Autor: Marah Jade
Beta Leserin: Zazu
Rating: FSK 12
Spoiler: Nein, eigentlich nicht.


Disclaimer: Alles nur ausgeliehen: Alle Rechte an den Fernseh-Serien NCIS ihren Charakteren und Handlungssträngen gehören Donald P. Bellisario, Belisarius Productions, CBS und Paramount.

Diese Geschichte ist nicht für die freie Verbreitung im Netz vorgesehen. Sollte jemand Interesse daran haben diese Story auf anderen Seiten zu posten oder zu verlinken, bitte vorher bei mir melden!





Erinnerung


Der Mensch hat die Neigung Erinnerungen zu beeinflussen. Fantasie vermischt sich mit echten Erinnerungen und macht aus ihnen wunderbare Erlebnisse oder grässliche Abträume. Mein Leben ist voll von diesen Erinnerungen.

Meine ältesten Erinnerungen an dich, beruht nur auf Gefühle und Geruch. Ein Streicheln, ein Kuss, deine Wärme, eine Liebkosung. Deine Hand die durch mein Haar geht. Eine Berührung an meiner Wange. Dazu immer dein dir eigener Geruch nach Aftershave und etwas was ich nicht fassen konnte.

Dann kam mehr. Worte und Bewegungen brannten sich ein. Kosenamen. Principessa, Kleines, Engelchen, Mäuschen und viele mehr, gerade wie sie kamen. Doch das Gefühl blieb dabei, verknüpfte sich mit den Worten, so dass ganze Sätze entstanden. „Ich hab dich lieb, Engelchen“, oder „Principessa, pass auf und lauf nicht so schnell“.

Später folgten dann richtige Erinnerungen. Ich erinnere mich an Kitzelstunden im Bett.
Ich erinnere mich an deine schönen grünen Augen, aus denen der Schalk blitzte. Immer bereit zum nächsten Streich.
Und an ein Grinsen, von dem es heißt, ich hätte es geerbt.
Ich erinnere mich, dass ich dich manchmal auf die brutale Art wecken durfte und dass ich und auch du, es sichtlich genossen.
Ich erinnere mich an abendliche Kuschelstunden auf der Couch. An viel Wärme und Liebe.
Urlaube am Meer. Ein dein altes Baumhaus, das wir zusammen restaurierten.
Ich erinnere mich an diverse Kinobesuche, an Popcorn Schlachten und an viele deiner Film Kommentare.
Ich erinnere mich schwach an das böse Gesicht meiner Erzieherin, wenn du mich wieder zu spät aus dem Kindergarten abgeholt hast.
Ich erinnere mich an meine erste Fahrrad Lernstunde und ich erinnere mich, wie du mich im Arm gehalten hast, als ich mit dem Rad umgefallen bin.
Weggewischte Tränen, dein Taschentuch um mein blutendes Knie. Trost. Liebe.

Meine Einschulung, auch eine Erinnerung, wenn auch nicht die Beste. Denn zu dem Zeitpunkt warst du Undercover und konntest nicht dabei sein. Damals verstand ich das alles noch nicht. Dabei bin ich doch damit aufgewachsen. Immer mal wieder kam es vor, dass du oder Mommy verreisen musstet. Öfter war ich dann mal bei meinem Onkel Jethro oder bei Tante Abby zum übernachten. Meine Schulfreunde nannten unser Leben spannend, ich hätte gerne mit ihnen normalem getauscht. Keine Angst, keine Bedrohungen und auch kein Warten.

Ich erinnere mich an Mommy wie sie rastlos durch unser Wohnzimmer lief, weil sie auf dich wartete und du nicht kamst.
Ich erinnere mich an Onkel Jethro der plötzlich in der Tür stand und uns sagte dass du verletzt wurdest.
Ich erinnere mich wie oft wir ins Krankenhaus fuhren, um dich dort zu besuchen.
An Willkommenspartys, wenn du dann endlich entlassen wurdest und meine Tante Abby fast ausflippte vor Glück.
An Geburtstage und Weihnachten. An Glück und Liebe.
An die Hochzeit von Tante Abby und Onkel Timmy. Ein schwarzes Hochzeitskleid mit kleinen Fledermäusen als Verzierung. Wie könnte ich das jemals vergessen.
Ich erinnere mich an einen besonderen Tag, an dem Mommy ein wunderbares Essen gekochte. Der Tisch war mit Tuch und Kerzen gedeckt. Ich sehe noch dein strahlendes Gesicht als sie dir sagte, das du wieder Vater wirst und ich ein Geschwisterchen bekomme.

Und ich erinnere mich an Krankheit, Tot und Verzweiflung.
An dein Gesicht als du die Diagnose bekamst und versucht hast sie uns schonend, sofern so was überhaupt möglich ist, mitzuteilen.
Deine Augen, so grün und so traurig. Dein Grinsen sollte uns aufbauen, aber es zerbrach uns das Herz.
Zu weit fortgeschritten, nicht mehr heilbar, unoperierbar.
Und ich erinnere mich an Onkel Jethro, als er von dir die Diagnose hörte. Er der immer so groß und stark war, hatte mühe seine Tränen zurück zu halten.

