Inhalt: Es weihnachtet in Washington D.C. Letztes Jahr fand die Teamfeier bei Gibbs und Tabitha statt. Doch in diesem Jahr wollen die DiNozzos, Gibbs Gastfreundschaft um längen schlagen. (Storyline rund um Milena und Co.)

Autor: Mara Jade

Beta Leserin: agentES

Rating: FSK 12
Genre: Action, Drama, Romanze, Whump
Spoiler: keine mir bekannten

Charaktere: Jethro Gibbs, Tony DiNozzo, Ziva David, Tim McGee, Abby, Ducky, Tobias  und ein paar andere Charaktere.
Pairing: TIVA und ein bisschen McAbby und Gibbs mit OC.

Disclaimer: Alles nur ausgeliehen: Alle Rechte an den Fernseh-Serien NCIS ihren Charakteren und Handlungssträngen gehören Donald P. Bellisario, Belisarius Productions, CBS und Paramount.
Die Story und die nicht in den Serien erwähnten Personen und Orte sind meiner Fantasie entsprungen. Mögliche Ähnlichkeiten mit lebenden Menschen oder realen Ereignissen sind reiner Zufall und nicht von mir beabsichtigt!!!

 

Diese Geschichte ist nicht für die freie Verbreitung im Netz vorgesehen. Sollte jemand Interesse daran haben diese Story auf anderen Seiten zu posten oder zu verlinken, bitte vorher bei mir melden!

 

 

 

 

Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum…..

 

 

Laut singend hüpfte Milena durch den Schnee. Mit ihren Füßen wirbelte sie kleine Eislawinen auf. Ihre Mommy hatte darauf bestanden das Mia nicht nur die Schneeboots, sondern auch eine dicke Mütze aufsetzte. Auch wenn sie anfangs gemault hatte, war sie ihr jetzt doch dankbar, denn die Temperaturen waren weit unter Null.

 

Immer wieder drehte sie sich zu ihrem Vater um, der mit wesentlich langsameren und vorsichtigeren Schritten hinter ihr her kam. „Komm schon Daddy, du bist zu langsam. Wir müssen doch noch einen Weihnachtsbaum finden.“

 

Leise vor sich hin fluchend zog Tony seinen Kopf immer tiefer in den warmen Kragen seiner Winterjacke. Er hasste den Winter, den Schnee, die Kälte und alles was damit zusammen hing. Sie waren jetzt schon eine kleine Ewigkeit unterwegs, hatten schon das halbe Viertel und mehrere Weihnachtsbaumverkäufer hinter sich gebracht. Aber bis jetzt hatte Milena kein Baum gefallen und auch alles gute Zureden ihres Vaters hatte nichts gebracht. Also waren sie weiter gezogen, trotz immer dichter werdenden Schneefalls und Temperaturen die ihm die Finger gefrieren ließen.

 

„Nicht so schnell Mia. Die Wege sind glatt“, rief er seiner Tochter zu, doch der kleine Wirbelwind war schon um die nächste Häuserecke gebogen und außer Sichtweite. Genervt blickte er auf seine Schuhe. Welcher Teufel hatte ihn nur geritten seine guten, handgenähten Italos bei diesem Sauwetter anzuziehen? Nicht nur das er das Gefühl hatte seine Zehen wären abgestorben, die schicken Schuhe fanden auf dem schneebedeckten Boden auch kaum Halt und schon mehr als einmal hatte er einen unfreiwilligen Stunt hingelegt. Bisher war außer einer immer nasser werdenden Hose nichts passiert, aber er hatte auch nicht vor die Weihnachtsfeiertage im Krankenhaus zu verbringen. „Milena!“, rief er lauter. Als sie sich nicht meldete, beschleunigte er wieder seine Schritte und geriet fast sofort ins Rutschen. „Schei……..!“, fluchte er lauthals, schaffte es aber noch rechtzeitig sich an der Straßenlaterne abzufangen, bevor sein Hosenboden erneuten Kontakt mit dem schneebedeckten Bürgersteig aufnahm. „Mia, verdammt noch mal!“, brüllte er in ihre Richtung und versuchte gleichzeitig wieder auf die Füße zu kommen. „Wie häufig habe ich dir schon gesagt…..“

 

„Daddy, jetzt komm endlich“, hörte er da ihre Stimme und im nächsten Augenblick stand sie schliddernd vor ihm. „Was machst du denn da?“, fragte sie neugierig und zog dabei eine Augenbraue hoch.

 

Tony, der mittlerweile wieder beide Füße fest auf dem Boden verankert hatte, sah sie böse an. „Ich habe mir Sorgen gemacht, junge Dame. Wie häufig habe ich dir schon gesagt…“

 

Doch sie ließ ihn nicht ausreden. „Komm schnell Daddy. Ich hab ihn gefunden. Da hinten steht unser Weihnachtsbaum.“ Schnell ergriff sie seine Hand und zog ihn hinter sich her.

 

„Mia, nicht so schnell!“

 

„Komm doch endlich“, antwortete seine Tochter darauf. „Wenn wir uns nicht beeilen, dann kaufen ihn nachher noch andere Leute.“

 

Trotz der Kälte hatten sich auf den Wangen des Mädchens hektische Flecken gebildet und in ihren Augen spiegelte sich die Vorfreude. Und ihr Vater gab sich geschlagen. Er konnte ihr einfach nichts abschlagen. Sie war seine wunde Stelle. Seine kleine Principessa. Also wappnete er sich und ließ sich von ihr weiter ziehen.

