langsam. Trotzdem werde ich mein Leben umorganisieren müssen. Ich werde nie wieder in den Außendienst können und da mache ich mir nichts vor, ich könnte das Tempo gar nicht halten. Wenn ich Glück habe, kann ich irgendwann in den Innendienst zurück. Das gute an meiner Amnesie ist, das ich mein altes Leben nicht vermissen werde. Aber ich habe Ziele und mein erstes Ziel wird sein, wieder unabhängig zu werden. Nicht das es mir bei meinem Boss nicht gefallen würde. Ich liebe die Abende, die ich ihm beim Bootsbau zusehen darf. Aber die Unabhängigkeit bedeutet viel für mich. Und vielleicht, wenn ich fähig bin 500 Meter am Stück zu gehen, werde ich Ziva bitten meine Frau zu werden. Aber das Wort „vielleicht“ ist eine Gleichung mit Unbekannten und es kann noch viel bis dahin passieren.

Mein Name ist Anthony DiNozzo, ich bin ein Special Agent des NCIS und mein Leben begann an dem Tag an dem ich aus dem Koma erwachte.


*** E N D E ***

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Kommentare: 2
  • #1

    Ziva-Ute (Samstag, 17 März 2012 17:13)

    Hallo,

    Noch kein Eintrag? Das geht doch nicht.
    Also zuerst nach den ersten Worten wollte ich nicht weiter lesen. Deshalb habe ich geschummelt und bin ganz nach unten gesaust.
    Danach habe ich mich dann getraut.
    Du läst Tony da ja ganz schön was durch machen. Aber es war nachvollziehbar. Wenn das Gedächtnis weg ist, was ist dann? Und wenn man sein Leben neu beginnen muß, das ist hart. Rührend waren Palmer mit Autopsie Gremlin und Tim mit Bambino. Klar das Tony das nun nicht mehr verstand.
    Ja und vor Abby kann man durchaus Angst haben.
    Schön fand ich, das alle sich um Tony bemüht haben und er lernte, sie wieder als seine Familie zu sehen.
    Eine schöne Geschichte und wunderbar von Dir erzählt.

    Gruß, Ute.

  • #2

    Crazy-NCIS (Mittwoch, 21 März 2012 17:20)

    Interessant, was du mit Tony angestellt hast.
    Hart, sein Gedächtnis zu verlieren - alles. Alles zu verlernen, alle zu vergessen - nichts mehr da...
    Den Anfang und das Ende find ich schön geschrieben. Und das mit dem "vielleicht" ist auch gut. Könnte ich fragen, was dieser Satz bedeutet? So ganz komm ich da nicht hinter. Darf ich den auch benutzen? Ich denke irgendwann findet sich die passende Situation dafür ihn zu benutzen. Vielleicht in einer meiner NCIS FanFictions...
    Liebe Grüße von mir