AUF DER SUCHE NACH DEM PUPPENMÖRDER

 

 

Prolog

Es herrschte Totenstille im Raum. Kein Mucks war zu hören, nur das Geräusch der einsamen Fliege war hörbar, die immer und immer wieder gegen die Glasscheibe flog. Und das Ticken der Uhr, die an der Wand hing und die endlosen Minuten in ihre Teile zerlegte.
Es war ein schrecklicher Anblick. Das Mädchen lag auf dem Rücken, der linke Arm fehlte und auch das rechte Bein war lieblos abgerissen worden. Noch nicht einmal Kleider bedeckten das Kind, die blonden Haare waren zerzaust, die Augen standen offen. Tote Augen, leblos. Über und über war ihr kleiner Körper mit Biss- und Kratzwunden versehen. Die fehlenden Gliedmaßen lagen im Zimmer verstreut. Die zerrissenen Kleider in die Ecke geschmissen.


1. Kapitel

„Und dann kam der dicke Bär und ist einfach der Katze auf…“, Milena redete sich gerade in einen erneuten Redeschwall und ihre neue Freundin Taljah verdrehte bereits genervt die Augen.
„Milena?“, Taljah zwirbelte ihre Locken. „Machst du auch mal was anderes? Außer Fernsehen.“
„Na klar.“, kam es trotzig von Milena. „Aber dann stieg der Bär der Katze auf den Schwanz…..“
Taljah ignorierte die weiteren Worte von Milena und zog sie hinter sich her.
Im Türrahmen blieb Mia stehen, drehte sich nochmals um und winkte zur Ausgangstür wo ihr Daddy stand der sie am Kindergarten abgesetzt hatte.
„Jetzt komm schon.“ Taljah zog ungeduldig an ihrem Ärmel. „Ich will nicht schon wieder wegen dir zu spät kommen.“
„Zu spät? Pah.“, zischte Milena. „Taljaaaaahh, wir haben doch nur ein bisschen verschlafen und außerdem finde ich es früh genug.“
„In Israel hat der Kindergarten immer schon um 6 Uhr angefangen.“, blaffte Taljah zurück.
„Du bist aber nicht mehr in Israel, du bist in A m e r i k a….“, grinsend sah Milena ihrer Freundin in die Augen. „…und in Amerika schläft man länger und ist unpünktlich.“


An der Tür stand ihre Erzieherin, Miss Cumberland, und lies die beiden Mädchen ins Haus. „So zieht schnell eure Jacken aus und eure Pantoffeln an, das Frühstück wartet schon auf euch.“, teilte sie den beiden Mädchen mit, die sich schon umzogen. Mia nahm ihren Rucksack und versteckte ihn unter ihrer Jacke. Taljahs Neugier war geweckt. „Was hast du denn da so Wichtiges drin?“ fragte sie und kämpfte mit dem Klettverschluss ihres Schuhs. Mia sah sie geheimnisvoll an und flüsterte: „Puppe. Aber, pppsst, nicht weiter sagen. Sie wollte einfach nicht alleine zuhause bleiben.“ Endlich hatte Taljah den Verschluss zu bekommen. „Ah ja, du wolltest wohl eher nicht, oder?“ Doch Milena hatte keine Chance mehr auf eine Antwort, weil sie von Miss Cumberland herein gerufen wurden.


Angewidert sah Milena zum gedeckten Frühstückstisch im Kindergarten. Müsli mit Naturjogurt und Früchten. *Gesund* hatte Miss Cumberland gesagt. Aber wer mochte schon gesundes Frühstück? Mia mochte es warm, süß und klebrig. Normalerweise bekam sie morgens Pancakes mit Ahornsirup. Das war das einzige das ihr Daddy, außer Nudeln und Pizza, gut hin bekam. Aber heute Morgen hatte es mal wieder schnell gehen müssen. Daddy hatte verschlafen und da er und Ziva diese Woche schon zweimal zu spät ins Büro gekommen waren und Angst vor Onkel Jethro hatten, was Milena nun wirklich nicht verstehen konnte, blieb keine Zeit für ein Frühstück.
Widerwillig näherte sie sich ihrer Freundin Taljah. Auch sie sah nicht sehr begeistert aus. Da entdeckte Mia in der gegenüberliegenden Küche auf einem Regal ein Honigglas. Sofort machte sich in ihrem Kopf ein Plan breit *süßes Müsli war schon viel besser*. Sie schuppste Taljah mit dem Ellenbogen an, zog ihre Augenbrauen hoch und deutete mit den Augen auf das Objekt ihrer Begierde. Die kleinen Mädchen verstanden sich sofort und schlichen so leise es ihnen möglich war aus dem Raum.
„Wie sollen wir da dran kommen?“ fragte Taljah. Mia fuchtelte mit ihrer Hand vor Taljah rum und legte sich einen Finger auf die Lippen.
„Psst, nicht so laut, sonst erwischen sie uns noch!“ Dabei ging sie auf Zehenspitzen weiter. „Wir holen uns einfach einen Stuhl und klettern hinauf.“ Erklärte sie dann ihrer Freundin ihren Plan.
„Wer von uns soll denn klettern?“ fragte Taljah jetzt so leise, das Mia sie kaum verstand. „Na ich natürlich, immerhin hab ich auch ein Baumhaus.“
„Stimmt doch gar nicht.“ Sagte Taljah. „Da wo ihr wohnt ist nur ein Baum und der hat gar kein Haus.“ Mia rollte genervt mit den Augen.
„Doch nicht hier, du Dummerchen, bei meinem Grandpa auf der Insel. Da steht ein Baum und das Haus gehört mir.“
„Nimm das sofort zurück, oder ich sag Miss Cumberland, das du heute deine Puppe mit hast, obwohl das verboten ist.“
Erschreckt sah Mia ihre Freundin an, die ihr mit in Falten gelegter Stirn und verengten dunklen Augen böse gegenüberstand. *Würde sie die Drohung wahr machen?* Aber so wie Taljah sie ansah war mit allem zu rechnen. Also legte Milena ihren Kopf schief und schenkte ihrer Freundin ihr typisches DiNozzo Grinsen. „War doch nur Spaß. Nicht böse sein.“ Dann wartete sie auf die Reaktion. *Bei ihrem Daddy und Ziva funktioniert das auch immer.* Und auch jetzt hatte sie Glück, Taljah erwiderte ihr Lächeln sofort.
„Okay…. Ich verzeihe dir. Und was ist nun mit dem Baumhaus?“, fragte Taljah.
„Hab ich doch schon gesagt, das steht auf der Insel und gehört mir.“ sagte Mia wichtigtuerisch.
„Was für eine Insel denn?“ hakte ihre Freundin nach.
„Na DIE Insel halt, es gibt doch nur eine Insel.“, erklärte sie naseweis.
Taljah, die wusste, dass es mehr als nur eine Insel gab, ignorierte Mias Antwort. Immerhin war sie auch ein Jahr älter als Milena, da musste sie sowas ja auch wissen. Aber einen Streit wollte sie trotzdem nicht provozieren und frage stattdessen: „Und das gehört dir?“
„Mhhmmm, na eigentlich gehört es meinem Daddy..“, Milena druckste etwas rum. „…aber ich darf es bewohnen.“ Kam es dann stolz von ihr, doch dann fiel ihr Blick wieder auf das Honigglas. „Also ich klettere hoch und du hältst den Stuhl.“ Teilte sie Taljah mit.


Ein paar Minuten später stand Mia mit einem Bein auf der Lehne des Stuhls, mit dem anderen Bein auf einem Regalboden und angelte nach dem Honigglas, während Taljah mit all ihrer Kraft, den Stuhl vor dem Umkippen zu bewahren versuchte. Milena die in voller Konzentration ihre Zunge leicht heraus streckte, hatte das Glas gerade mit den Fingerspitzen nach vorne gezogen und fingerte jetzt daran herum um es runter zu heben. „Beeil dich Mia.“ Rief Taljah leise ihrer Freundin zu. „Ich glaub da kommt wer.“
*Miss Cumberland* schoss es Mia durch den Kopf und schnell sah sie zur Tür. Doch in an der Zarge stand nicht wie befürchtet die Kindergruppenleiterin, sondern Freddy der die beiden Mädchen staunend ansah, dann hob er mit einem bösen Grinsen den Gegenstand nach vorne, den er hinter seinem Rücken versteckt gehalten hatte.
Milena gefror das Blut in ihren Adern. Er hatte Puppe. Und wenn Freddy Puppe hatte war das gar nicht gut. Gegessen war das Glas in ihren Händen. „Tali, Tali, er hat Puppe. Hol sie zurück, bevor er sie tötet.“ Rief sie laut ihrer Freundin zu.
Diese ließ den Stuhl los und rannte Freddy nach. Das Unglück, das hinter ihr geschah bekam sie nur noch am Rande mit. Mia mit dem Glas in beiden Händen konnte sich noch für kurze Zeit halten, dann kippte der Stuhl ganz langsam zur Seite und riss Milena mit samt ihrer ergaunerten Beute zu Boden. Taljah hörte hinter sich Mias Aufschrei und ein Poltern, alarmiert blieb sie stehen und drehte sich langsam um. Was sie sah, ließ sie vor Entsetzten die Hand vor den Mund schlagen. Ihre Freundin saß mit aufgerissenen Augen und ausgestreckten Beinen, in mitten von Glas und ausgelaufenen Honig auf dem Boden.