 

~~~***~~~

 

Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, schob Ziva den Braten in den Ofen. Endlich hatte sie das Essen soweit vorbereitet. Milena hatte ihr zwar in der Küche helfen wollen, aber Ziva war mehr als froh dass Tony seine Tochter zum Weihnachtsbaumkauf mitgenommen hatte. Es machte ihr zwar großen Spaß mit der Kleinen zu Kochen oder zu Backen, aber heute hätte sie nur gestört und Ziva von der Arbeit abgehalten.

 

Den zweijährigen Dillan interessierte die Küche überhaupt nicht. Ziva hatte ihm eine Kinderfilm DVD angemacht und er saß gedankenverloren, inmitten seiner Stofftiere, auf der Couch. Wie der Vater, so der Sohn, dachte sie schmunzelnd.

 

Während sie zum Küchenfenster ging, dachte sie an den bevorstehenden Abend. In diesem Jahr würde das Familien Weihnachtsfest bei ihnen stattfinden und alle würden kommen. Gibbs und Tabitha, Ducky, Palmer und seine junge Ehefrau, Abby und Tim. Leider hatte Gibbs Vater und Tonys Dad die Einladung nicht annehmen können, aber sie hatten beide für die Kinder Geschenke vorbei geschickt. Die jetzt eigentlich nur noch darauf warteten unter den noch nicht vorhandenen Weihnachtsbaum gelegt zu werden.

 

Verträumt schaute sie aus dem Fenster. Ziva liebte diesen Teil des Jahres. Die Lichter in den Straßen, das hektische Treiben in den Geschäften, das Vorbereiten der Geschenke, den Schnee und die Kälte. Doch so sehr sie den Ausblick auch liebte, es gab noch einiges zu tun. Der Tisch musste noch eingedeckt werden und Tony.... Etwas besorgt sah sie auf ihre Armbanduhr. Eigentlich hätte er schon lange wieder da sein sollen. Was konnte so schwer sein, einen Tannenbaum zu kaufen, dachte sie und wollte gerade zu ihrem Handy greifen, als sie die Türglocke hörte. Wer konnte das jetzt sein? Ob Tony seinen Schlüssel verloren hatte?, fragte sie sich während sie zur Wohnungstür lief und diese öffnete.

 

„Hallo Mrs. DiNozzo. Ich hoffe sie können mir helfen?“

 

„Mrs. Marino, was kann ich denn für sie tun?“, fragte Ziva die ältere Dame von gegenüber, die sie völlig aufgelöst anblickte.

 

„Mein Sohn und seine Familie haben sich überrascht angemeldet und ich habe ganz vergessen Eier zu kaufen. Seit mein Mann vor einem Jahr gestorben ist, bin ich immer so unkonzentriert beim Einkaufen. Jetzt habe ich den Teig schon angefangen anzurühren......"

 

Ziva lächelte die Nachbarin beruhigend an. "Wenn es mehr nicht ist, Mrs. Marino, da kann ich Ihnen aushelfen. Wie viele Eier brauchen sie denn?"

 

„Drei, drei dürften genügen“, kam es von der alten Lady.

 

Schnell war Ziva zurück zur Küche gelaufen und holte die versprochenen Eier. „Wenn ihnen noch etwas fehlt, dann kommen sie einfach noch einmal herüber“, sagte sie, während sie ihrer Nachbarin die Eier in die Hand legte.

 

„Danke, junge Frau. Sie haben mir sehr geholfen, sonst hätte ich bei dem Wetter noch einmal vor die Tür gemusst. Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben ein schönes Weihnachtsfest“, sagte sie im Gehen.

 

„Ihnen auch, Mrs. Marino!“, rief Ziva ihr nach, dann schloss sie langsam die Tür und ging ins Wohnzimmer. An der Zarge blieb sie überrascht stehen. Dillan war trotz des Films, friedlich auf dem Sofa eingeschlafen. Lächelnd griff Ziva zur Fernbedienung und schaltete den Player aus. Als sie ihre Augen wieder auf ihren Sohn richtete, machte ihr Herz vor Liebe einen kleinen Sprung. All die schlaflosen Nächte, die sie teilweise fluchend an seinem Bett gesessen hatte. All die Ängste und Sorgen die sie schon wegen ihm hatte. All das war in diesem Moment vergessen. Sie spürte nur ein tiefes befriedigendes Gefühl von Liebe. War es das, was es hieß, Mutter zu sein?

 

Leise, um ihn nicht zu stören, trat sie an die Couch und strich Dillan die dunklen Locken aus der Stirn. Nur mit größter Not konnte sie selber ein Gähnen unterdrücken. Jetzt wo sie ihn so liegen sah, bemerkte sie erst wie müde sie in Wirklichkeit war. Was sprach dagegen, wenn sie sich solange Tony und Mia noch nicht zurück waren, etwas Ruhe gönnte? In dem Moment machte Dillan im Schlaf einen tiefen Seufzer, was Zivas Mutterherz fast zum platzen brachte. Schnell holte sie eine zusätzliche Decke, kuschelte sich an ihren Sohn und war augenblicklich eingeschlafen.

 

~~~***~~~

 

„Und das ist jetzt der richtige?“, frage Tony seine Tochter zweifelnd.

 

„Ja“, kam es von der Kleinen, die gerade die vierte Runde um den Baum ging und sich jeden Zweig aus der Nähe ansah. „Der ist es. Der und kein anderer.“ Bestimmt nickte sie ihm zu.

 

„Super“, sagte Tony und hauchte in seine Hände, die langsam zu Eisklumpen erstarrten. Mit noch immer tauben Fingern zog er seine Brieftasche aus der Jackeninnentasche und bezahlte ohne groß zu handeln den Wucherpreis für den „so tollen“ Baum. Er war nur glücklich dass der Ausflug jetzt ein Ende hatte und er freute sich auf die warme Behaglichkeit ihrer kleinen Wohnung.

 

~~~***~~~

 

Mrs. Marino schob gerade den Kuchen in den Backofen, als das Telefon schellte. So schnell es ihre müden Knochen zuließen, lief sie ins Wohnzimmer um das Gespräch anzunehmen.

 

„Marino?“

 

„Hallo Elfi, ich bin es, Justine.“

 

Voller Freude über den seltenen Anruf einer alten Freundin setzte sie sich in ihren gemütlichen Ohrensessel. „Meine Güte Justine, wie lange ist das jetzt her? Wie geht es dir und deiner Familie?“

 

„Elfi, ich bin im Moment hier in D. C. bei meiner Tochter. Wenn du willst, dann komm zu uns und wir können ein bisschen über die alte Zeit reden.“

 

Mrs. Marino schaute auf die Uhr. Bis ihr Sohn kam, würde es noch ein paar Stunden dauern. Das war zu schaffen. „Ich hol mir ein Taxi und komme vorbei. Bis gleich Justine“, sagte sie und legte beschwingt auf. Sie stand auf, zog ihre Stiefel an, holte ihren Mantel und verließ die Wohnung. An den Kuchen, den sie noch im Backofen hatte, dachte sie nicht mehr.

 