Zuerst gingst du noch normal arbeiten, aber ab einem gewissen Zeitpunkt war das nicht mehr möglich. Von da an warst du immer da.
Wenn ich von der Schul kam, warst du da, wenn ich zum Sport musste, fuhrst du mich und holtest mich auch wieder ab. Bis auch das, irgendwann zu beschwerlich für dich wurde.

Ich erinnere mich an viele Tage die du komplett auf dem Sofa liegend verbracht hast. Zu schwach um dich anzuziehen, zu stark um ins Bett zu gehen.
Manchmal bin ich zu dir unter die Decke gekrabbelt und wir haben zusammen eine DVD geschaut. Oder du hast mit mir das Einmal-eins gelernt.
Dann begann die Zeit, dass du zu schwach wurdest um morgens das Bett zu verlassen. Ab dem Zeitpunkt verlegten wir unsere Kuschelstunden ins Schlafzimmer.
Schmerzen setzten ein und wurden immer stärker, trotzdem wolltest du in kein Krankenhaus.

Meine Mommy war zu dem Zeitpunkt beurlaubt. Onkel Ducky kam jeden Tag und gab dir eine Infusion gegen die Schmerzen. Tante Abby versuchte dich zum Lachen zu bringen, was ihr auch manchmal gelang.
Doch richtig glücklich warst du nur, wenn wir alle drei abends zusammen im Bett lagen und du deine Hand auf Mommy dicken Bauch legen konntest. Man konnte schon die Bewegungen des Babys spüren.
Von da an schwebte ein Schwert über uns. An manchen Tagen hing es höher und an manchen Tagen konnte man die Spitze schon fast berühren.
Ich sah dich nur noch selten lächeln, meistens war dein Gesicht Schmerz verzerrt, doch noch immer weigertest du dich in ein Krankenhaus zu gehen. Denn eins war dir zu dem Zeitpunkt schon klar. Wir würden keine Willkommensparty mehr für dich feiern können.
Was dich noch hielt war das Kind. „Wie lange noch?“, war deine häufigste Frage an sie. Und Mommy zählte ihre Schwangerschaft, für dich, rückwärts.

Ich erinnere mich an Weihnachten. Das ganze Team war da. Sogar dein Vater war angereist und Mommys Eltern aus Tel Aviv. Und obwohl du dich schon die ganzen Tage nicht wohl gefühlt hattest, wolltest du es nicht versäumen mit uns zu essen. Also haben Onkel Jethro und Grandpa dir an den Esstisch geholfen. Ich hatte die ganze Zeit Angst, du könntest vom Stuhl fallen, weil du so bleich wie die Wand warst. Mommy hat dem Spuk dann irgendwann ein Ende gesetzt und dir befohlen dich aufs Sofa zu legen. Und ich glaube du bist dem nur zu gerne nachgekommen.

Man hat dir angesehen dass du Schmerzen hattest, doch du hast es ausgehalten bis zum Schluss. Und als nur noch Onkel Jethro da war, hast du ihn zu dir ans Sofa gezogen und ihn gebeten einen Krankenwagen zu bestellen.
Uns ist damals beinah das Herz stehen geblieben. „Wie lange noch?“, hast du Mommy gefragt und deine Stimme war ganz schwach und leise gewesen. Doch sie konnte dir nicht antworten, also tat ich es.
„Lange Daddy, ganz lange noch mindestens 100 Jahre“, habe ich gesagt und du hast gelächelt, während Mommy und mir die Tränen liefen. Dann hast du müde deinen Kopf auf das Nackenpolster gelegt und mich angesehen. „Das werde ich nicht mehr schaffen, Principessa. Wenn es zu lange dauert, dann musst du ihm von mir erzählen. Das ist dein Auftrag, hörst du“, antworten konnte ich darauf nicht mehr, der Kloß saß mir zu hoch im Hals.

Ich erinnere mich wie wir dich wieder im Krankenhaus besuchten. Doch jetzt war es anderes. Wenn du sonst verletzt warst, wolltest du immer raus, erst aus dem Bett, dann aus dem Zimmer, dann aus Haus….immer ein Stückchen weiter. Jetzt wolltest du dich noch nicht einmal in den Rollstuhl setzen, damit wir mit dir spazieren fahren konnten. Und trotz all der Medikamente wurdest du immer schwächer und das Schwert rutschte immer tiefer.

Mitten in der Nacht setzten Mommys Wehen ein. Tante Abby kam sofort und zusammen mit Onkel Jethro und Tim fuhren wir ins Krankenhaus. Eine Zeit lang lief ich immer zwischen deinem Zimmer und Mommys Geburtsraum hin und her. Du warst genau so aufgeregt wie ich und dein Atem ging schwer, so als wenn du um jeden Zug kämpfen müsstest. Irgendwann krabbelte ich zu dir aus Bett und kuschelte mich an deine Seite. Die Nachtschwester drückte ein Auge zu und ich war schneller eingeschlafen, als ich Schlafen buchstabieren konnte.