Alarmiert durch den Lärm schaute nun auch die Erzieherin um die Ecke. Mit zwei. drei großen Schritten war sie an Taljah vorbei und rettete das, mit einer dicken Schicht Honig überzogene Kind aus den Scherben. „Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt? Bist du mit dem Stuhl umgekippt?“, stöhnend atmete sie aus. Dieses Kind würde sie noch ins Grab bringen. Erst gestern hatte sie die Kleine aus einem Ententümpel im Stadtgarten fischen müssen, nur weil sie unbedingt ausprobieren wollte, ob die Seerosenblätter ihr Gewicht trugen. Geendet hatte das Ganze in einer für alle Parteien nassen Katastrophe. Und jetzt war sie über und über mit Honig bekleckert.
Mia die den Schrecken schon verdaut hatte, sah ihre Erzieherin böse an. „Miss Cumberland, eine DiNozzo kippt nicht um.“, kam es empört von ihr. Dabei streckte sie ihre Zunge raus und fuhr sich damit über die Oberlippe. *MMhhmm lecker* und weil ihr ein paar Haare ins Gesicht fielen, hob sie ihrer Honighand und strich sie damit weg. Der Aufschrei von Miss Cumberland ließ sie innehalten, aber da war es schon zu spät. Nun hatte sie den Honig auch noch in ihrem Haar verteilt.


Taljah überließ Milena ihrem Unglück, oder sollte sie besser Glück im Unglück sagen. Ihre Freundin hatte ihren Honig. Egal, sie selbst hatte eine Mission, und diese Mission hieß Freddy. Sie rannte an die nächste Ecke, aber Milenas Sturz hatte zu viel Zeit gekostet, von Freddy war nichts mehr zu sehen. Sie stürzte zur Terrassentür und warf einen Blick in den Garten. Die Rutsche war leer, die Schaukel, der Sandkasten, das Klettergerüst, nirgends war der Entführer zu erblicken.
Durch Milenas unüberlegtes Handeln war Puppe in Gefahr geraten. Milena hätte sich doch denken können, dass der Kindergarten kein guter Platz für Puppe war. Außerdem hatte die Erzieherin verboten, Puppe mitzubringen. Und Anweisungen vom Boss hatte man zu befolgen. Doch damit hatte Milena schon immer ihre kleinen Problemchen gehabt.


Taljah stemmte ihre Arme in die Seite und ließ ihren Blick über die Garderobe gleiten. In der Zwischenzeit waren noch mehr Kinder in den Kindergarten gekommen. Schnell prägte sie sich ein, wer bereits da war. Vielleicht mussten sie später die anderen befragen, ob sie irgendetwas gesehen hatten. Der Platz neben Milenas Haken war bereits besetzt. Besetzt von Tom. Ok, kein brauchbarer Augenzeuge, der hatte sicherlich nichts mitbekommen, da er stundenlang mit seinem Computerspiel beschäftigt war.


„Autsch.“, Taljah zuckte kurz zusammen, als ein etwas älterer Junge ihr achtlos auf den Hinterkopf schlug.
„Was soll das, du…“, Taljah kochte vor Wut. „Ich sag`s Miss Cumberland.“
Dieser Satz ließ Diggs auflachen. Diese kleine aufgedrehte Israelin hatte es faustdick hinter den Ohren.
„In dir steckt eine Menge Potenzial. Aber….“
„Was aaaaber?“, zischte Taljah ihm genervt entgegen.
„Bevor du petzt, solltest du bedenken, dass du verbotenerweise alleine auf dem Flur bist.“
„Freddy hat aber Puppe entführt.“, beteuerte Taljah und sag Diggs mit flehenden Augen an.


„Gutenmorgengutenmorgengutenmorgensonnenschein“, die kleine freche Sabrina hüpfte an der Hand ihrer Mutter in die Garderobe. Ihre beiden Rattenzöpfe wippten im Takt. Als sie die Beiden auf dem Flur entdeckte, riss sie sich los und stürzte auf sie zu. Wild und hemmungslos fiel sie Diggs um den Hals. Taljah aber bedachte sie nur mit einem kurzen Blick, mit der Neuen war sie noch nicht so warm geworden. Dann trippelte sie schnell wieder zurück zu ihrer genervten Mutter.
„ZiehstdumirmeinePantoffelnanichkanndasnichtalleine.“ Sabby warf sich auf die Bank und hielt ihrer Mutter die Füße entgegen.


„Aaaaaaah“, ein markerschütternder Schrei kam aus dem Zimmer. Sofort blickten sich Diggs und Taljah wissend in die Augen und rannten zurück ins Zimmer.
Die kleine Lesli stand mit aufgerissenen, entsetzten Augen in der Tür zur Puppenecke. Alle anderen Kinder bildeten einen Halbkreis um sie und versuchten, auf Zehenspitzen stehend, über Leslis Schulter zu sehen um einen Blick auf das zu werfen, was das kleine Mädchen so erschrocken hatte.
„Geht doch mal zur Seite.“, durch Diggs barsche und manchmal harte Art hatte er sich Respekt in der Kindergruppe verschafft. Was er sagte, wurde gemacht. Und so ließen sie ihn gewähren und rückten auseinander. Taljah blieb ihm auf den Fersen. Als sie neben Lesli ankamen, sahen sie das Grauenvolle.
„Ist das Puppe?“, flüsterte er leise Taljah zu.
„Nein, Diggs, das ist ausgeschlossen.“
„Wir haben es also mit einer nicht identifizierten Puppenleiche zu tun. Außerdem haben wir einen Entführungsfall, vermisste Puppe namens….“, er blickte Taljah an. „Wie heißt Milenas Puppe?“
„Puppe.“, antwortete Taljah und hob theatralisch die Schultern. „Einfach nur Puppe.“
„Vermutlich haben wir es hier mit einem Psychopathen zu tun, zumindest aber mit einem Serienmörder.“
„Da muss ich dir zustimmen.“, Rocky hatte sich durch die Menge gezwängt und betrachtete nun genaustens die kaputte Puppe. „Arme und Beine wurden ihr abgerissen. Die arme Puppe, einen solchen Tod wünscht man niemandem. Wisst ihr in meinem alten Kindergarten da gab es eine Puppe, ach wie hieß sie noch mal….lasst mich überlegen….ah genau Monica. Monica war ….“


„Geht endlich zur Seite, lasst mich durch. Ich will zu meiner Puppe.“ Milena hatte die Situation sofort richtig eingeschätzt, als sie nach der Waschtortur mit Miss Cumberland wieder zurück in das Zimmer kam. Alle Kinder standen versammelt vor der Tür der Puppenecke. Schreckliche Worte, wie tote Puppe, abgerissene Arme fielen und ließen die schlimmsten Albtraumbilder in ihrem Kopf aufblitzen.
Milena hatte sich durchgezwängt und sah bereits von weitem in Taljahs Augen. Die schüttelte schnell beruhigend den Kopf.
„Es ist nicht Puppe.“, rief sie ihr laut entgegen. Doch der Anblick der zerstörten Puppe erschreckte Milena trotzdem.
„Meint ihr, er wird es wieder tun?“, fragend blickte sie sich in der Runde um. „Wird er Puppe so etwas auch antun?“
„Taljah und ich suchen dir ein Kuscheltier, das tröstet dich, bis Puppe wieder aufgetaucht ist.“, sagte Diggs schnell, der bereits erkannte, wie sich die Tränen in Milenas Augen sammelten.
„Du und Rocky sucht nach Spuren. Der Täter muss doch irgendetwas hinterlassen haben.“


Ein paar Minuten später stand Taljah aufgeregt im Türrahmen. „Schau mal, Milena, ich habe einen Hasen.“
"Ne...,", Mia verdrehte die Augen, immer musste sie ihre Freundin korrigieren. "...Taljah, es ist ein Vogel."
Taljah blickte verwirrt zu Diggs auf. "Ich hab doch keinen Vogel."
Diggs verdrehte genervt die Augen, immer das Selbe mit den beiden Mädchen, kaum waren sie zusammen flogen die Fetzen und waren sie getrennt, suchte die eine die Nähe der anderen.
„Schluss jetzt damit!“, polterte er los. „Wir haben hier einen Mordfall und eine Puppenentführung zu klären. Nimm jetzt dieses Kuscheltier oder lass es und dann sucht ihr Beide die anderen Räume ab.“ Damit drehte er sich um und ließ die Mädchen stehen.
„ Rocky, hast du schon was heraus finden können?“ Der angesprochene kniete immer noch neben der Puppenleiche. Vorsichtig hatte er die Einzelteile zusammengetragen und barg diese jetzt in einen kleinen Einkaufskorb. Mia, die von Taljah das Plüschtier entgegen genommen hatte, diesen aber nun ziemlich achtlos am Schwanz hielt, konnte schon wieder grinsen. Sie liebte es, wenn Diggs den Boss mimte. Zusammen mit ihrer Freundin näherten sie sich dem Tatort.
„Mhmm Diggs, ich sag es dir gerne immer wieder, aber hier vor Ort kann ich nur sagen das es sich nicht um einen Unfall handeln kann, jemand hat sie ermordet. Für weitere Angaben musst du warten bis ich sie auf meinem Tisch habe und genauestens untersuchen kann.“ Mit diesen Worten stand er auf und trug den Einkaufskorb zum Maltisch in der Ecke. „Ich sag dir Bescheid wenn ich mehr weiß.“, sagte er in Diggs Richtung. Doch dieser bekam den letzten Satz schon nicht mehr mit, da er schon den Raum, auf der Suche nach Tom, verlassen hatte.