~~~***~~~

 

Fluchend parkte Tony seinen Wagen drei Straßen von ihrem Apartmenthaus entfernt, am Straßenrand. Irgendwo musste etwas passiert sein. Die Polizei hatte die Hauptstraße großräumig abgesperrt und vereinzelt konnten sie noch die Feuerwehr hören.

 

„Es bringt nichts Mia, wir müssen den Baum nach Hause tragen“, teilte er seiner Tochter mit, stieg aus und öffnete ihr die Tür.

 

„Ist doch nicht so schlimm Daddy“, kam es von der Kleinen. „So schwer ist der Weihnachtsbaum doch gar nicht und es schneit so schön.“  Völlig entzückt von den dichten Schneeflocken, packte sie die Spitze des Baums, während ihrem Vater die hintere Last blieb.

 

Mit heraus gestreckter Zunge lief Milena vor ihm her und fing einzelne Schneeflocken auf. Je näher sie ihrem Wohnhaus kamen, umso dichter wurde das Schneetreiben und ein seltsamer Geruch nach verbranntem Holz lag in der Luft.

 

„Sie können hier nicht weiter“, hörte Tony eine Stimme und wurde aus seinen Gedanken gerissen.

 

Irritiert sah er den Polizisten neben sich an. „Entschuldigung, aber wir wohnen dort.“

 

„Ich schätze jetzt nicht mehr“, kam es wieder von dem Polizisten und er schenkte den Beiden ein mitleidiges Lächeln.

 

Erst jetzt fiel Tony auf, dass es sein Apartmenthaus war, das lichterloh brannte. Er erkannte einige seiner Nachbarn, aber wo war Ziva und sein Sohn? Im nächsten Moment sah er auch schon seine direkte Nachbarin, völlig aufgelöst, auf sich zu kommen.

 

„Es ist alles meine Schuld“, sagte sie und zog die sprachlose Milena in ihre Arme. „Ich bin schuld. Nur ich alleine.“ Verwirrt wie sie war, stieß sie jetzt die Kleine wieder von sich.

 

Mia wusste gar nicht wie ihr geschah und schaute abwechselnd zu ihrem Zuhause und ihrem Vater auf.

 

„Daddy?“, fragte sie ängstlich. „Wo ist Mommy?“

 

Tony schluckte, dann fasste er Mrs. Marino an den Schultern und schüttelte sie leicht. „Was ist passiert? Und wo ist meine Frau?“ Die letzte Frage war eher an den Polizisten gerichtet als an seine Nachbarin.

 

„Ich bin schuld, ich bin schuld...“ Immer wieder und wieder wiederholte sie den gleichen Satz. „Es ist alles meine Schuld. Die Eier..... OH GOTT ihre Frau!“

Er merkte schnell, dass sie völlig unter Schock stand, ließ sie wieder los und wandte sich an den Polizeibeamten.

 

„Sind noch Personen im Gebäude? Meine Frau und mein kleiner Sohn?“

 

„Keine Ahnung aber es ist noch ein Team vor Ort. Sie durchsuchen das Gebäude. Welcher Stock?“, fragte der Beamte und zog sein Sprechfunkgerät vom Gürtel.

 

"Fünfter“, sagte Tony und seine Augen suchten noch einmal die Straße nach Ziva ab.

 

~~~***~~~

 

Sie konnte nicht mehr richtig durchatmen und ein Hustenanfall riss Ziva aus dem Schlaf. Verwirrt blickte sie sich im Wohnzimmer um. Dichter Qual kam unter der Tür durch und sorgte für einen erneuten Hustenanfall. Es brannte. Sofort waren ihre Sinne in Alarmbereitschaft und ihre erste Sorge galt ihrem kleinen Sohn, der schlaff in ihrem Armen hing. Sanft versuchte sie ihn wach zu schütteln.

 

„Dillan aufwachen. Komm Schatz. Schau Mommy an.“

 

Doch der Kleine rührte sich nicht und eine leichte Panik überkam die junge Mutter. Nicht mehr ganz so sanft schlug sie ihm leicht gegen die Wangen. Als sie sah, wie er seine grünen Augen träge öffnete, fiel ihr ein Stein vom Herzen. Doch im selben Moment explodierte etwas laut im Flur und Mutter und Sohn fuhren erschreckt zusammen. Dillans Augen blickten sie fragend an, dann schlug die Angst zu und das Kleinkind fing an zu schreien. Ziva zog ihn fester in ihre Arme, lief ins Badezimmer, machte ein Handtuch nass und wickelte das schreiende Kind darin ein. Ein zweites Tuch presste sie sich vor den Mund, lief zur Wohnungstür, öffnete diese und blickte in ein Flammenmeer. Schnell schmiss sie die Tür wieder zu. Hier würden sie nicht mehr herauskommen. Sie versuchte die Panik zu unterdrücken, um logisch denken zu können. Sie hatte eine militärische Ausbildung, sie war eine Mossad Agentin. Was hatte sie gelernt? Was war zu tun? Wenn Sie alleine gewesen wäre, hätte sie den Weg durch das Treppenhaus versucht, aber ein Schluchzen an ihrer Schulter rief ihr wieder in Erinnerung, dass sie nicht mehr alleine war. Sie hatte einen kleinen Sohn, den sie beschützen musste. Es musste einen anderen Weg geben, aber ein erneuter Hustenanfall zwang sie in die Knie.

 

~~~***~~~

 

Tony lief wie ein Tiger im Käfig vor der Absperrung auf und ab. Noch immer war das Rettungsteam im Gebäude. Noch immer wusste er nichts über den Verbleib seiner Familie. Immer wieder blickte er zwischen seiner Tochter, dem brennenden Wohnhaus und seiner verwirrten Nachbarin hin und her. Leise hörte er Mia aufschluchzen und als es im Gebäude eine Explosion gab, fasste er einen Entschluss. Zügig ging er zu seiner Tochter, die zusammen mit Mrs. Marino, neben dem im Schnee liegenden Weihnachtsbaum stand.