Als die Tür auf ging schreckten wir beide aus dem Schlaf hoch. Onkel Jethro brachte Mommy in einem Rollstuhl herein. Sie sah völlig erschöpft, aber sehr glücklich aus. Am Bett stand sie auf und nahm Tante Abby das Bündel ab, das ich bis dahin gar nicht gesehen hatte. „Mein Geschwisterchen“, schoss es mir durch den Kopf. Hatte es jetzt doch keine hundert Jahre mehr gedauert. Mommy setzte sich leicht aus die Bettkante und gab dir einen Kuss. Dann hielt sie dir das Bündel hin und klappte das Tuch auf. „Schau Tony, dein Sohn. Wie soll er heißen?“, fragte sie mit Tränen in den Augen.
Und da war es wieder dieses Grinsen, deine Augen strahlten so hell wie schon lange nicht mehr, als du deine Hand vorsichtig auf das kleine Köpfchen legtest und leise: „Dillan. Nenn ihn Dillan“, zu ihr sagtest. Onkel Jethro der an deiner Seite stand, legte dir lächelnd die Hand auf die Schulter.
Erschöpft, als wenn dich diese Worte ungeheuer angestrengt hätten, liest du den Kopf wieder in die Kissen sinken, doch deine Hand lag weiter auf dem Kopf des Babys.
Dann plötzlich als wir dachten du wärst eingeschlafen, öffnetest du deine Augen wieder. „Meine Seele, für deine Seele“, sagtest du leise, dann fiel langsam deine Hand von Dillans Kopf und du hörtest einfach auf zu atmen.
Ich weiß nicht was ich erwartete hatte, aber das war es ganz sicher nicht.

Ich erinnere mich an viele Tränen. An Traurigkeit und Verzweiflung.
Ich erinnere mich an deine Beerdigung im großen Stil. Ich erinnere mich an Tante Abby mit ihrem Spitzensonnenschirm und dem Musikrekorder.
Ich erinnere mich daran, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben Onkel Jethro weinen sah. Und ich höre immer noch Daddys letzte Worte: „Meine Seele, für deine Seele.“

Jetzt stehe ich hier an deinem Grab und schaue zusammen mit meinem kleinen Bruder auf deine Grabplatte. Es steht nicht viel darauf, nur ein paar Daten. Dein Name, dein Geburt- und Todesdatum, sowie deine ersten Worte an deinen Sohn.

Fünf Jahre ist das alles jetzt her, ich bin jetzt schon 13 Jahre alt und ich verstehe vieles besser, als damals mit knapp 8 Jahren. Ich habe von Daddy eine schwere Aufgabe bekommen und werde sie auch meistern, denn ICH bin eine DiNozzo und ich muss dafür sorgen das Dillan, der jetzt bald fünf Jahre alt wird, versteht was das heißt, wer er ist und wer du warst. Also bücke ich mich zu meinen kleinen Bruder, lege ihm eine Hand auf das braune kurze Haar, das mich so sehr an dich erinnert und flüstere ihm ins Ohr: „Ich erzähl dir jetzt eine wahre Geschichte, von einem großen, starken Ritter der auszog die Welt zu retten und dessen Name, Anthony DiNozzo war.“


* * * ENDE * * *

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Tiva-girl22 (Donnerstag, 01 März 2012 18:10)

    Hey Mara Jade!
    Ich hab mich hier mal auf deine Webside geschlichen und komme deinem Wunsch nach Reviews gerne nach :)
    Ich glaub, ich hab dir auf diesen SC schon mal einen Kommentar geschrieben, aber das ist jetzt schon länger her und deshalb wiederhole ich das mal... ;)
    Ich liebe ihn, ich finde, er ist ein Meisterwerk.
    Von Anfang bis Ende ist alles perfekt und so gefühlvoll geschrieben...
    Lg!

  • #2

    Crazy-NCIS (Mittwoch, 21 März 2012 17:34)

    Oh... Ich kann nicht anders, ich muss weinen.
    Mann, in letzter Zeit bin ich ziemlich nach am Wasser gebaut.
    Schön wie du das alles geschrieben hast. So gefühlvoll und am Ende so traurig. Da musst ich anfangen zu weinen. Und ich tue es immer noch.
    Liebe (verweinte ;)) Grüße von mir

  • #3

    Viviaen (Mittwoch, 13 Juni 2012 19:52)

    Hilfe, ich brauche ein Taschentuch!
    Obwohl ich mir sicher bin, das du dieses Lob andauend hörst, möchte ich mich noch einmal wiederholen. Die Geschichte ist wunderschön und traurig zugleich. Während des Lesens sind mir die Tränen meine Wangen heruntergelaufen während ein Lächeln auf meinen Lippen lag.
    Danke für diese einfühlsame Story!