Taljah und Milena folgten ihm dicht auf den Fersen, doch plötzlich blieb Diggs stehen und die beiden konnten nicht mehr rechtzeitig stoppen und prallten leicht gegen ihn.
„W A S?“ fragte er. Erschrocken sahen die Mädchen sich an und traten schnell ein paar Schritte zurück. „Diggs, wir....“
Doch er unterbrach Milena bevor sich diese in einen weiteren Redeschwall steigern konnte. „Ich hab euch doch gesagt was ihr machen sollt, oder?“, sagte er barsch. Die beiden Mädchen schluckten, drehten sich dann aber um und begannen mit der ihnen zugewiesenen Arbeit.


Diggs wollte gerade wieder seine Suche nach Tom aufnehmen als Sabby auf ihn zugehüpft kam. Ihre Rattenschwänze flogen nur so durch die Luft. Ihren treuen Begleiter, eine Trinkflasche mit Multivitaminsaft, wie immer in der Hand, sprang sie ihm an den Hals.
„Diggy, Diggy, Diggyman, ich will auch mithelfen. Was soll ich tun? Was kann ich machen? Wem soll ich helfen?“, fragte sie ihn ohne Luft zu holen. Diggs lächelte sie an.
„Zuerst einmal solltest du mich loslassen, Sabby.“ Nichts war mehr von seiner Barschheit zu hören. Fast schon liebevoll löste er ihre kleinen Arme von seinem Hals und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel.
„Also Diggs, was kann ich machen?“ fragte sie verheißungsvoll, dabei wippte sie in ihren Pantoffeln auf und ab.


„Lass uns erst den Garten absuchen und dann arbeiten wir uns immer weiter vor. Wir kreisen ihn langsam ein.“, Milena stieß Taljah mit dem Ellenbogen in die Seite.
„Wir könnten aber…“, Taljah sprach den Satz erst gar nicht zu Ende, sie wusste bereits, was ihre Freundin erwidern würde.
„Ich bin schon viel länger hier im Kindergarten, Taljaaaaah.“, kam es prompt von Milena.
Taljah biss sich leicht auf die Unterlippe, gerne hätte sie etwas darauf gesagt, aber ihr war bewusst, dass sie jetzt keine Zeit hatten, zu streiten. Milena sollte sich nicht immer so aufführen, wenn es mal nicht nach ihrer Nase ging.
Gemeinsam öffneten sie die schwere Terrassentür. Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte sich Milena das sie unbemerkt von Miss Cumberland in den Garten gehen konnten.
„Lass uns mit den Dreirädern einmal rund ums Haus fahren, das geht schneller.“, flüsterte sie Taljah zu und zog sie in Richtung der Räder.
„Ok, ich fahre.“, Taljahs Stimme war ganz aufgeregt und sie warf Milena einen Blick zu, der keine Gegenargumente akzeptierte. Taljah saß bereits auf dem Dreirad, während Milena noch zögerte.
„Vielleicht solltest du besser alleine fahren.“ Sie würde nie im Leben zugeben, dass sie Taljahs Fahrkünste miserabel und sich somit nicht auf den Anhänger traute. „Ich halte Wache.“
Taljah hörte die letzten Worte von Milena gar nicht mehr und sauste los. Sie wich dem, vom gestrigen Tag liegengebliebenen Spielzeug aus. Beinahe wäre sie an der Hausecke aus der Kurve geflogen. Die Runde ums Haus war in Windeseile erledigt und sie fuhr mit einem Affenzahn auf den Platz zu, an dem die Räder standen. Milena hatte sich hinter einem Dreirad versteckt, um nicht entdeckt zu werden und trat nun, als sie Taljah kommen sah, hervor. Gerade rechtzeitig konnte Taljah noch auf die Bremse treten.
„Nichts.“, gestikulierte Taljah. „Im Garten ist Freddy nicht. Auch nicht am Klettergerüst, dabei klettert er doch so gerne.“
„Er klettert also gerne.“, Milena fuhr sich wichtigtuerisch durch die Haare. „Dann sollten wir als nächstes in den Turnraum gehen.“
„Da muss ich dir ausnahmsweise einmal recht geben.“, murmelte Taljah so leise, dass Milena es nicht hören konnte.


Kapitel 2


Rocky besah sich seine Instrumente, die Obduktion konnte beginnen. „So meine Liebe, dann wollen wir mal sehen was oder besser wer dich so grausam hat aus dem Leben scheiden lassen.“ Mit diesen Worten zog er das weiße Tuch von der Puppenleiche und begann mit seiner Analyse. „Also ich würde ja sagen, das sieht einwandfrei nach einem Gebissabdruck aus.“ Dabei nahm er Knete aus dem Kasten und drückte sie auf den Abdruck. Nach kurzer Zeit zog er sie wieder ab und hatte einen mehr oder weniger vollständigen Zahnabdruck angefertigt. Dann machte er mit der Bastelschere den ersten Schnitt. Im Anschluss nahm er zwei Schuhanzieher zur Hand mit denen er den Brustraum spreizte. „Mhm, was haben wir denn da, das wirst du dir doch nicht selber durch den Brustraum getrieben haben? Ich meine in der heutigen Zeit und bei dem Körperschmuck..., aber nein meine Liebe, dafür warst du wirklich noch zu klein.“ Dabei nahm er eine kleine Würstchenzange und wühlte damit zwischen dem Füllmaterial herum, bis er einen leicht gebogenen, länglichen Gegenstand heraus zog. „Also das nenn ich doch mal eine Überraschung. Wer immer dich umgebracht hat, hat nicht nur seinen Gebissabdruck hinterlassen sondern auch noch einen Zahn. Da würde ich doch mal sagen entweder war der Mörder ein Hai, was ich aber sehr unwahrscheinlich finde, oder es handelt sich um einen sehr, sehr alten Mörder. Oh wenn ich es mir richtig überlege, erinnert mich das an einen Fall aus meiner Krabbelgruppe, da gab es auch mal eine Entführung.... aber das sind alte Geschichten, meine Liebe und ich will dich nicht langweilen.“ Er wühlte noch ein bisschen länger im Füllmaterial, fand aber nichts Aufschlussreiches mehr und nähte die Puppenleiche mit groben Stichen zu. „So meine Liebe ich denke damit der Anstand gewahrt ist, decke ich dich wieder ….. , oh was ist denn das?“ Schnell nahm er sich einen Löffel zur Hand und kratzte über das abgetrennte Bein. Die Substanz tat er in ein Lupenglas. „Das muss dringend zu Sabby. Sie wird uns sicherlich sagen können was das für ein Zeug an deinem Bein ist, meine Liebe.“ Mit diesen Worten deckte er die Leiche zu und machte sich mit dem Gebissabdruck, dem Zahn und der unbekannten Substanz auf den Weg zu Sabby.

Diggs fand Tom hinter dem Schrank mit den Bauklötzen, der arme kleine Wicht zitterte am ganzen Körper. Er ließ sich im Schneidersitz vor ihm auf den Boden gleiten, während er ihn genau betrachtete. Toms Computerspiel lag neben ihm auf dem Bauteppich, unbeachtet. Und das war nicht normal für Tom, es war sogar ziemlich unnormal.
„Was ist los, Tommy“, fragte Diggs emotionslos. Erst als er die Tränen in Toms Augen entdeckte, wurde er ein bisschen freundlicher.
„Erzähl, oder muss ich dich erst noch freundlich darum bitten?!“ Es war weniger eine Frage als eine direkte Aufforderung.
„Ich habe Angst, Diggs, der Hundezwinger draußen ist kaputt, das Schloss ist defekt. Und ich habe Angst vor Hunden.“
„Ach, komm Tom, Mopps tut doch nichts.“
„Das hat Miss Cumberland heute Morgen auch gesagt. Ich war nämlich der Erste im Kindergarten.“, verkündete er stolz. „Und Miss Cumberland hat gerade Mopps eingefangen und wieder in den Hundezwinger gebracht.“
„Na siehst du, ist doch alles in bester Ordnung.“
„Weiß nicht.“ Tom zuckte die Schultern. „Ich trau mich nicht aus dem Zimmer raus.“
„Heißt das, du sitzt schon den ganzen Morgen hier?“
„Ja, ich trau mich noch nicht mal mein Computerspiel zu spielen.“
„Hier hat man einen guten Blick auf den Eingang zur Puppenecke.“, murmelte Diggs vor sich hin.
„Du Tom?“, Diggs boxte Tom gegen die Schulter. „War Freddy heute schon in der Puppenecke? Hast du ihn reingehen gesehen?“
„Nein, ich habe ihn nicht gesehen. Aber einmal war ich kurz Pipi machen. Sonst wäre es in die Hose gegangen, und meine Mama hätte mich geschimpft.“
„Ok, dann können wir es also nicht ausschließen.“