 

„Mia, ich geh und hol Mommy und Dillan und du wartest hier auf uns. Nicht weglaufen“, sagte er bestimmend und blickte wieder zum Wohnhaus.

 

Tapfer zog sie ihre laufende Nase hoch und sah ihn an. „Einer muss doch auf unseren Baum aufpassen.“

 

„Genau und das wirst du sein“, teilte er ihr mit einem kurzen Lächeln mit und zog ihr die Mütze tiefer ins Gesicht. „Bleib einfach hier stehen und warte. Dann kann dir nichts geschehen. Und wenn etwas ist, dann gehst du zu einem der Polizisten.“ Aufmunternd nickte er ihr zu.

 

„Oder zu Mrs. Marino!“

 

„Genau“, sagte Tony und warf der Dame einen abschätzenden Blick zu. Wahrscheinlich würde sie sich eher an seine Tochter wenden, als das sie ihr eine große Hilfe wäre.

 

~~~***~~~

 

Mit großen Augen sah Milena ihrem Vater hinterher, der sich mehr rutschend als laufend auf die Absperrung zubewegte. Traurig und auf einmal sehr allein, legte sie ihre Arme um sich. Zu gerne hätte sie jetzt bei ihrer Puppe Halt gesucht, doch die befand sich bei ihrer Mommy. Hätte sie sie doch bloß heute Morgen mitgekommen. Doch im selben Moment verschwand der Gedanke wieder. Hier ging es nicht um ihren Liebling, hier ging es um ihre Mommy und ihren kleinen Bruder. Sie musste jetzt stark sein, dachte sie, zog erneut die Nase hoch und drückte die Tränen weg.

 

~~~***~~~

 

Tony rannte auf den Eingang zu. Hinter sich hörte er den Polizeibeamten schreien, spürte Hände, die ihn aufhalten wollten, doch dann war er durch, zog sich die Anorakkapuze über den Kopf und taumelte durch den Eingang.

 

Dichte Rauchwolken schlugen ihm entgegen und nahmen ihm die Sicht und den Atmen. Eine Sekunde überlegte er den Aufzug nach oben zu nehmen, doch dann war sein Verstand wieder klar. Es kam einem Selbstmord gleich, bei einem Brandfall einen Aufzug zu benutzen. Mühsam kämpfte er sich zum Treppenhaus vor. Als er die Tür öffnete, schlug ihm noch mehr Qualm entgegen. Seine eh schon angeschlagenen Lungen füllten sich schmerzhaft und ein Hustenanfall schüttelte ihn durch. Mit einer Hand zog er seinen Schal über Mund und Nase, mit der anderen suchte er das Treppengeländer und zog sich so schnell es ihm möglich war, Stufe für Stufe hoch.

 

~~~***~~~


Verzweifelt presste Ziva Dillan an ihre Schulter. Was konnte Sie unternehmen? Das Handy, fiel ihr plötzlich ein, wo war ihr Handy? Sie musste um Hilfe rufen. Schwankend stand sie auf und machte sich auf die Suche nach ihrer Handtasche. Auf ihrem Weg durchs Wohnzimmer musste sie immer wieder kurze Pausen einlegen und husten, weil die Luft immer schlechter wurde, doch dann hatte sie den Dielenbereich erreicht, wo sie ihre Arbeitssachen hinstellten. Hektisch suchte sie nach ihrer Handtasche, doch sie fand sie nicht. Wo hatte sie sie gestern Abend nur hingestellt? Hatte sie sie mit ins Schlafzimmer genommen?

 

Als das Baby in ihrem Arm zu husten anfing, zog sie das nasse Tuch von ihrem Mund und hielt es vor Dillans Gesicht. Es brachte nichts. Sie konnte nicht auf Hilfe hoffen. Sie mussten durch die Flammen, wenn sie den heutigen Tag überleben wollten.

 

~~~***~~~

 

Stufe für Stufe zog sich Tony durch den Qualm nach oben. Immer wieder musste er kleineren Brandherden ausweichen, doch er kam gut voran. Noch eine Etage und er war auf der Fünften angekommen. Seine Lungen brannten, sein Bein schmerzte, doch das Adrenalin hielt ihn auf den Füssen, sorgte dafür dass er weiter laufen konnte und machte ihn unbesiegbar.

 

~~~***~~~

 

Laut fluchend fuhr der Wachmann herum. Verdammt nochmal, was dachte sich dieser Mann eigentlich. Rannte der doch einfach in das brennende Haus und lies seine kleine Tochter alleine zurück. Nachdem er einen Trupp Feuerwehrleute auf den Irrsinnigen aufmerksam gemacht hatte, lief er zu der Kleinen und ließ sich vor ihr auf ein Knie nieder.

 

„Na Kleines, wie heißt du denn?“, fragte er und hielt ihr ein Taschentuch entgegen.

 

„Milena DiNozzo“, kam es von ihr und die Festigkeit ihrer Stimme, als sie ihm antwortete, wunderte ihn. Auf ihrem Gesicht konnte er noch die Spuren ihrer Tränen sehen, aber ihr Blick war fest und nicht panisch, wie er befürchtet hatte. Zögerlich streckte er ihr seine Hand entgegen.

 

„Na komm, ich bring dich ins Warme und dann rufen wir deine Großeltern an, damit sie sich um dich.....“ Weiter kam er nicht, da das Kind heftig den Kopf schüttelte.

 

„Nein, ich muss hier warten. Ich hab es Daddy versprochen. Ich warte hier auf ihn. Er holt nur schnell Mommy und Dillan.“ Als sie seinen verständnislosen Blick sah, sprach sie weiter: „Außerdem bin ich ja nicht alleine, Mrs. Marino ist ja bei mir“, sagte sie und blickte zu der verwirrten alten Dame hoch, die neben ihr stand und immer wieder die selben Wörter vor sich her murmelte.

 

Mit einem schiefen Grinsen zog der Polizist seine Hand zurück. „Na dann, warten wir doch einfach zusammen“, sagte er und hoffe das es auch ein Wiedersehen geben würde.

 