Taljah und Milena hatten sich leise dem Turnraum genähert. „Ich geh als erstes rein.“ sagte Mia leise. „Warum du schon wieder?“ kam es genau so leise zurück.
„Weil ich immer noch länger hier bin und du die Neue bist.“ Damit ließ sie Taljah stehen und schlich auf leisen Sohlen in den Raum. „Ich nach links, du nach rechts.“ teilte sie ihr mit.
Taljah stockte. “Wo ist rechts?“ fragte sie Mia.
Die blieb nun ebenfalls stehen und kratze sich am Kopf. „Keine Ahnung. Aber die Erwachsenen sagen doch immer so was in der Art.“
Dann nahm sie ihren Schleichgang wieder auf und Taljah folgte ihr auf der anderen Raumseite. Plötzlich hörten sie Geräusche aus der Geräteecke. Die beiden Mädchen näherten sich langsam. Dann sahen sie ihn, wie er ganz ruhig an der Sprossenwand rauf und runter kletterte. Taljah wollte gerade ihrer Freundin verständlich machen auf sie zu warten, da schoss Mia schon los.
„Freddy haben wir dich endlich gefunden.“ Und damit rannte sie auf ihn zu und dieser vor ihr weg. Taljah rollte nur mir den Augen. Das sie aber auch nie warten konnte, immer diese Extratouren. Und während Mia die Verfolgung von Freddy aufnahm, lief Taljah ganz ruhig an das andere Ende der Halle und versteckte sich hinter dem Mattenstapel. Sie brauchte nicht lange zu warten da hörte sie schon das angestrengte Schnauben von Milena. Locker sprang Taljah hervor und stellte Freddy ein Bein. Dieser stolperte und sie setzte sich blitzschnell auf seine Beine.
„Das Spiel ist aus Freundchen.“ Sagte sie zu ihm mit einem Lächeln. Dann drehte sie sich zu Mia um die auch gerade schwer atmend ankam. „Na das wurde aber auch Zeit. Etwas außer Atmen? Ich würde ja an deiner Stelle noch mehr Pizza in mich hinein stopfen.“
Mia funkelte ihre Freundin böse an. „Das wäre alles nicht passiert wenn du schneller gewesen wärst.“ zischte sie Taljah an.
„Hey, darf ich dich daran erinnern das ich es war die ihn zu Fall gebracht hat. Und was ist eigentlich mit dir heute los. Bist du heute mit dem falschen Bein aus dem Bett gestiegen?“
Mia rollte genervt mit den Augen. „Es heißt Fuß, Taljjjaaahhhhh. Nicht Bein. Und wenn du damit sagen willst das ich heute schlechte Laune habe, hast du recht und sie sinkt gerade noch weiter.“ Damit ließ sie sich neben Freddy auf die Knie fallen. „Du bist Festgenommen wegen dringenden Tatverdacht des Puppenmordes. Warum hast du das getan und wo ist Puppe?“, fragte sie ihn, doch der kleine Junge hatte bis jetzt noch kein einziges Wort gesagt. „Diggs wird ihn schon zum Reden bringen.“ sagte Mia und sah mit Befriedigung das sich Freddys Augen vor Angst weiteten. Zusammen mit Taljah zog sie Freddy auf die Füße und suchten Diggs.

Als Rocky sich dem Loungebereich des Kindergartens näherte, schlug ihm laute Musik entgegen. Eigentlich sollte sich hier der Ruhebereich befinden, aber seit Sabby diesen Ort zu ihrem Labor erklärt hatte, war es mit der Ruhe nicht mehr weit. „Sabby? SABBY“ Schrie er gegen die laute Musik an. Sie stand mit dem Rücken zu ihm und wippte auf ihren Pantoffeln auf und ab, dass ihre Rattenschwänze nur so folgen. Dabei sang sie lautstark den Kinderrap mit. Da sie ihn nicht hörte zog er den Stecker aus dem Gerät. Verwirrt über die daraufhin einsetzende Stille drehte sie sich nach dem Störenfried um.
„Oh Rocky, was kann ich für dich tun?“, fragte sie wibbelig und zog an ihrer Trinkflasche.
„Hast du mal kurz Zeit für mich.“ fragte Rocky. „Ich habe ihr ein paar Beweismittel die deiner Untersuchung bedürfen.“ Damit stellte er das Lupenglas und den Gebissabdruck auf den Tisch. Sabby besah sich das Glas.
„Okay, ich mach mich gleich an die Arbeit. Ich sag dir Bescheid wenn meine Babys, dabei zeigte sie auf verschiedene Spielgeräte, etwas gefunden haben.“
„Gut.“ sagte Rocky. „Dann werde ich jetzt Diggs suchen, um ihn die Neuigkeiten mitzuteilen.

Taljah und Milena schlichen sich leise heran. Wenn sie ganz vorsichtig wären, könnte es ihnen gelingen sich unbemerkt in der Ecke hinter dem Schrank zu verstecken und die Wörter von Diggs und diesem blöden Freddy mitzuhören.
„He.“, flüsterte Milena in Taljahs Ohr. „Ich wette um 5 Gummibärchen, dass Diggs es schafft, dass Freddy weint.“
„Du schuldest mir eh noch 12 Gummibärchen, Milena.“, frech grinste Taljah ihrer Freundin ins Gesicht. „Außerdem steht das außer Frage, weinen wird er so oder so, nur die Zeit, wie lange es dauert, interessiert mich.“ Taljah fuhr sich durch die Haare. „Ich hätte ihn in zwei Minuten so weit.“
„Klar, weil du ihm weh tust.“, fügte Milena hinzu. „Aber das darf man in A M E R I K A nicht.“

Diggs saß auf einem der kleinen Stühle und hatte die Arme vor seinem Körper verschränkt. Sabby hatte ihm die Teile der Puppe aufgemalt. Das Bild lag vor ihm auf dem Tisch. Das quirlige Mädel war wirklich begabt, viele Einzelheiten waren erkennbar. Allerdings bevorzugte sie, im Gegensatz zu ihrer fröhlichen Art, die Farbe SCHWARZ, dies unterstützte die Düsterheit des Bildes.
„Wie kann man so was nur machen.“ Diggs schüttelte entsetzt den Kopf. „Du wirst ganz schön Ärger kriegen, wenn wir dich bei Miss Cumberland verpetzen.“
„Man darf gar nicht petzen.“, kam es leise von Freddy. Er traute sich gar nicht in Diggs Augen zu sehen.
Diggs stützte sich nun mit seinen Ellenbogen auf dem Tisch ab und legte sein Kinn auf die Hände.
„Freddy, warum tust du das Milena an?“, er zog eine Schnute und versuchte Blickkontakt zu Freddy aufzubauen. „Warum entführst du Puppe?“
Ein freches Grinsen legte sich auf das Gesicht des Jungen. „Komm Diggs, die beiden Mädels sind ganz schön nervig. Diese ständige Streiterei zwischen denen geht mir auf die Nerven. Und wenn sie nicht streiten sind sie die allerbesten Freunde. Pah, das ich nicht lache. Die können keine Freunde sein.“
Milenas Gesicht wies rote Flecken auf, sie kochte vor Wut. Am liebsten wäre sie aus ihrem Versteck aufgesprungen und hätte ihm eine runtergehauen. Sie biss die Zähne zusammen und drehte sich zu Taljah um. „Natürlich sind wir Freunde.“
„Mach dir nix draus, Milena, das ist doch ein Blödmann.“
Mia nickte kurz und konzentrierte sich dann wieder auf das Gespräch zwischen Diggs und diesem Idioten.
„Außerdem ist es eklig wie Milenas Papa und Taljahs Tante sich immer abknutschen.“, Freddy schüttelte sich während er die letzten Worte aussprach.
Taljah zupfte an Milenas Pulli. „Du, der hat noch nie was von wahrer Seelenverwandtschaft gehört.“, flüsterte sie in Milenas Ohr.
„Oh die Band hört mein Papa immer, die sind nicht schlecht.“, Milena achtete nicht auf die Lautstärke ihrer Stimme.
„Psst.“, Taljah schupste sie an. Gleichzeitig verdrehte sie die Augen, das war ja mal wieder typisch, dass Milena so etwas nicht verstand.
„Wo ist Puppe?“, Diggs stand auf und stellte sich neben den eingeschüchterten Jungen. „Hast du sie auch umgebracht?“
„Ne, stopp, das geht zu weit.“ Freddy wollte aufstehen, doch Diggs drückte ihn zurück auf den Stuhl.
„Du hast keine Chance, Freddy. Wir haben die erste Puppenleiche gefunden.“, während er diese Worte aussprach, schob er die Zeichnung vor Freddy. „Du bist ein Psychopath, Freddy, du hast ihr nicht nur Arme und Beine abgerissen, du hast sie mit der Schere zerkratzt und auch gebissen.“
„Ich habe mit diesem Mord nix zu tun.“, entsetzt blickte Freddy zu Diggs auf, verschränkte dann trotzig die Arme vorm Körper. Tränen stiegen in seine Augen. „Ich will zu meiner Mama.“
Diggs grinste ihn an. „Du kannst sie sicherlich später anrufen.“ Er legte Freddy den Arm auf die Schulter, bückte sich ein wenig nieder und flüsterte ihm ins Ohr. „Wo ist Milenas Puppe?“
„Ich hab sie versteckt.“, sagte Freddy bockig. „Aber damit habe ich nichts zu tun.“, und er zeigte auf das Blatt, das noch immer vor ihm lag.

Tom und Rocky erschienen in der Verhörecke. Rocky entdeckte sofort die beiden Mädchen hinter dem Schrank und warf ihnen schnell ein Petzauge zu.
„Ähhhmm, Diggs, wir müssten dich mal kurz sprechen.“, Tom hatte sich einen Ruck gegeben und Diggs angesprochen. Schüchtern wartete er jetzt auf die Antwort.
„Was?“, kam es rüpelhaft von Diggs.
„Ähhhmm, wir……äh….“
„Heut noch, Tom.“
„Ach, lass doch den Jungen, er hat heute einen schlechten Tag.“, mischte sich Rocky ein.
„Wir haben ein paar wichtige Informationen für dich, Diggs.“
Diggs sah Rocky auffordernd an und hob die Hände. Er hörte aufmerksam zu.
„Ich habe Gebissabdrücke genommen, Sabby untersucht sie gerade.“
„Ok, ich werde ihn weiter befragen.“
Rocky hielt Diggs am Arm fest. „Das war noch nicht alles.“
„Was denn noch?“, bohrte Diggs weiter.
„Ich habe im Opfer einen Zahn gefunden. Und da stellt sich die Frage, wie kommt ein Zahn in die Puppe.“

„Ich bin mal kurz was besorgen.“, murmelte Taljah ihrer Freundin zu, die noch immer mit ihr gemeinsam hinter dem Schrank saß.
„Wo willst du hin?“, hakte Milena nach. Taljah war mal wieder genervt, alles wollte Milena immer ganz genau wissen. Das grenzte schon beinahe an Eifersucht. Sie warf ihr ein freches Grinsen entgegen und ließ die Frage unbeantwortet. Sie krabbelte los. Als sie sich in Sicherheit wiegte, verschwunden aus Freddys Blickfeld, stand sie auf und rannte. Ihr Ziel war das Büro des Kindergartens und wenn sie Glück hätte, war die Leiterin Miss Smith heute bei einer wichtigen Besprechung und sie könnte unbemerkt an die Büroklammern kommen. Sie war zwar nur ein Kindergartenkind und deshalb kannte sie erst zwei Methoden jemanden mit einer Büroklammer zu pieksen, aber vermutlich würde bei Freddy bereits ein einzige Methode ausreichen. Und dann würde er endlich verraten, was er Puppe angetan hatte und wo genau sie sich befand. Taljah hoffte inständig Puppe rechtzeitig zu finden, denn das Gejammer von Milena würde sich vermutlich bis ins Tausendfache steigern.
Vorsichtig öffnete sie die Tür und spitzte ins Büro. Sie wusste, es war verboten ins Büro zu gehen. Aber es war eine Notsituation und Notsituationen erlaubte außergewöhnliche Handlungen. Auf Zehenspitzen schlich sie zum Schreibtisch. Sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen, immer das Ziel vor Augen, konzentrierte sie sich. Und endlich hatte sie sie. Vielleicht würde sie die Büroklammern ja nicht einsetzen müssen. Aber sicher war sicher. Unbemerkt rannte sie aus dem Büro zurück und kam gerade noch rechtzeitig zurück um das Verhör weiter zu verfolgen.

Diggs setzte das Verhör mit Freddy fort. Und jetzt durften auch die beiden Mädchen offiziell zu hören. Doch Milena wurde vom Geschehen im Garten abgelenkt, dort war gerade Mister Bob der alte Gärtner angekommen. Dieser hatte irgendein seltsames Gerät mitgebracht und baute das gerade auf. Mias Neugier war geweckt. Und das Verhör von Freddy fing an sie zu langweilen. Immer wieder bestritt er die Tat gegangen zu haben. Sie unterdrückte nur mit Mühe in Gähnen und starrte weiter aus dem Fenster.

Diggs schlug mit der Faust feste auf den Tisch. „Autsch“, schrie er in Gedanken, doch Freddy gegenüber zeigte er nur ein böses Gesicht.
„Mach mal deinen Mund auf.“, zischte er den Jungen an, der frustriert die Mädchen ansah, die sich nun ebenfalls in die Nähe des Tisches stellten, um besser zuhören zu können.
„Ich bin jetzt ein Vorschulkind.“, sprach Freddy angeberisch. „Schau, ich habe sogar schon zwei Zähne verloren. Gestern Abend ist der letzte rausgefallen und sogar die Zahnfee war bei mir.“ Ohne Widerworte und sogar mit einem Hauch Genugtuung in der Stimme öffnete er den Mund und ließ Diggs hineinsehen.
Diggs und Taljah warfen sich einen Blick zu. Die Beweislast gegen den 6jährigen zog sich immer enger zusammen.


Teil 3

Langsam, damit es Diggs nicht auffiel, bewegte sich Milena zum Fenster. Was war das nur für ein Gerät? Mister Bob hatte es fertig aufgebaut und bestaunte nun seinerseits das Werk, bevor er einen Rechen nahm und unter den Sträuchern das alte Laub zusammenharkte. Milena beobachtete ihn dabei genau.

Bob Fisher hatte gerade den neu erworbenen Hexler aufgestellt. Er war der Kindergarten Verwaltung immer noch dankbar, dass sie ihm die Möglichkeit gaben, hier seine minimale Rente mit Gärtnerarbeiten aufzubessern. Und der Garten hatte es auch bitter nötig. Überall türmte sich das Laub des letzten Herbstes. Frohen Mutes ging er zum Schuppen und machte sich ans Werk.

„Du hast der Puppe die Arme abgerissen, du hast ihr mit einer Schere das Gesicht zerkratzt und dann gebissen.“, Diggs wiederholte sich und musste aufpassen, dass seine Stimme nicht zu laut wurde und dadurch Miss Cumberland auf sie aufmerksam wurde.
„Wie kann man nur so schrecklich gemein sein?“, bohrte er weiter.
„Das war ich nicht.“, Freddy stampfte mit dem Fuß auf.
„Ich war ja noch nicht mal in der Nähe der Puppenecke heute.“
Diggs setzte sich gespielt ruhig auf einen Stuhl. Innerlich kochte er vor Wut und am liebsten hätte er Freddy geschüttelt, bis er endlich die Wahrheit sagte.
„Also gut, Freddy. Du willst es also wirklich nicht gewesen sein?“, Diggs zwinkerte ihm zu.
„Oh man, jetzt wird’s aber langsam langweilig. Ich geh jetzt wieder in die Turnhalle.“, Freddy wollte gerade aufstehen.
Diggs erkannte die Situation und stand ebenfalls auf. Gerade noch rechtzeitig erreichte er den Halskragen des Jungen und zog ihn über den Tisch zu sich. Seine Augen funkelten ihn an.
„Du gehst hier erst weg, wenn wir Puppe wiederhaben.“

Milena sah von drinnen fasziniert dem Gärtner zu. Sie beobachtete jeden Handgriff des alten Mannes. Die Kinder liebten ihn und nannten ihn vertrauensselig, Mister Bob. Bei ihm konnten sie lärmen, ohne dass er sich über den Krach beschwerte. Er war immer freundlich und hatte für jedes Kind ein offenes Ohr, sofern man laut zu ihm sprach, denn Mister Bob war schwerhörig. Plötzlich spürte Mia einen Schlag gegen ihre Schulter.
„Autsch…“ Sie verzog schmerzhaft ihr Gesicht und rieb sich die wehe Stelle. Sauer drehte sie sich zu Taljah um. „Was sollte das denn?“ zischte sie sie an.
„Du sollst dem Verhör folgen und was machst du? Starrst verträumt in den Garten.“ Mia funkelte sie aus zu Schlitzen zusammengezogenen grünen Augen an.
„Mir ist langweilig… und Freddy erzählt sowieso immer wieder das gleiche.“ Dabei gähnte sie Taljah übertrieben an und drehte sich wieder dem Garten zu.

Taljah ließ ihre Freundin kopfschüttelnd stehen und ging näher zu dem Tisch. Sie warf Diggs einen wissenden Blick zu und trat neben Freddy. Bestimmend drückte sie ihn zurück auf den Stuhl. Ganz nah kam sie ihm nun und Diggs dachte schon, Taljah wolle Freddy küssen, aber sie flüsterte ihm bloß etwas ins Ohr.
„Das traust du dich nicht.“, erwiderte Freddy schockiert.
„Willst du das wirklich ausprobieren?“, sah Taljah ihm fragend in die Augen. In ihrer Hand spielte sie mit einer Büroklammer.
„Wie oft hast du das schon gemacht, Taljah.“, mischte sich Diggs ein.
„Pah, das verrat ich nicht.“, sie blickte kurz zu Diggs und dann zurück zu Freddy, der immer mehr mit den Tränen kämpfte und schließlich richtig zu heulen anfing.
„Ich habe ihr nichts getan, ich habe Puppe bloß versteckt. Ich…..“, schluchzend begann Freddy zu beichten.
Diggs hatte keine Lust auf unnötiges Gerede und sprach die Worte in aller Deutlichkeit aus.
„W O I S T P U P P E ?“

Bob der wusste, dass um diese Uhrzeit keine Kinder im Garten zu erwarten waren, ging beschwingt seiner Arbeit nach. Sack für Sack füllte er mit altem Laub und Strauchabschnitt und brachte dieses zum Häcksler. Dabei summte er fröhlich und sehr laut ein altes Soldatenlied, denn mit seinen Ohren stand es nicht mehr zum Besten. Den blonden Haarzopf, der von seinem Rechen herunterhing sah er nicht.