~~~***~~~

 

Inbrünstig fluchend erreichte Tony das fünfte Geschoss. Völlig außer Atem, musste er sich erst einmal vornüberbeugen und seine Lungen frei husten. Hier oben brannte der Flur lichterloh und zum ersten Mal begegnete Tony ein Feuerwehrteam. Diese starrten ihn befremdlich an, dann zog sich einer die Maske vom Gesicht.

 

„Was tun sie ihr?“, schrie er ihm entgegen.

 

„Meine Frau und mein Sohn sind noch hier drin“, rief Tony zurück und rannte an dem verdutzten Feuerwehrmann vorbei. „Ziva!“, schrie er. Schwarzer, beißender Rauch quoll durch den Flur.

 

Der Beamte setzte seine Maske wieder auf, schüttelte den Kopf und lief hinter dem Verrückten her.

 

~~~***~~~

 

Als Ziva zusammen mit Dillan die Wohnungstür erreichte, sah sie dass diese mittlerweile in Flammen stand. Sie hatte zu lange gezögert. Jetzt gab es keine Möglichkeit mehr aus der Wohnung.

 

~~~***~~~

 

„Nicht traurig sein, Mrs. Marino. Daddy schafft das schon“, versuchte Mia derweil die alte Dame zu beruhigen. Noch immer sagte diese nichts anderes als „Ich bin schuld, ich bin schuld“. Mit ihrer kleine Hand strich Milena über die alte vom Leben und Arbeit gezeichnete Hand der Nachbarin, doch aus ihrem Schockzustand konnte sie sie nicht reißen.

 

Als endlich ein Krankenwagen ankam und ein Sanitäter Team auf das Winken des Polizisten aufmerksam wurde, atmete Mia auf. Jetzt würde wenigstens Mrs. Marino geholfen.

 

~~~***~~~

 

Ziva!“, grellte Tonys Stimme vom Treppenabsatz, ehe ihn ein erneuter Hustenanfall packte. Die tosenden Flammen und die verschlossene Tür verschluckten alle anderen Geräusche.

 

Irgendetwas krachte neben ihm nieder, Funken sprühten, glühende Ziegel stürzten zu Boden. Die Macht der Flammen ließ ihn zurückschrecken, doch sein Entschluss war unumstößlich. Tony kannte nur noch ein Ziel und er lief ohne zu überlegen auf die Apartmenttür zu. Als er über sich ein erneutes Krachen hörte und im nächsten Moment schon flach auf dem Boden lag, war er mehr überrascht als erschrocken. Irgendetwas war über ihm zusammengebrochen und die herunterfallenden Teile hatten ihn von den Beinen gerissen. Mühsam versuchte er sich aufzurichten, doch der brennende Balken hielt ihn am Boden und als er versuchte ihn herunter zu schieben, setzte er nur seinen Jackenärmel in Brand.

 

Dann war der Feuerwehrmann da, klopfte seine brennende Kleidung aus und stemmte sich gegen den Balken. Dankbar nickte Tony ihm zu und mit vereinten Kräften schafften sie das unfassbare.

 

„Sind sie verletzt?“, brüllte der Mann ihm gegen die tosenden Flammen entgegen.

 

DiNozzo rappelte sich auf die Füße. Er spürte nichts, nur den Husten, der seine Kehle hinaufstieg.

 

„Nein, ich denke nicht.“

 

Zu zweit überbrückten sie die wenigen Meter zu seinem Apartment. Ein Schrei der Verzweiflung kam über Tonys Lippen, als er sah dass auch diese Tür in Flammen stand. Ohne zu überlegen steckte er seine Hand durch das Feuer und fasste den Knauf an, um die Tür zu öffnen. Heiß brannte sich das Metall in seine Handfläche und mit einem Schmerzenslaut ließ er den Knauf wieder los. Der Feuerwehrmann drehte ihn um, zeigte auf seine Axt und stieß Tony nach hinten, während er sich den Flammen stellte und mit der Axt weit ausholte. Einmal, zweimal.... es kam Tony vor wie eine Ewigkeit.

 

~~~***~~~

 

Ziva stand knapp hinter der Tür, als die Axt zum ersten Mal das Holz durchbrach. Der Lärm, den das Feuer verursachte, war mittlerweile so laut und beständig, dass es sogar das Schlagen der Axt überdeckte. Ängstlich sah sie zu ihrem Sohn, aber nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, schrie der Kleine noch immer aus Leibeskräften, auch wenn sie es kaum hörte. Bange Minuten später war die Tür aufgebrochen und dicker Qualm, als auch mehrere Gestalten, bahnten sich einen Weg in ihr Apartment.

 

„Ziva!“, schrie Tony, rannte auf sie zu und zog sie in seine Arme. Sie war dreckig, voller Russ, aber er sah wahrscheinlich nicht anders aus und er war einfach nur froh seine Frau auf den Beinen und lebend vorzufinden. „Der Kleine?“, fragte er und schob sie etwas von sich fort.

 

Ziva strich sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und verschmierte dabei den Russ noch mehr. „Er ist okay, Tony. Wir sind okay“, sagte sie und schmiegte sich wieder in seine Arme.

 

„Hallo!“, drängte der Feuerwehrmann. „Ich störe ihre Wiedersehensfreude nur ungern, aber wir müssen hier raus, bevor das ganze Haus einstürzt….“ Eindringlich schob er alle in Richtung Ausgang.

 

Tony gab seiner Frau noch schnell einen Kuss auf die Stirn und nahm ihr den schreienden Dillan ab. „Bleib dicht bei mir. Ich bring euch hier aus.“

 

Kurz bevor sie die Tür erreichten, erblickten seine Augen Mias Puppe, die wie verloren auf der kleinen Flurkommode saß.