Im Unterbewusstsein hörte Milena etwas von * Garten, großen Haselnussstrauch, Puppe, Versteckt*. Ein schneller Blick zu Diggs zeigte ihr einen heulenden Freddy, dabei schmiss sie Taljah einen Blick zu der sagte *siehst du, ich hab es doch gewusst* und einen im Triumph grinsenden Diggs. Dann wanderten ihre Augen wieder in den Garten. Hatte sie da was gesehen? Sie war sich nicht sicher, aber irgendetwas Helles hatte zwischen all dem alten Laub geleuchtet. In dem Moment hörte sie Diggs Stimme donnern. „Taljah, Milena ihr habt es gehört. Los, worauf wartet ihr noch.“ Und während sich Taljah schon in Bewegung setzte, brauchte Mia eine Sekunde länger, dann hatte es klick gemacht und sie wusste, was sie gerade im Garten beobachtet hatte. Mister Bob hatte Puppe unter dem Strauch gefunden und wenn sie ihn nicht aufhalten könnte, würde Puppe durch das Ding gedreht werden. Milena verlor kurz ihre gesunde Hautfarbe und sie jagte ihrer Freundin hinterher. Um ihre Pantoffeln gegen ihre Schuhe zu wechseln fehlte ihr die Zeit.

Der Gärtner füllte gerade den nächsten Sack um und trug das Gestrüpp zum Häcksler. Die beiden kleinen Mädchen die in den Garten rannten bemerkte er nicht.

„Freddy hat gesagt er hat Puppe unter dem Haselnussstrauch versteckt. Weißt du was ein Haselnussstrauch ist?“ rief Taljah im Laufen Mia zu.
„Nein, ein Busch an dem Nüsse hängen? Aber ich weiß wo wir suchen müssen.“, kam es naseweis von der Braunhaarigen.
„Woher willst du das wissen?“ Fragte Taljah.
„Ich beobachte Leute, Taljjjaahhh. Und wenn man mich l ä s s t bin ich auch gut da drin.“

Bob wechselte zum wiederholten Male den Sack. Jetzt war wieder ein neuer dran. Fröhlich sang er sein Liedchen dabei und wedelte im Takt dazu mit dem Rechen.

Die beiden kleinen Mädchen liefen so schnell wie noch nie in ihrem Leben. Mia sah wie Mister Bob einen neuen Sack in das Kleinmachding schüttete. Laut schreiend näherten sie sich dem Mann, aber der hörte sie scheinbar nicht und fuhr unbeirrt mit seiner Arbeit fort.

Der Gärtner wurde in seinen Bewegungen immer freier und im Takt schlug er mit seiner Harke Löcher in die Luft.

„Oh Gott, wir sind nicht schnell genug“ schoss es Mia durch den Kopf und sie konnten schreien wie sie wollten, er hörte sie einfach nicht. Plötzlich sah sie aus dem Sack den er in diesem Moment in das Ding füllte einen blonden Zopf heraushängen. Das war die Bestätigung, die sie brauchte. Milena legte noch einen Zahn zu und sprang in Richtung der Maschine, in der Hoffnung diese durch ihr Gewicht umzustoßen, damit Puppe diesem grausigen Schicksal entging. Im selben Moment wo sie abhob, hörte sie Taljah schreien, dann spürte sie einen harten Aufschlag. Die Landung auf dem Boden bekam sie nicht mehr mit.

Taljah sah wie ihre Freundin sprang. Die Gefahr durch die im Takt eines Liedes geschwungene Harke, sah Mia nicht. „Nein.“, schrie Taljah ihr zu und noch im Laufen sprang sie von der Seite ihre Freundin an, um sie aus der Gefahrenzone zu bringen. Doch so ganz schaffte sie es nicht. Der Rechen erwischte beide Mädchen und die Landung auf den Boden war hart.

Bob bemerkte wie seine Harke im Schwung auf etwas traf. Schnell schaltete er den Häcksler aus und sah sich um. Was er vor sich auf dem Boden sah ließen seine Nackenhaare aufstehen. Vor ihm lagen zwei kleine Mädchen. Ein Braunhaariges unten und ein Schwarzhaariges hatte sich über das andere geschmissen. Bob kniete so schnell es seine alten Knochen zuließen nieder, aber da er Angst hatte ihnen weh zu tun, sagte er nur: „Ich hol Hilfe.“ und rannte zum Kindergarten.

Mia wurde jetzt langsam wieder wach. Sie konnte kaum atmen und ihr linker Ellenbogen tat höllisch weh. Als sie mühsam ihre Augen öffnete, sah sie Taljah auf sich liegen und müde Augen blickten sie an.
„Bist du verletzt?“ fragte die kleine Israeli.
„Ich weiß nicht, mein Arm tut weh. Was machst du auf mir?“
„Dich retten, was sonst?“
„Und warum liegst du immer noch auf mir?“ fragte Milena wieder.
*Ja* fragte sich jetzt auch Taljah, warum eigentlich. Mühsam rappelte sie sich hoch.
„Au mein Knie.“, vernahm sie die Stimme ihrer Freundin und hielt sich selbst aber den Hinterkopf. Dort hatte die Harke sie noch gestreift. Sie konnte jetzt schon die Beule spüren die sich dort bildete. Gerade wollte sie Mia ihre Hand hinhalten, als sie an der Maschine etwas sah, das ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Schnell war sie bei dem Gerät und zog Mias Puppe aus dem Gestrüpp. Triumphierend drehte sie sich zu ihrer Freundin um und hielt Puppe mit einem Lachen hoch. Mia saß mittlerweile, war aber ganz blass um die Nase und ihr linker Arm lag in ihrem Schoss. Aber als sie Puppe sah erstrahlte ihr Gesicht und ihre Schmerzen waren für den Moment vergessen. Glücklich schloss sie Puppe in ihren unverletzten Arm. Vom Gebäude waren jetzt aufgeregte Stimmen zu hören. Miss Cumberland, Mister Bob, Diggs und der Rest des Teams kamen eilig auf die beiden Mädchen zugelaufen.

„Kinder, Kinder.“ hörte man Miss Cumberland rufen. „Was habt ihr denn nun schon wieder angestellt. Ihr wisst doch, das ihr nicht ohne Aufsicht in den Garten dürft.“
Sie wollte sich noch mehr aufpusten, doch dann sah sie Milena, die immer noch wie in Häufchen Elend auf dem Boden saß. „Hast du dir was getan, Kind?“, fragte sie. Mia die jetzt trotz Puppe ihren Arm wieder spürte nickte nur, sprechen konnte sie jetzt nicht. Taljah bemerkte dass ihre Freundin mit sich und ihren Emotionen kämpfte und übernahm dies für sie. Sie erzählte von ihrer Rettungsaktion für Puppe und wie sie Mia vor Schlimmeren bewahrt hatte.
„Okay Mädchen, wir fahren jetzt ins Krankenhaus. Der Arm muss geröntgt werden und..“ dabei sah sie jetzt Taljah an. „und deine Wunde muss auch behandelt werden.“

Zwei Stunden später saß Taljah zusammen mit der Kindergartenleitung im Wartebereich des Krankenhauses. Ihre Füße wippten auf dem Stuhl hin und her. Was hier abging war schon sehr abenteuerlich. Die vielen verletzen Menschen, die ganzen Ärzte die hin und her rannten. Taljah war so fasziniert, das sie auch Mias Gejammer kaum gestört hatte. Als erstes war ihr Kopf untersucht worden. Aber außer einer kleinen Schramme und einer großen Beule hatte sie es gut überstanden. Jetzt hatte sei in Pflaster am Hinterkopf und leichte Kopfschmerzen, aber Mia war immer noch im Untersuchungsraum. „Was dauerte denn da so lange....“ dachte sich die kleine Israeli, als endlich die Türen aufgingen und eine verheulte Milena und eine Ärztin auf sie zukamen. Mias Arm steckte von den Fingern bis zur Schulter in einem roten Gips. Miss Smith sprang sofort auf.
„Oh nein, wie soll ich das nun wieder deinem Vater erklären.“ sagte sie zu Mia und zu der Ärztin: „Ist der Arm gebrochen?“
Die Ärztin lächelte sie beruhigend an. „Nein, wir denken nicht. Es scheint sich eher um eine Prellung zu handeln. Aber da die junge Dame hier über große Schmerzen klagte, haben wir uns entschieden ihn für ein paar Tage ruhig zu stellen. Ich würde sagen sie oder ihre Eltern kommen mit ihr in einer Woche noch einmal vorbei. Dann sehen wir weiter.“ Damit strich sie noch einmal über die beiden Köpfe der Mädchen, wobei sie bei Taljah besonders vorsichtig war und verabschiedete sich bei Miss Smith.
Taljah rollte mit den Augen. Das war ja mal wieder typisch für Milena. Der Arm war gar nicht gebrochen aber sie schaffte es einen Gips zu bekommen.
„Mädchen auf, wie müssen zurück zum Kindergarten.“ Damit stand sie auf und ging vor den beiden her.
Die ganze Fahrt zurück schniefte Mia vor sich hin. Taljah war jetzt schon genervt.
„Stell dich nicht so an, dein Arm ist nicht gebrochen.“
„Du bist schuld, wenn du dich nicht auf mich geschmissen hättest, dann wäre das alles nicht passiert.“ zischte Mia zurück.
Taljah war nur froh das die Fahrt bald vorbei war.



Teil 4

„Sabby, herrje noch mal“, donnerte Miss Cumberland los, irgendwie musste sie den Lärm übertrumpfen, der aus der Stereoanlage kam.
“Kind was machst du denn schon wieder.“, die Mädels brachten sie heute völlig um den Verstand. Erst das Drama mit der kleinen DiNozzo und nun noch dieses ADHS Kind. Selbst Ritalin schien diese Göre nicht zu stoppen.
„Du sollst die Knete doch nicht durch den ganzen Kindergarten schleppen. Sabby, die Knete bleibt am Knettisch.“ Miss Cumberland nahm den Zahnabdruck und formte eine Kugel. „Den nehme ich gleich mit.“
In Sabbys Gesicht spiegelte sich das blanke Entsetzen und sie protestierte wild vor ihrer Erzieherin. Wutentbrannt stampfte sie immer wieder mit den Füßen auf. „Sie haben ein wichtiges Beweisstück zerstört.“, die Tränen kullerten aus ihren großen Augen.
Miss Cumberland sah sie einfühlsam an. Dieses Kind hatte eine solch große Fantasie. Aber auch Sabby musste lernen, sich an gewisse Regeln zu halten. Die Erzieherin blickte sich in der Ecke um.
„Was hast du hier nur wieder für ein Chaos angestellt?“, sie schlug die Hände zusammen. Überall lagen Bücher, Lupen waren verteilt und natürlich hatte sich Sabby mal wieder die Gummihandschuhe aus dem Wickelraum geholt.
„Das ist ein Labor, Miss Cumberland. Mein Labor, ich bin nämlich Kriminalwissenschaftlerin.“, sagte sie noch immer beleidigt und absolut überzeugt von sich.
„Aha.“, ein kleines Schmunzeln zeigte sich auf dem Gesicht der Frau, zögerlich nahm sie das Lupenglas in die Hand, das auf dem Regal neben sämtlichen anderen Spielgeräten stand.
„Und deshalb untersuchst du gerade den Speichel von Mopps?“
„Ich bin mir noch nicht sicher, was…. das ist Sabber?“
„Mmh, oder Rotz.“
Tom trat in den Loungebereich und hörte noch die letzten Worte von Miss Cumberland.
„Ist Sabby mal wieder trotzig?“, fragte er seine Erzieherin.
„Nein Tom nicht Trotz, es ist ROTZ.“, Sabby klang aufgeregt.
Toms Blick spiegelte seine Unverständlichkeit. Was gab Sabby da gerade von sich? Sabby unterdessen rollte die Augen und fuchtelte wild mit ihren Armen vor Toms Augen.
„Es ist Rotz, …Sabber…..Speichel….man, das Zeug aus dem Mund von Mopps.“
„Das heißt ja…..“, Tom sah in die funkelnden Augen von Sabby.
„Das heißt, Freddy ist unschuldig. Zumindest was den Mord angeht.“
„Das müssen wir gleich Diggs erzählen, komm schon….“, Sabby zog Tom am Ärmel mit.
„Aber erst müsst ihr aufräumen.“, hörten sie noch die entfernte Stimme der Erzieherin.
„Machen wir gleich.“, schrie Sabby zurück, warf einen Blick über ihre Schulter, rannte weiter und stieß mit voller Wucht gegen Diggs, der gerade um die Ecke bog.
„Aua.“, murmelte Sabby kurz und blickte dann in Diggs Augen. „Zu dir wollten wir gerade.“
„Und ich zu euch.“, grummelte Diggs. Er war etwas wütend, weil durch den Zusammenstoß der Multivitaminsaft auf sein T-Shirt gespritzt war.
„Wir haben den Täter…..die fremde Substanz war Sabber und der Zahn stammte gar nicht von Freddy, wir haben den Zahn mit den Fotos aus dem Biobuch verglichen und….“
„Sabby komm zum Punkt.“
„Es ist ein Hundezahn und der Sabber ist Speichel von Mopps.“, sagte sie schnell.
„Und Mopps hat kein Alibi. Er hat die Nacht nicht im Zwinger verbracht.“, mischte sich Tom ein.
Diggs drückte Sabby den Becher in die Hand und Tom nickte er kurz zu. „Gut gemacht.“


Kurze Zeit später kamen Taljah und Milena aus dem Krankenhaus zurück und erzählten den anderen von ihrem Abenteuer.
„Tali, kannst du mir bitte einmal helfen, ich kann den Klettverschluss nicht mit einer Hand öffnen.“ sagte Mia wehleidig und kurze Zeit darauf: „Tom, ich brauch deine Hilfe hier, ich kann meine Trinkflasche nicht alleine halten, die ist viel zu schwer.“ Tom half ihr, konnte sich aber einen Kommentar nicht verkneifen.
„Mia, Taljah sagt dein Arm ist gar nicht gebrochen.“
Milena funkelte ihn böse an. „Woher will sie das denn wissen, war sie dabei. Und wenn er nicht gebrochen ist, warum hab ich dann einen Gips bekommen.“
Die letzten Worte hatte sie wieder ganz jämmerlich ausgestoßen und dabei mit schmerzverzerrtem Gesicht über ihren Arm gestrichen.
Taljah hatte genug von dem Theater und ging in den Gruppenraum. Sie erblickte Sabby, die im Zimmer im wieder im Kreis lief.
„Ohmeingottohmeingottohmeingottohmeingott.“, sprach sie ohne Unterbrechen vor sich her.
„Sabby“, Taljah machte auf sich aufmerksam und Sabby raste auf sie zu. Als diese ihre Beule sah, schrie sie noch lauter.
„OhmeinGottohmeinGott“
„Sabby“, sagte Taljah in ernstem Tom, um irgendwie eine Reaktion des Mädchens zu erhalten.
„Komm auf den Teppich,…. Milena hat einen geprellten Ellenbogen, ich eine kleine Beule, aber wir haben Puppe gerettet.“ Entsetzt sah Sabby ihr noch immer in die Augen, zog eine Grimasse und musterte ausführlich Taljahs Beule.
„Glaub mir, es geht uns gut….. Jetzt beruhige dich.“, setzte Taljah noch hinterher.
„Taljah, kann ich nicht mal meine Gefühle raus lassen. Wenigstens kurz? …..Ich bin nun mal nicht wie du, …..ich bin kein eiskalter, total gefühlskalter Playmobil Roboter. Gott.“, erwiderte Sabby enttäuscht. Sie machte sich gerade auf den Weg, das Zimmer zu verlassen, doch im Türrahmen blieb sie stehen und drehte sich schuldbewusst um.
„Was ich da gerade gesagt habe, …..ich weiß, dass es nicht wahr ist.“, sprudelte es aus ihr heraus.


Der Fall war gelöst und Mopps überführt. Mittlerweile war wieder so etwas wie Ruhe in die Gruppe gekommen. Rocky räumte gerade seine Obduktions-Instrumente weg und Tom hatte seinen heißgeliebten Kinder Computer auf den Knien und ließ sich von nichts und niemanden mehr stören. Milena und Taljah waren von Miss Cumberland in den Ruhebereich verbannt worden, um sich etwas von den Strapazen zu erholen und Diggs hatte das vollbracht, was nur er konnte. Er hatte es geschafft die völlig überdrehte Sabby zu beruhigen. Sie hing zwar immer noch leicht weinend in seinen Armen, aber sie war nicht mehr hysterisch.


Auch Miss Cumberland nahm sich eine Auszeit. Sie saß in ihrem Büro mit einer Tasse Kaffee und schaute auf die Uhr. Mittlerweile war es 16:30 Uhr. „Gott sein Dank, schon wieder ein Tag geschafft.“ dachte sie sich. Noch ungefähr eine halbe Stunde und auch das letzte Kind würde für heute den Kindergarten verlassen haben. Sie atmete einmal tief durch, fuhr sich über die leicht verschwitzte Stirn und warf noch einen letzten Blick in den kleinen Taschenspiegel in ihrer Hand. Sah sie da etwa schon wieder ein paar neue graue Haare? Diese Kinder schafften sie wirklich. Die Rasselbande war schon vorher kaum zu bändigen gewesen, aber seit Taljah und Milena neu dazu gestoßen waren, war es mit ihrer Ruhe vorbei. Diese beiden Mädchen zusammen…. waren schlimmer zu hüten als ein Sack Flöhe. Wobei Taljah ja noch ging, aber die kleine DiNozzo….und sie schüttelte innerlich zum wiederholten Male den Kopf. …kostete sie die letzten Nerven. Und während sie insgeheim Verwünschungen gegen ein gewisses braunhaariges, vorlautes, wichtigtuerisches und allgemein nervendes Kind ausstieß, schellte plötzlich ihr Telefon und vor Schreck und schlechtem Gewissen erschreckte sie das so sehr, dass sie ihren Kaffee über die Bluse verschüttete. Stöhnend und fluchend zugleich, stellte sie die Tasse weg, ergriff sich ein Taschentuch um den gröbsten Schaden zu beseitigen und nahm das Gespräch entgegen.