 

~~~***~~~

 

Während die Sanitäter sich um Mrs. Marino kümmerten, stand Mia nur da, ließ den Eingangsbereich ihres Zuhauses nicht aus den Augen und sah den Feuerwehrleuten bei der Arbeit zu. Jedes mal, wenn es in dem Gebäude krachte, fuhr sie zusammen und knetete ihren Schal durch. Jetzt musste Daddy kommen. Jetzt mussten sie einfach kommen, betete sie im Stillen. Sie konnten sie doch nicht schon wieder alleine lassen. Sie hatte schon einmal eine Mommy verloren, auch wenn sie sich so gut wie nicht mehr an die Frau erinnern konnte, durfte das alles nicht ein zweites Mal geschehen. Und Puppe? Sie würde nicht die Kraft haben, alle zu verlieren. Außerdem war heute Weihnachten. Die Engel und der Weihnachtsmann durften das einfach nicht zulassen.

 

Als es wieder krachte, schloss sie resigniert die Augen, doch dann brandete bei den herumstehenden Schaulustigen Jubel auf und schnell öffnete sie sie wieder. Da waren sie. Ihre Eltern und ihr Bruder. Hustend und leicht angesengt, aber lebend, wurden sie von einem Feuerwehrteam aus dem brennenden Haus geführt.

 

„Daddy“, flüsterte sie und die mühsam zurück gehaltenen Tränen nahmen ihren Lauf. Schnell wie der Blitz sauste sie los, lief unter der Absperrung durch, rannte auf ihn zu und schmiss sich in seine Arme.

 

„Ich wusste, du schaffst es." Glücklich jauchzend, sah sie zu ihrer Mommy und ihrem kleinen Bruder auf, die ihr Vater nun ebenfalls in seine Arme zog.

 

Doch plötzlich erinnerte sich Tony an etwas und grinste seine Tochter schief an, dann ging er vor ihr in die Hocke. „Ich habe da noch jemanden für dich“, sagte er heiser und wurde immer wieder von kurzen Hustenanfällen unterbrochen.

 

Milena blickte ihn mit tränenverschleierten Augen an. „Wen denn?“, fragte sie und zog laut schniefend ihre Nase hoch.

 

Etwas mühselig kramte Tony mit seiner verletzten Hand, in der Jackentasche herum und zog noch immer grinsend einen kleinen, länglichen Gegenstand heraus.

 

„Puppe“, jauchzte Mia. „Du hast Puppe gerettet“, sagte sie strahlend und zog die kleine, leicht angesengte Stoffpuppe in ihre Arme. „Ich wusste es Daddy, wenn sie einer retten kann, dann du“, kam es überzeugend von ihr und während sich ihr Vater langsam aufrichtete, klammerte sie sich schon wieder an seine Beine.

 

So standen sie eine Weile da, trotzten dem Schnee, den Sanitätern, die sich um sie kümmern wollten und waren einfach nur glücklich, der Flammenhölle entkommen und wieder vereint zu sein.

 

~~~***~~~

 

„Tabby!“, rief Gibbs durch den Flur. „Es wird Zeit. Wenn wir Ducky noch abholen wollen, dann müssen wir langsam los. Ziva wird es uns verübeln, wenn wir zu spät kommen.“

 

„Wir sind gleich fertig“, kam es von oben und nur Sekunden später erschien seine Lebensgefährten mit ihrem kleinen Sohn auf dem Arm an der Treppe.

 

Lächelnd streckte Jethro ihr eine Hand entgegen. „Du siehst wunderschön aus“, sagte er und ließ seinen Blick wohlwollend über ihre Erscheinung wandern. Die Haare zu einem frechen Bob gekürzt, das neue Kleid, die eleganten Schuhe. Alles an ihr war so anders, aber alles an ihr war so, wie es sein sollte. Von dem kleinen Wunder auf ihrem Arm ganz zu schweigen. Anmutig kam sie mit dem Baby auf der Hüfte die Treppe herunter und ergriff lächelnd seine Hand. Sekunden lang hielten sie einfach nur ihre Hände und sahen sich tief in die Augen, dann läutete es an der Tür. Irritiert sah Tabitha ihn an.

 

„Wer kann das jetzt noch sein?“, fragte sie während Gibbs schon auf den Weg zur Tür war, die seitdem es wieder etwas Schützenswertes in seinem Leben gab, nicht mehr unverschlossen war.

 

In der Erwartung Abby und Tim zu sehen, öffnete er schwungvoll die Tür und zuckte überrascht zurück.

 

„Ähm Boss?“, hörte er DiNozzo heiser fragen.

 

Völlig verblüfft sah er die vier Gestalten an, die da vor seinem Haus standen. Alle vier sahen mehr oder weniger verrußt aus. Ihre Gesichter nur halbwegs sauber gemacht. Zivas Haare waren zu einem unordentlichen Knoten zusammengefasst, doch man sah trotzdem die angesengten Spitzen. Sie hatte eine hellblaue Decke um sich und das Kind, das sie auf dem Arm trug, geschlungen. Tony sah kaum besser aus. Die Jacke, die er trug wies teilweise große Brandlöcher auf, eine Hand war verbunden und im Gesicht trug er an der Wange, ein großes Pflaster. Der einzige Lichtblick war Milena, die einigermaßen sauber und unverletzt zu sein schien. Überhaupt kam es Jethro vor, als habe er eine Erscheinung der heiligen Familie, wie sie so abgebrannt vor seiner Tür standen.

 

„Ähm Boss?“, sagte Tony ein weiteres mal und versuchte den Blick seines Bosses aufzufangen. „Könntest du bitte den Taxifahrer bezahlen? Ich habe irgendwann heute meine Brieftasche verloren.“

 

Erst jetzt fiel Gibbs auf, das noch eine weitere Person mit einem Tannenbaum im Arm, frierend vor seinem Haus stand.

 

„Sicher“, sagte er noch immer irritiert, zog sein Portmonee aus der Gesäßtasche seiner Anzughose und bezahlte den Fahrer, der ihm daraufhin den Weihnachtsbaum in die Hand drückte und sich schnell zurück zu seinem Wagen bewegte.

 

Milena ließ indessen die Hand ihres Vaters los und stellte sich neben ihren Onkel. „Onkel Jethro?“, fragte sie leise, wurde aber ignoriert. „Onkel Jethro?“ Versuchte sie es ein zweites Mal, diesmal lauter, doch noch immer waren die Erwachsenen miteinander beschäftigt. „Hey BOSS!“, rief sie darauf ihn in DiNozzo Manier und drei Augenpaare sahen sie erschrocken an.