Milena war gerade in geheimer Mission unterwegs. Sie wollte endlich bei Tali ihre Schulden bezahlen, darum schlich sie sich heimlich in den Empfangsbereich des Kindergartens um ein paar Gummibärchen zu stibitzen. Sie hielt das Glas in ihrem gesunden Arm und hatte ihren eingegipsten so verdreht das sie mit der Hand in dem Süßigkeitenglas fischen konnte, was sich als gar nicht so einfach heraus stellte. Sie überlegte gerade, ob es eine gute Idee von ihr gewesen war, im Krankenhaus so viel zu jammern, als Miss Cumberland die Tür zu ihrem Büro öffnete und fast das kleine Mädchen umrannte, das vor der Tür Gummibärchen klaute. Erwischt wollte Mia ihre Hand aus dem Glas ziehen, aber die Öffnung war plötzlich für die Gipshand zu klein und sie versteckte schnell das Glas mit samt ihrer Hand hinter ihrem Rücken. Ihre Erzieherin sah sie verwirrt an. Heute war definitiv nicht ihr Tag. Was machte nur dieses Kind schon wieder hier. Verfolgte sie es etwa?


„Milena was machst du hier ganz alleine. Du weißt doch, dass ihr euch ohne Aussicht nicht außerhalb eurer Gruppe aufhalten sollt.“
Mias Verstand arbeitete jetzt auf Höchststufe. Das Glas wurde schwer hinter ihr und sie hatte das Gefühl ihr Gipsarm würde in der Mitte durchbrechen. Der Ellbogen, der schon gar nicht mehr weh getan hatte, sendete jetzt Schmerzimpulse durch ihren Arm. Kleine Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Aber nach den missglückten Aktionen des heutigen Tages, wollte sie sich nicht noch einmal auf frischer Tat erwischen lassen. Krampfhaft überlegte sie sich einen Ausweg. Als sie plötzlich Lesli aus dem Knetbereich nach Miss Cumberland rufen hörte. Diese fuhr sich genervt durch die Haare.
„Was ist denn nun schon wieder passiert. Kann ich euch denn nicht einmal für ein paar Minuten aus den Augen lassen.“ Sagte sie zu sich selber und hatte das kleine Mädchen schon vergessen.
„Buh, Glück gehabt.“ Sagte Mia leise, während sie darauf wartete dass ihre Erzieherin in dem Gruppenraum verschwand. Dann holte sie mit zusammengebissenen Zähnen ihren Gipsarm wieder nach vorne und zog vorsichtig ihre Hand aus dem Glas. Nicht ohne sie vorher noch mit diversen Gummibärchen zu füllen. Mit einem zufriedenen Grinsen steckte sie sich eins in den Mund und die anderen in ihre Hosentasche und lief zu den anderen Kindern zurück.


Als sie in den Ruhebereich zurückkam, sah sie Miss Cumberland mit Taljah reden.
„Gut das du kommt Milena, das geht ja auch dich an. Taljahs Mutter hat gerade angerufen und mich gebeten euch zu sagen, dass sie beruflich über Nacht verreisen muss und Taljah deshalb bei ihrer Tante, also bei dir, übernachten soll. Dein Vater und Taljahs Tante wissen schon Bescheid und sind gleich da um euch abzuholen.“ Damit stand sie auf und ließ die Mädchen alleine.
„Das wird toll.“ Sagte Mia. „Dann kannst du mir nachher, wenn wir Zuhause sind beim ausziehen helfen.“ Dabei hob sie theatralisch ihren gegipsten Arm. Wobei sie bemerkte das der jetzt doch etwas mehr weh tat als vor der Gummibärchen Aktion.


Taljah verdrehte die Augen. Das konnte ja heiter werden. Sie war gerne mit ihrer Tante zusammen und sie mochte auch ganz gerne Milenas Daddy, aber Milena teilte nicht gerne und beanspruchte beide Erwachsenen für sich. Dazu kam auch noch dieses Zimmer in der Schweinchenfarbe. Alleine wenn sie daran dachte, schüttelte es sie innerlich. Dass Mia die ganze Zeit über schon Pläne für den Abend machte, bekam sie nur am Rande mit.


„…. und dann können wir bestimmt einen Film schauen. Oder wir spielen mit meinen Barbiepuppen. Aber du bekommst den Ken. Weil die Puppen sind alle Prinzessinnen und du bist keine, aber ich. Denn mein Daddy sagt immer Principessa zu mir. Das ist italienisch und heißt Prinzessin und darum kannst du auch nur mit dem Ken spielen….“ Milena war nicht mehr zu bremsen und Taljah war froh als Rocky auf sie zukam.


„Hey ich wollte nur Tschüss sagen. Meine Grandma ist da und holt mich ab. Bis morgen ihr Beiden.“ „Bis morgen Rocky.“ sagten die Mädchen im Duett.
Und damit lief er auch schon durch die Tür. Diggs Pa war ebenfalls gekommen und nahm auch gleichzeitig Tom mit, da sie in einer Straße wohnten. Mia wollte gerade mit ihren Planungen für den Abend weiter machen als Sabby auf sie zugestürzt kam.


„MeineMommyistschondaundichbekommdenPantoffelnichtaus. Kannstdumirhelfen, Mia?“ Und bevor Milena überhaupt nachdachte, hatte sie sich schon nach unten gebeugt und mit ihrem Gipsarm Sabbys Klettverschluss geöffnet. Diese hüpfte dankend davon.


„Haaaaahhh, ich hab es doch gewusst….“ rief Taljah in Mias Richtung und zeigte anklagend mit ihrem Finger auf ihre Freundin. Dabei hatte sie ihrer dunklen Augen zu Schlitzen verengt. „Du hast uns angeflunkert. Dein Arm tut dir gar nicht weh.“
„Doch…“, kam es kleinlaut. „ …also seid vorhin schon.“ sagte Mia leise und kramte dabei in ihrer Hosentasche nach den Gummibärchen. „Ich wollte meine Schulden bei dir bezahlen, aber das Glas war so schwer und dann ging mein Arm nicht mehr raus.“ Und während sie Taljah von ihrem letzten Abenteuer erzählte, übergab sie ihr die angeweichten, klebrigen Gummibärchen.


Mit großen Augen folgte die kleine Israeli der Geschichte. Diesmal hatte Mia ihr die Geschichte ohne Ausschmückungen oder Lügen erzählt. Das freute Taljah. Milena hatte dieses letzte Abenteuer nur auf sich genommen, damit sie ihre Schulden begleichen konnte. Dass sie die Süßigkeiten geklaut hatte, zählte nicht. Für Taljah zählte im Moment nur der Gedanke, dass sie es für sie getan hatte und das sie dafür sogar ihrem Arm weh getan hatte. Gerührt hielt sie ihr ihre Hand mit den klebrigen Gummibärchen entgegen.
„Lass uns teilen. Ich schenk dir die Hälfte.“ Dabei deutete sie auf den Gipsarm.
„Schlimm?“
„Ne, geht schon.“ sagte Mia und lachend steckte sie sich ein Bärchen in den Mund.


„Kinder, wo seid ihr denn? Miiiilena, dein Vater wartet. Taljaaaahh deine Tante auch.“ rief Miss Cumberland durch den Raum. Schlimm diese beiden. Für alles brauchten sie eine Extraeinladung. Morgens waren sie die Ersten und nachmittags die Letzten. Es gab einfach keine Erholung. „Da seid ihr ja. Jetzt aber los. Schuhe an und dann ab mit euch.“ Mit Erstaunen sah sie, wie Taljah sich freiwillig um Melina kümmerte und dieser aus ihren Pantoffeln und in ihre Schuhe half.


„Hast du Puppe?“ fragte sie Mia. Und die hielt ihren Rucksack hoch. „Und morgen lässt du sie wieder Zuhause, ja? Da ist es für sie sicherer.“
Milena sah sie mit einem Grinsen an. „Da ist es aber auch langweiliger.“ konterte sie und zog ihre Augenbrauen hoch.
Taljah nahm beide Jacken, da Mia schon genug damit zu tun hatte ihren Rucksack und ihrem Arm zu tragen und ging auf die Glastür zu. Draußen konnte sie schon ihre Tante sehen die mit verschränkten Armen an Mias Daddy lehnte. Dieser hatte seine Sonnenbrille auf und sah, so wie er ihre Tante hielt, schon sehr cool aus. Taljah seufzte. In der Beziehung beneidete sie ihre Freundin wirklich. Sie hätte auch so gerne einen Daddy wie ihn.
„Bis morgen.“ Riefen die beiden Mädchen Miss Cumberland zu.


„Ich werde es wohl nicht verhindern können.“ sagte ihre Erzieherin leise und schloss schnell hinter ihnen die Tür. Dieser Tag war anstrengend genug gewesen und morgen würde es wieder einen geben, und übermorgen, und überübermorgen, und …..


~~~ E N D E ~~~

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Kommentare: 1
  • #1

    Lilli❤ (Mittwoch, 28 Mai 2014 13:46)

    Sehr witzig und süß geschrieben. Lange zu lesen aber echt gut geworden und gut zu vergleichen mit meiner kleinen Schwester, die auch so ein Kindergarten-Rabauke ist :D