 

„Mia“, sagte Ziva tadelnd und schüttelte über deren Frechheit den Kopf.

 

„Lass sie“, kam es von Gibbs und mit knackenden Knien hockte er sich vor Mia hin, die schuldbewusst ihren Kopf hängen ließ und auf den Boden starrte, während ihre Finger mit den Haaren von Puppe spielten. Er legte ihr einen Finger unter das Kinn und suchte ihren Blick. „Was willst du mir sagen?“

 

Verweinte Augen sahen ihn an. „Es ist alles weg… alles, wirklich alles“, jammerte sie. „Alles. Und dabei ist doch Weihnachten!“, schluchzte sie herzergreifend, so das Gibbs sie kurzerhand auf den Arm nahm und ihr beruhigend über den Rücken strich.

 

Dann wandte er sich seinem Stellvertreter zu. „Was ist passiert, Tony?“, fragte er und zog die DiNozzos mit sich ins Haus.

 

~~~***~~~

 

„Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott“, sagte Abby zum gefühlten tausenden Mal an diesem Abend. „Das hätte noch viel schlimmer ausgehen können und die arme alte Frau, wird denn jetzt gut für sie gesorgt?“ Verzweifelt klammerte sie sich an Tim, der ihr beruhigend über den Rücken strich.

 

„Ja“, sagte Ziva, die geduscht, mit frischen Anziehsachen von Tabitha und einem schläfrigen Dillan auf dem Arm im Sessel saß. „Ihr Sohn hat sie zu sich genommen. Alleine bleiben kann sie ja nicht mehr“, fügte sie traurig hinzu und dachte an all die lieb gewonnenen und jetzt verlorenen Gegenstände.

 

Da nicht nur alles Hab und Gut der jungen Familie verbrannt war, sondern auch Zivas Festtagsessen, hatte Gibbs das restliche Team kurz entschlossen zu sich bestellt.  Alle waren geschockt, aber auch hilfsbereit und hatten mitgebracht was sie entbehren konnten. Um Mia abzulenken, hatte er den teuer bezahlten Weihnachtsbaum eingestielt und von ihr schmücken lassen. Jetzt stand er neben seinem eigenen, wie ein nicht ganz perfekter Zwilling.

 

„Und euch geht es wirklich gut?“, erkundigte sich Abby ein weiteres Mal und warf diesmal Tony den fragenden Blick zu.

 

„Du siehst es doch. Uns ist nichts passiert. Wir haben zwar alles verloren, aber wir haben noch immer uns“, antwortete er ihr mit heiserer, kratzender Stimme und zuckte gleichzeitig zusammen, als Ducky seine Brandwunde an der Wange abtastete. „Autsch, Ducky!“

 

„Na ja, nichts würde ich nicht sagen, mein lieber Anthony, aber es wird alles wieder heilen, auch die Verbrennung an deiner Hand“, teilte er den Umstehenden mit und drückte ein neues Pflaster auf die Wange. „Der Sanitäter wusste scheinbar was er tat. Außerdem habt ihr alle eine leichte Rauchvergiftung, aber auch das wird vergehen, das Glück war euch heute scheinbar holt.“ Lächelnd schloss er seine Ärztetasche und machte Mia platz, die schon ungeduldig darauf wartete sich wieder an ihren Vater zu kuscheln.

 

„Wo werdet ihr jetzt wohnen?“, fragte Jimmy und zog seine schwangere Frau näher zu sich.

 

„Tja, ich habe keine Ahnung“, kam es von Tony. „Wenn alle Stricke reißen, dann muss ich eben meinen Vater ansprechen. Irgendwie wird er uns schon helfen.“ Resigniert strich er sich durch die Haare und stöhnte unterdrückt auf, als er an einer versenkten Strähne hängen blieb.

 

„Ich denke...“, kam es von Gibbs und er warf seiner Lebensgefährtin einen fragenden Blick zu. Als er sie nicken sah, fuhr er fort. „... fürs erste könnt ihr bei uns wohnen. Es wird eng, aber es wird gehen.“

 

Tony zog seine Augenbrauen hoch. „Ähm, ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist, Boss. Ich kann mich noch genau an das letzte Mal erinnern, da hast du mich mit der Pistole aus dem Haus gejagt. Ich denke wir sollten lieber....“ Weiter kam er nicht, da er von Gibbs unterbrochen wurde.

 

„Mia mach die Augen zu“, gab der dem Kind die Anweisung und zeitgleich gab er Tony eine Kopfnuss.

 

„Auuuu, Boss“, jammerte DiNozzo und Milena öffnete mit einem vergnügten Quicken die Augen.

 

„Ich biete dir nur einmal meine Hilfe an", kam es von Gibbs, bevor er sich wieder grinsend seinen anderen Gästen zuwandte.

 

~~~***~~~

 

Später am Abend, als die Kleinen schon lange im Kinderzimmer schliefen und auch Ziva vor Erschöpfung immer wieder einnickte, hatte sich das Team verabschiedet. Eine Stunde später lag Ziva weinend in Tonys Armen, im Gästezimmer im ersten Stock. Es war ein langer und anstrengender Tag gewesen und plötzlich war nichts mehr wie es sein sollte. Sie hatten alles verloren. Ihre Kleidung, alle Unterlagen, alles Spielzeug und auch das was für sie einen individuellen Wert darstellte. Alle Erinnerungsstücke, die Ziva aus ihrer alten Heimat mitgebracht hatte. Tonys Andenken an seine längst verstorbene Mutter, Milenas Milchzähne, alle Babybilder von Dillan. Einfach alles. 

 

„Schhhttt“, machte Tony und strich seiner Frau beruhigend über den Rücken. „Wir schaffen das schon. Wir fangen einfach noch einmal von vorne an“, sagte er und reichte ihr ein Taschentuch weiter. „Wo ist denn meine kleine Ninja geblieben? So ein kleiner Wohnungsbrand würde doch meine Miss Einbürgerungstest nicht aus dem Konzept bringen?“

 

„Mhmm“, machte Ziva und schniefte lautstark in das Tempo. „Das ist eigentlich auch gar nicht meine Art, aber irgendwie liegen meine Nerven blank. Es ist Winter, Weihnachten und wir stehen ohne irgendwas auf der Straße.“

 

„Na ja, so ganz stimmt das ja nicht. Wir haben erstmal eine Bleibe gefunden und Abby hat versprochen uns die Tage mal mit zum Treffen der Bedürftigen zu nehmen, dann können wir…… AUAaaaa!“ Schmerzerfüllt aber auch grinsend sah er seine Frau an, die ihm gerade ihren Ellenbogen in die Rippen gestoßen hatte.

 

„Darüber macht man keine Witze, DiNozzo“, zischte Ziva.

 

„Hallo“, sagte Tony daraufhin leise und zog ihr Gesicht näher an seins. „Da bist du ja wieder. Ich hatte schon Angst, dass ich dich verloren habe.“ Zärtlich drückte er seine Lippen auf ihre, während sie zögerlich ihre Arme um seinen Nacken legte. „Wir stehen das zusammen durch, Ziva.“

 

„Ich weiß“, murmelte sie an seinem Hals. „So lange wir nur zusammen sind.“

 

„Ja“, kam es nachdenklich von ihrem Lebensgefährten. Ihre Worte versetzten ihm einen seltsamen Stich ins Herz, so als würde sich noch größeres Unheil ankündigen. Doch mit einem beherzten Kopfschütteln entledigte er sich den düsteren Gedanken und zog sie noch enger an sich. „Ja“, wiederholte er. „So lange wir nur zusammen sind.“

 

~~~***~~~

 

Milena wusste nicht was sie geweckt hatte, vielleicht waren es die ungewohnten Schlaf- und Schmatzgeräusche der kleinen Jungen, die friedlich zusammen in einem Gitterbettchen schliefen. Oder das ständige Klopfen der Fensterläden, die vom Wind hin und her gerüttelt wurden. Vielleicht war es auch einfach die fremde Umgebung und die anderen Gerüche. Oder ihr schmerzendes Kinderherz, das bei jedem Gedanken an die bevorstehenden Weihnachtstage immer schwerer wurde, jedenfalls kniete sie jetzt schon seit einiger Zeit mit Puppe zusammen auf der Fensterbank und sah in die kalte, verschneite Nacht hinaus. Wie von selbst falteten sich ihre Hände zum Gebet und sie sprach mit leiser Stimme: „Lieber Gott im Himmel. Uns ist heute ein großes Unglück geschehen. Wir haben alles Verloren. All unsere Spielsachen und auch unsere Kleidung, aber das ist nicht ganz so wichtig. Jetzt haben wir nichts mehr, nur noch uns selber.“ Schniefend zog sie ihre Nase hoch. „Und dabei war ich doch so brav. Warum musste das denn uns geschehen? Womit sollen mein Bruder und ich denn jetzt spielen? Du bist doch der liebe Gott. Kannst du uns nicht helfen? Ich verspreche auch immer mein Zimmer aufzuräumen…“, verwirrt hielt sie inne, als ihr einfiel, dass auch das nicht mehr vorhanden war. „Na das neue Zimmer natürlich. Wir werden ja irgendwann hier wieder ausziehen. Oder?“, fragte sie in den Himmel hinauf. „Lieber Gott im Himmel, ich könnte dir jetzt noch viel mehr über uns erzählen, aber das weißt du bestimmt auch alles selber und mir frieren hier langsam die Füße ein. Darum komm ich jetzt zum Schluss. Bitte, bitte schick den Weihnachtsmann mit all seinen Engeln und Wichteln hier vorbei, denn wir brauchen ganz viel Spielzeug und auch ein paar andere Dinge. Er kann auch schellen, dann braucht er sich nicht durch den Kamin quälen. Onkel Jethro wird ihn bestimmt auch beim tragen helfen. Lieber Gott im Himmel, bitte bitte vergiss uns nicht. Amen.“ Mit einem Seufzer wischte sie sich die Tränen fort und sprang mit eiskalten Füssen von der Fensterbank. Mehr konnte sie jetzt nicht mehr tun. Zufrieden mit sich kuschelte sie sich wieder in die Kissen ihres Zustellbettes und war in nu eingeschlafen.

 

~~~***~~~

 

Um sieben Uhr in der früh kam langsam Leben in das verschneite Haus in der East Laurel Street. Leise und auf Zehenspitzen, die Arme voller weihnachtlich eingepackter Geschenke, schlichen Gibbs und Tabitha durch ihr Wohnzimmer. Ab und an hielten sie inne und lauschten zur oberen Etage, aber ihre Gäste schliefen noch den Schlaf der Erschöpften.

 

Heute war Weihnachten und auch wenn alle Geschenke der DiNozzos verbrannt waren, so sollten die Kinder doch nicht leer ausgehen. Nachdem Jethro sie Gestern in Empfang genommen hatte, hatte er mit Abby telefoniert und sie gebeten noch etwas Spielzeug und einige Anziehsachen für Mia und Dillan zu besorgen. Abbs war natürlich sofort bereit gewesen, als Weihnachtsfee einzuspringen und so konnten sie nun auch Milenas Christbaum mit Geschenken schmücken. Langsam wurde es immer voller und zu den diversen Paketen und Päckchen gesellten sich zum Schluss noch Süßigkeiten und Abbys selbst gebackene Totenkopfplätzchen.

 

Zum Abschluss schloss er noch die Lichterketten der Bäume an, dann zog Gibbs seine Lebensgefährtin in die Arme und zusammen besahen sie sich ihr Werk auf der Ferne.

 

„Das haben wir doch gut gemacht!“, flüsterte Tabby lächelnd.

 

„Ja“, kam es von Jethro genau so leise zurück und er gab ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn. „Dann lass uns mal den Weihnachtsmann spielen und die Kinder wecken“. sagte er und rief mit dunkel, verstellter Stimme: „HOH HOH HOH…..Bescherung!“

 

Als er kurz darauf kleine Kinderfüße auf der Treppe hörte, zog er sich mit Tabitha im Arm leise zurück und überließ leuchtenden Kinderaugen die geschmückte Weihnachtswelt.

 

~~~ENDE~~~


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